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Titelstory: David Bowie – Griff nach den Sternen

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Titelstory: David Bowie – Griff nach den Sternen

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Thin White Duke

Das Jahr 1971 ist ein Wendepunkt in David Bowies Karriere. Der Künstler ist trotz des Erfolgs von SPACE ODDITY am Boden. THE MAN WHO SOLD THE WORLD kann in kommerzieller Hinsicht nicht an das 1969er-Werk anschließen. Und der Ruhm von THE RISE AND FALL OF ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS ist noch nicht einmal zu erahnen. Doch Bowies Depression hält nicht lange an. Er beißt sich durch, bricht mit einigen Menschen in seinem näheren Umfeld, findet dafür aber auch Mitstreiter, die ihn in internationale Star-Sphären katapultieren. Der erste Schritt dahin: die Aufnahmen des 1971er-Albums HUNKY DORY.

David Bowie ist ein erledigter Fall. Als R&B-Mucker im schnieken Mod-Outfit hat er Mitte der sechziger Jahre nur marginale Spuren hinterlassen, sein Flirt mit dem skurrilen bis infantilen Hippie-Folk ist ebenfalls folgenlos geblieben. Mit dem Weltraum-Dramulett SPA-CE ODDITY liefert er zwar 1969 den Soundtrack zur Mondlandung, zweifelsfrei das Ereignis des Jahres, doch das dazugehörige Album bleibt zunächst ein Ladenhüter. Im heimischen England mag er dank der Single ›Space Oddity‹ zur zeitgenössischen Popstar-C-Prominenz gehören, in den für eine Weltkarriere so wichtigen USA bleibt er allerdings ein unbeschriebenes Blatt – die Yankees, beseelt vom Heldenmut ihrer Astronauten, können der tragischen Geschichte von Major Tom, der in den Weiten des Alls verlustig geht, nämlich nicht allzu viel abgewinnen. Doch es kommt noch schlimmer: Sein bereits fertig gestelltes Album THE MAN WHO SOLD THE WORLD schlummert noch immer in einer Schublade seiner Plattenfirma Mercury, die von David Bowie offenbar nicht mehr allzu viel erwartet. Der Release-Termin wird ständig verschoben.

Auftritt Tony Defries. Bowie hat seinen langjährigen Manager Ken Pitt gefeuert, der umtriebige Zigarrenraucher Defries soll seine Kar-riere nun endlich in Schwung bringen. Doch statt sich um seinen neuen Schützling wirklich zu kümmern, überwirft sich Defries erst einmal mit Tony Visconti. Bowie verliert mit ihm einen guten Freund – und einen fähigen Produzenten, der mit Marc Bolans T. Rex gerade vormacht, wie man massiv durchstartet. Mick Ronson, Bowies Gi-tarrist, scheint bereits kapituliert zu haben. Der kehrt nämlich einfach in seine Heimatstadt Hull zurück, wo er fortan als Gärtner ar-beiten will. Ronson hat genug von Londons Glitzerwelt und erklärt das Abenteuer Rockstar für beendet.

Dem Journalisten Steve Peacock wird Bowie später erzählen, dass auch er sich damals wie ein „ausgelaugter, desillusionierter Rocker“ fühlte. Im zarten Alter von 24 Jahren. Ans Aufgeben denkt er dennoch nicht, auch wenn er bisweilen selbst nicht mehr so recht daran glauben kann, den großen Durchbruch doch noch zu schaffen. Was Bowie zum Durchhalten bewegt, ist vor allem seine Freude an der Arbeit: „Ich mochte den Prozess, Songs zu schreiben und aufzunehmen, das machte nämlich jede Menge Spaß.“

Raus aus dem Genre-Käfig

Zudem geht etwas vor in Bowies Kopf: Hatte er bislang bestehende Spielarten kopiert oder adaptiert, findet er zunehmend seinen eigenen Stil. Sein neuer Song ›Changes‹ bringt diese neu gefundene, kreative Freiheit auf den Punkt: „turn and face the strange!“ Die damaligen Veränderungen erklärt er den Kollegen vom britischen CLASSIC ROCK: „In den frühen siebziger Jahren kamen viele Faktoren zusammen, die dazu führten, dass ich meine eigentlichen Pläne in die Tat umsetzen konnte. Ich hatte herausgefunden, dass ich mich mit einer Art Markentreue, mit einem fest umrissenen Stil eher schwer tat. Ich war kein R&B-Künstler und auch kein Folkie, und ich sah auch nicht mehr ein, warum ich unbedingt den Puristen mimen sollte. Ich liebte die Idee, meinen eigenen Stil zu kreieren, eine Mi-schung aus Little Richard und Jacques Brel mit den Velvet Underground als Begleitband. Wie würde das wohl klingen? Niemand tat etwas Vergleichbares, zumindest nicht auf diese Art und Weise.“

Auch wenn selbst große Plattenfirmen in den frühen Siebzigern dem gepflegten Experiment nicht grundsätzlich abgeneigt sind, so wohnt Bowies Gedankenspielen, musikalisch erst einmal umgesetzt, ein gewisses Risiko inne. Die britische Rockmusik des Jahres 1971 teilt sich – grob gesagt – in drei Kategorien ein: den Teenie-Markt, fest in der Hand von Bands wie Sweet und T. Rex, die Fraktion proletarisch hardrockender Acts der Marke The Who, Led Zeppelin und Deep Purple – sowie progressiver Rock à la Genesis und Pink Floyd, goutiert von einem eher studentischen Publikum und gerne mit dem Attribut „anspruchsvoll“ versehen. Bowies geplante Mixtur aus Rock’n’Roll, Chanson und Underground hat also eher das Zeug zur verwegenen Minderheitenbeschallung – der Mainstream tickt gerade anders.

Als sein neues Werk HUNKY DORY im Dezember 1971 erscheint, setzt es sich zunächst einmal – wie erwartet – zwischen alle Stühle. Die Kritiker loben es, die Käufer üben vornehme Zurückhaltung. Die Teenies lieben eben zuallererst Lockenköpfchen Marc Bolan, den „gestandenen“ Rockfans hingegen ist Bowies Glam-Attitüde ein wenig suspekt – noch. Denn als ein halbes Jahr später THE RISE AND FALL OF ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS erscheint, kommt der „Glam“ endgültig im „Rock“ an, auch Roxy Musics zeitgleich veröffentlichtes Debütalbum trägt dazu bei, HUNKY DORY mit anderen Ohren zu hören. Kein Zweifel: Heute zählen vor allem ZIGGY STARDUST sowie die Berlin-Trilogie aus LOW, HEROES und LODGER zu den signifikantesten Werken Bo-wies der siebziger Jahre. Doch es war fraglos HUNKY DORY, mit dem Bowies künstlerische Emanzipation begann.

1971 lebt er im Erdgeschoss von Haddon Hall, einem viktorianischen Wohnhaus, vollgestopft mit Art-Deco-Lampen, orientalischen Teppichen und allerlei Krimskrams aus der Carnaby Street. Dank schwarzer Vorhänge dringt kaum noch Licht in Bowies Popstar-Bude, was einen Besucher zu der Bemerkung hinreißt, die Wohnung sehe aus wie „Draculas Wohnzimmer“. Das wichtigste Stück in Graf Bowies Gemächern ist allerdings ein riesiger antiker Konzertflügel – an dem sein Besitzer neuerdings viel lieber komponiert als an der zwölfsaitigen Harptone-Gitarre. Angie Bowie, Davids dama-lige Ehefrau, erklärt dazu dem britischen CLASSIC ROCK: „Er liebte den Flügel. Am Piano zu komponieren, eröffnete ihm zudem ganz neue Möglichkeiten, denn das Instrument korrespondiert eben mit völlig unterschiedlichen Stilen, von der Klassik bis zum Cabaret.“ Ganz neue Möglichkeiten erforscht David Bowie zu jener Zeit auch in seinem neuen Lieblingsclub, dem „Sombrero“, einer Schwulendisco in Kensington. Nach heutigen Maßstäben eine mä-ßig sensationelle Form des geselligen Beisam-menseins, ist das 1971 natürlich noch ganz anders: Die Schwulen-Clubs gelten als Orte höchster Verruchtheit – dort entdeckt zu werden, kann Karrieren beenden und Ächtung provozieren. Bowie indes ist überaus ange-tan von der sexuellen Freizügigkeit, die im „Sombrero“ herrscht, ebenso von den Frisuren und Make-ups seiner schillernden Gäste. Sowohl seine Musik als auch seine äußere Erscheinung spiegeln das alsbald wider, der Song ›Oh, You Pretty Things‹ etwa entspringt unmittelbar Bowies Beobachtungen in der Gay-Szene, und sein späteres Ziggy-Stardust-Outfit ist ebenfalls vom „Sombrero“ inspiriert.

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