Als man John Corabi im Juli anzoomt, sitzt selbiger gerade in seinem Auto in Long Island, New York, wo er am selben Tag eine Solo-Akustik-Show im Vorprogramm von Tom Keifer und Winger spielt. Der mehr als rüstige 64-jährige Sänger ist gut drauf und erklärt frei heraus, wie es, pünktlich zum 10. Jubiläum der Dead Daisies, zu seiner von vielen Fans lang ersehnten Rückkehr zur Band kam, warum Glenn Hughes ausgestiegen ist und was das Publikum von den kommenden Jubiläumsshows des hochkarätigen Rock-Kollektivs (aktuell bestehend aus Corabi, Bandkopf David Lowy, Gitarrist Doug Aldrich, Drummer Brian Tichy und Bassist Michael Devin) erwarten darf.
Lass uns von vorne anfangen: Warum hast du die Dead Daisies 2019 verlassen und warum bist du jetzt zurück?
Eigentlich nur, weil ich etwas ausgebrannt war. Wenn man sich unseren damaligen Terminplan ansieht, war das schon krass. Ich möchte nicht narzisstisch klingen, aber als ich bei den Daisies einstieg, gingen wir nach REVOLUCION plötzlich voll durch die Decke, waren mit Kiss und Whitesnake auf Tour. Wir spielten auf der ganzen Welt, nahmen ein Album auf, und tourten sofort wieder. Der Terminplan war verrückt. Außerdem lag mir mein Sohn in den Ohren damit, dass wir mit meiner Solo-Band mehr machen wollten. Er spielt Schlagzeug für mich und meinte nur: „Toll, Dad, jetzt bist du bei den Daisies und hast keine Zeit mehr für unser Projekt.“ Also musste ich mal kurz aus diesem Karussell aussteigen, mich ausruhen und ein paar Shows mit meinem Jungen spielen. Dann kam Covid und ich war ja eh mit David und Doug in Kontakt geblieben – es gab kein böses Blut. Einmal ging es Glenn nicht sonderlich gut und ich sprang für ihn in den Proben ein. Dann stieg Glenn aus, weil er sich auf seine Deep-Purple-Show und eine neue Black-Country-Communion-Platte konzentrieren wollte. Also riefen die Daisies an und fragten, ob ich mich genug ausgeruht hätte. (lacht)
Euer kommender Tourplan sieht wieder straff aus. Stehst du das diesmal besser durch?
Ja klar. Weißt du, wir haben alle aus dieser Zeit gelernt. Unser Terminplan war absoluter Irrsinn, manchmal spielten wir zwei Festivals an einem Tag. Dann gab es „Daisyland“: morgens standen Fernseh- oder Radiotermine an, dann eine Akustik-Show in einem Plattenladen oder so mit Signierstunde, danach Soundcheck, ein schnelles Abendessen und ab auf die Bühne. Oder wir spielten zehn Tage am Stück ohne Pausen. Das war einfach viel, zu viel. Schon während seiner Zeit mit der Band hat Glenn die Zügel angezogen, er bestand auf einen Off-Day nach zwei oder drei Shows. Ich habe die Daisies während meiner Auszeit noch mehr schätzen gelernt und die Band hat eingesehen, dass es vielleicht ein bisschen viel war. David Lowy selbst meinte zu mir, dass er das Touren in einem Tempo halten möchte, das uns nicht umbringt. (lacht) Weißt du, Dude, mir geht’s gut, allen geht es gut… Oh sorry, jetzt hab ich Dude zu dir gesagt!
Als Sänger ist der ganze Zirkus ja doppelt anstrengend…
Absolut, wenn du ein Schlagzeugfell durchhaust, ziehst du ein neues auf. Wenn mir die Stimme wegen Überbelastung wegbricht, habe ich Pech gehabt. Aber das sollte alles glatt laufen.
Achtest du besonders auf deine Stimme?
Ach weißt du, ich habe noch nie irgendwas in meinem Leben exzessiv betrieben, das hilft. Außerdem hat mich Deen Castronovo auf Ken Tamplin gebracht, einen Gesangscoach. Der gab mir einige Übungen mit auf den Weg und so lerne ich gerade, ein bisschen auf meine Stimme zu achten. Früher war mir das egal, aber jetzt bin 107 Jahre alt, da wird so etwas relevant. (lacht)
Hast du dir die Daisies-Platten mit Glenn damals angehört?
Ja klar. Unsere aktuelle Tour fällt ja mit der neuen BEST-OF zusammen, auf der alle Sänger der Daisies vorkommen. Da wäre einmal John Stevens, der erste Sänger, dann ein gutes Stück Musik aus meiner Zeit und nochmal ein Brocken aus Glenns Zeit. Ich mag jede Phase der Daisies! Als wir mit den Proben begannen, entschieden wir, dem Publikum etwas aus jeder Ära zu liefern. Ich hatte die Platten schon gehört und sie wirklich toll gefunden, jetzt muss ich mir überlegen, wie ich die Parts der anderen Sänger am besten umsetze.
Welche Songs performst du live am liebsten?
Wir haben so viele tolle Lieder, doch live mag ich besonders jene, die das Publikum zum Mitmachen anregen. So etwas wie ›Make Some Noise‹ oder ›Long Way To Go‹. Wir sind sowas von bereit, da rauszugehen, Spaß zu haben und eine Kickass-Show auf die Beine zu stellen
Wieso funktioniert das Konzept der Dead Daisies so gut, wo Fans sich doch immer wünschen, dass ihre Bands im selben Line-Up zusammenbleiben?
David wollte immer tolle Musiker in der Band. Und tolle Musiker wie Marco Mendoza oder Glenn Hughes oder Dizzy Reed haben viel zu tun. Also ließ er es immer für alle offen, wie lange sie bleiben. Auch wenn es einen festen Kern gibt, ist der Name Dead Daisies ein Markenname. Wie Coca Cola – wenn jemand den Job wechselt, ändert sich der Geschmack von Coca Cola nicht. Das ist ein super Konzept und es macht die Arbeit für alle Beteiligten sehr angenehm.
Ihr habt euer Ego scheinbar gut im Griff, sonst würde das nicht funktionieren, oder?
Ungezügelte Egos ruinieren Bands. Ich hab das schon einmal erlebt, bei der einen Band, auf die du mit deinem Grinsen gerade anspielst [er meint Mötley Crüe. Anm. d. Red.] und die hauen sich bis heute die Köpfe ein. Bei den Daisies darf jeder mitreden, es gibt keine Egos. Das hat David von vorneherein klar gemacht. Es geht um die Musik, um Freundschaft und um verdammt viel Spaß!