Ihr habt zu Beginn eurer Karriere in Nordlondoner Pubs gespielt. Musstet ihr euch wegen deines extravaganten Bühnenoutfits und deiner hohen Stimme eigentlich despektierliche Kommentare anhören?
Bei den ersten Shows war das schon ein Problem. Die Leute dachten, wir würden das alles nicht richtig ernst nehmen. Im Rückblick war das aber ganz gut so. Die Musik-Industrie hatte keinen Interesse an uns. Doch die Leute kamen zu unseren Auftritten und sprachen über uns und unser Aussehen und welche Motivation dahinter stecken könnte. Bevor wir unseren ersten Vertrag unterschrieben haben, tourten wir schon als Support von DEF LEPPARD und waren Headliner im Londoner Astoria Club. Ich denke, es ist ein guter Weg, sich in kleinen Clubs den Arsch abzuspielen und dadurch langsam bekannt zu werden. Du musst dir erst dein Publikum erspielen und es kennenlernen, bevor du einen Plattenvertrag unterschreibst. Heutzutage gewinnen Bands irgendein Wettbewerb, landen im Fernsehen und haben schon einen Vertrag in der Tasche.
The Darkness sind eine klassische Rockband. Davon gibt es nicht mehr so viele. Wollt ihr diese gefährdete Gattung vor dem Aussterben bewahren?
Puh, schwere Frage. Es stimmt, wir sind eine klassische Rockband, doch wir haben unsere eigene Interpretation. Wir integrieren Einflüsse, die man von uns vielleicht nicht erwarten würde, wie Abba oder Fleetwood Mac. Natürlich stehen wir alle auch auf AC/DC, Queen oder Thin Lizzy. Ich finde, dass sich viele neuere Bands zu sehr an den alten Classic-Rockbands orientieren. Es ist nichts neues, frisches in ihrer Musik zu finden. Aber so lange es noch Bands wie uns gibt, ist alles okay (lacht).
Ihr überrascht gerne mit unerwarteten Aktionen. Ihr wart sogar schon mit Lady Gaga auf Tour. War das besser als kürzlich mit Guns N‘ Roses?
Generell ist es keine besonders dankbare Aufgabe, für Lady Gaga oder Guns N‘ Roses zu eröffnen. Die Leute, die dort hinkommen, interessieren sich einen Scheiß für die Vorband. In Italien war es aber supergeil, vor Guns N‘ Roses aufzutreten: Die Leute haben uns geliebt. Wir haben dort eine starke Fanbase. Das Gleiche in Finnland – es war fantastisch dort. Bei Lady Gaga hatten wir ein super Publikum in Südamerika.
Habt ihr mit Lady Gaga Kontakt gehabt? Oder ist sie von Bodyguards total abgeschirmt?
Oh nein, wir haben ziemlich häufig mit ihr abgehangen. Man könnte denken, dass sie sich auf Tour zurückzieht und für sich sein will. Das ist aber nicht so. Wir haben sie häufiger gesehen als Axl. Den haben wir überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.
In euren Songs geht es häufig um das Thema Liebe. Was bedeutet Liebe für dich?
Wir alle in der Band sind irgendwie davon inspiriert. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das Wort Liebe so häufig wie möglich in unseren Liedern zu verwenden, weil ich glaube, dass es uns erfolgreicher macht. Bands wie Whitesnake oder Queen haben auch viel von Liebe gesungen. Es kann eine Metapher für Sex sein. Ich denke, es ist ein wichtiges Werkzeug des Songschreibers.
Könnte Liebe nicht auch eine tiefere Bedeutung für dich haben. Du bist Vater einer dreijährigen Tochter. Da erhält das Wort Liebe doch bestimmt noch einen anderen Sinn?
Ein Kind verändert alles. Und wenn nicht, bist du ein kaltherziger Motherfucker. Es war für mich eine vollkommen neue Erfahrung, ein Kind in einem Wasserpark zu beobachten, wie es die Rutsche runtersaust und Spaß hat. Mein Fokus hat sich verändert: Ich sehe die Dinge aus einer anderen Perspektive, weil eine neue Person in mein Leben getreten ist. Das schlägt sich auf das Songwriting nieder. Es ist sehr inspirierend.
Wie denkst du mittlerweile über dein vergangenes exzessives Leben?
Ich bin dankbar für die Möglichkeit, dass ich es leben durfte. Ich führte es für eine Weile, und dann führte es mich (lacht).
Bereust du diese Phase in deinem Leben?
Reue ist für Pussies. Früher habe ich es bereut. Ich hatte mehr von allem als die meisten anderen Menschen. Ich habe gelebt, Mann. Es war wie in einem Traum. Wir haben Millionen von Alben verkauft und das Leben genossen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Du lebst nun ein gesünderes Leben. Wie feierst du heutzutage?
Um ehrlich zu sein: Ich habe nicht mehr allzu viel Grund zum Feiern (lacht). Als ich vor ein paar Jahren clean geworden bin, hatte ich keine Lust mehr rauszugehen. Das hätte mich alles zu sehr frustriert. Heutzutage habe ich kein Problem mehr damit, von betrunkenen Leuten umgeben zu sein. Ich kann mich heute auch ohne Alkohol vergnügen. Mittlerweile bin ich auf Partys eben mehr der stille Beobachter als der aktive Teilnehmer.
Interview: Matthias Bossaller