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STONE TEMPLE PILOTS – Zu alt für diesen Scheiß

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STONE TEMPLE PILOTS – Zu alt für diesen Scheiß

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Wahren Grunge-Puristen sind sie wegen ihres kommerziellen Ansatzes stets ein Dorn im Auge gewesen. Aber Stone Temple Pilots haben auch nach 20 Jahren noch immer eine große Anhängerschaft und mit Linkin-Park-Sänger Chester Bennington eine spektakuläre Neuverpflichtung in ihren Reihen. Gitarrist Dean DeLeo berichtet begeistert von der laufenden US-Tour.

Text: Jörg Staude

Rückblick: Am 9. September 1993 spielen die Stone Temple Pilots während ihres zweiten Deutschlandbesuches innerhalb eines Jahres erneut in Frankfurt. Das Debüt CORE ist im Jahr zuvor auf den Markt gekommen, mit seinem an Pearl Jam und Soundgarden angelehnten Grunge-Sound hat das Quartett aus dem südkalifornischen San Diego trotz wenig guter Kritiken seitens der Medien den Zeitgeist des Mainstream getroffen. Die Music Hall ist dementsprechend rappelvoll. Einige amerikanische Soldaten auch. Die Muskelmänner hüpfen auf der Bühne herum und werden in regelmäßigen Abständen von den Ordnern wieder herunterbefördert. Diese Form von interaktiver Publikumsbeteiligung, als „Stagediving“ in die Rockhistorie eingegangen, erfreut sich Anfang der 90er äußerster Popularität. Solange nichts passiert, wird es geduldet. Aber als sich einer der Ami-Kanten Scott Weilands Megaphon „aus- leihen“ will, rastet der Sänger aus und schlägt zu. Die Ordner können schlichten, das letzte Konzert der Europa-Tour wird fortgesetzt.

Zwanzig Jahre später kann STP-Gitarrist Dean DeLeo über diesen Vorfall nur lachen. „Ich erinnere mich genau an diesen Abend. Da waren diese Marines, mit freien Oberkörpern, die Scott wahnsinnig auf die Nerven gingen, weil sie dauernd bei der Show mitmachen wollten.“ Auch wenn es der einzige negative Vorfall während der Tour bleiben sollte, die doch sehr aggressive Reaktion des damaligen Frontmanns Scott Weiland ist im Nachhinein betrachtet so etwas wie ein Warnsignal gewesen. Das muss auch DeLeo zugeben. „Eigentlich lief es nur beim ersten Album relativ ruhig. Das war aber auch das einzige Mal. Von da an war es schwierig. Wenn Drogen die Persönlichkeit verändern, geschieht das in den meisten Fällen nicht zum Positiven.“

Dabei ist die Geschichte der Band keine Geschichte voller Missverständnisse, sondern eher ein Paradebeispiel dafür, welche Auswirkungen Erfolg und Misserfolg auf ein Bandgefüge haben können.

Ende der 80er lernen sich Sänger Scott Weiland und Bassist Robert DeLeo auf einem Black-Flag-Konzert in Long Beach/Kalifornien kennen. Die Gerüchte, dass sie beide dieselbe Freundin haben, kann Roberts älterer Bruder Dean heute nicht bestätigen, aber auch nicht verneinen. „Es könnte sein, ich weiß das nicht genau.“ Klingt aber natürlich in einer Biographie wesentlich interessanter. Nach der Gründung der Band Swing und der Hinzunahme von Dean und Drummer Erik Kretz benennen sie sich in Mighty Joe Young um, um allerdings nach Abschluss eines Plattenvertrags festzustellen, dass bereits ein Bluesmusiker mit demselben Namen existiert. Inspiriert durch STP, das Kürzel einer bekannten Motorölfirma, geben sie sich zunächst den obszönen Namen Shirley Temple’s Pussy, nach Intervention der neuen Plattenfirma werden sie zu Stone Temple Pilots.

Deren Debüt CORE erscheint Ende 1992 in der Hochzeit des Grunge. Nach den Charterfolgen von Nirvana, Soundgarden, Alice In Chains und vor allem Pearl Jam sowie dem ungeheuren Hype, den die vier Bands aus Seattle weltweit auslösen, gelingt es dem Quartett ohne große Anstrengung, sich ebenfalls einen Namen zu machen. Auskopplungen wie ›Sex Type Thing‹, aber vor allem Midtempo-Nummern wie ›Plush‹ und ›Creep‹ werden Hits, CORE erreicht Platz 3 der US-Billboard- Charts, verkauft sich bis heute acht Millionen mal in den USA. Touren mit unterschiedlichen Bands wie den neuen Crossover-Ikonen Rage Against The Machine und den Heavy Metallern von Megadeth folgen, eine MTV-Unplugged-Aufzeichnung bringt Ende 1993 den endgültigen Durchbruch.

Nach dem Nummer 1-Album PURPLE (Juni 1994) und den Hitsingles ›Vasoline‹, ›Interstate Love Song‹ und ›Big Empty‹ sind weitere drei Millionen Einheiten unters Volk gebracht, aber die Chemie innerhalb der Band stimmt nicht mehr, da Weiland sich immer öfter zu tagelangen Drogeneskapaden hinreißen lässt. In seiner Biographie von 2011 gibt er zu, schon mit elf Jahren seinen ersten Joint geraucht zu haben. Das dritte Album TINY MUSIC… SONGS FROM THE VATICAN GIFT SHOP (1996) hat nicht mehr viel mit dem kommerziellen Grunge der ersten beiden Werke zu tun, die DeLeo-Brüder leben ihre Vorliebe für den britischen Psychedelic und Glamrock-Sound der 60er voll aus. Bei den bis dato eher skeptischen Kritikern, die STP klassische Wellenreiterei vorwerfen, kommt diese Kehrtwendung gut an, bei den Fans fällt sie durch, auch weil die Band durch den unsteten Lebenswandel Weilands nicht in der Lage ist, ausgiebig zu touren.

In der anberaumten Pause entschließen sich die beiden Brüder, mit Ten-Inch-Men-Sänger Dave Coutts eine neue Formation namens Talkshow zu gründen. 1997 erscheint das gleichnamige, sehr poppige Debüt, von dem Dean DeLeo aber heute noch recht angetan ist. „Wir hatten so viel Spaß bei dieser Platte, aber niemand wollte sie kaufen.“ Trotz Support-Touren mit den Foo Fighters und Aerosmith bleibt es bei diesem (ersten) Versuch ohne Weiland.

Der wiederum landet mit seinem Solo-Erstling 12 BAR BLUES ebenfalls auf dem Boden der Tatsachen, eine Reunion folgt auf dem Fuße. Mit IV (1999) sind die alten Markenzeichen wieder da. Die Single ›Sour Girl‹ mit dem dazugehörigen Video und seiner Hauptdarstellerin Sarah Michelle Gellar (bekannt aus „Buffy The Vampire Slayer“) und eine Tour mit den Red Hot Chili Peppers lassen eine Million Fans zugreifen. Aber nach dem fünften Album SHANGRILA DEE DA (2001) scheint auch dieses Comeback wieder zu versanden.

Allerdings freunden sich die DeLeo-Brüder auf der „Family Values“-Tour mit den Newcomern Linkin Park an, eine Begegnung, die erst über ein Jahrzehnt später Folgen haben wird. Dean DeLeo: „Wir haben Chester damals kennen und schätzen gelernt. Der Kontakt ist niemals abgebrochen.“

Zunächst aber sind STP erneut Geschichte. Im Umfeld der aktuellen Nu-Metal-Welle um Korn, Limp Bizkit und eben Linkin Park wirkt ihre Musik eher antiquiert. 2002 gibt es eine erneute Pause. 2004 steigt Weiland bei den als Super- gruppe titulierten Velvet Revolver ein. Während der Interviews zum Hardrockalbum CONTRABAND im Frühjahr 2004 im Hollywood-Hotel Chateau Marmont wird auch dem anwesenden Autoren dieser Geschichte klar, dass der selbsternannte Rockstar so gar nicht zu den eher bodenständigen Ex-Guns N’Roses-Mitgliedern Slash, Duff McKagan und Matt Sorum passt. Weiland drückt sich sonnenbebrillt um vernünftige Antworten, was besonders Slash auf- regt. Nach einem weiteren Album namens LIBERTAD (2007) trennen sich wie erwartet die Wege. Je nach dem, wen man fragt, ist Weiland selbst ausgestiegen oder rausgeschmissen worden.

In der Zwischenzeit versuchen es die Gebrüder DeLeo zum zweiten Mal mit einem anderen Sänger: Mit Richard Patrick, dem Frontmann der Industrial Rockband Filter (u.a. ›Take A Picture‹) und dem Session-Drummer Ray Luzier (u.a. David Lee Roth) veröffentlichen sie ein wohlgelittenes Album unter dem Namen ARMY OF ANYONE (2006), bevor auch hier 2007 wegen Erfolglosigkeit der Vorhang fällt.

„Mit Richard hat es super funktioniert“, bilanziert Dean DeLeo. „Vielleicht aber hatte der Sound der Platte nicht genau das, was Filter und STP-Fans hören wollten. Aber wir sind noch immer gute Freunde. So gut, dass wir zurzeit sogar zusammen auf US-Tour sind. Chester und ich stehen jeden Abend an der Bühne und spielen Luftgitarre.“

Zurück in 2008: Es folgt eine dritte Reunion und eine sechsmonatige Tournee. 2010 erscheint mit der sechsten, selbstbetitelten und gelungenen CD ein neues Lebenszeichen. STONE TEMPLE PILOTS gelangt auf Anhieb auf Platz 2 der US Charts, das Comeback scheint geglückt, aber auf der folgenden Tour mehren sich die Probleme: Weilands Stimme leidet unter seiner Drogensucht, Termine wer- den nicht eingehalten, Konzerte müssen gekürzt oder ganz abgesagt werden. In die Planungen zum 20. Jubiläum von CORE platzt im Dezember 2012 die Nach- richt, dass Weiland gefeuert sei. Slash plaudert in einem Radiointerview allzu offenherzig. Aber der endgültige Split erfolgt erst im Februar 2013.

Seitdem gibt es offiziell zwei Versionen der Band. Und auch mehrere Anwälte, die sich um Namensrechte streiten. Ende offen. Dean DeLeo berührt das aber nicht weiter, denn mit dem Neuzugang Chester Bennington ist endlich wieder die Ruhe eingekehrt, die der Gitarrist so sehr liebt. „In meinem Alter habe ich keine Zeit für kindisches Benehmen, um es vorsichtig auszudrücken. Ich bin zu alt für diesen Scheiß! In meinem Umfeld brauche ich Respekt und Produktivität, Menschen, die sich umeinander kümmern und sich umsorgen. Das mag sich jetzt alles nach Liebe- und Blumen-Klischees anhören, aber am Ende wollen wir das doch alle, oder?“

Klingt nach Friede, Freude, Eierkuchen, aber das erste Lebenszeichen der „neuen“ Version von STP, wie sie beworben wird, gibt auch allen Anlass dazu. HIGH RISE enthält fünf Songs, wie maßgeschneidert für Chester Bennington. Es habe auch nur diesen einen Kandidaten gegeben, bekräftigt DeLeo. „Chester ist der perfekte Mann für uns, sowohl menschlich betrachtet als auch von seinen musikalischen Fähigkeiten her.“

Schon bei der ersten gemeinsamen Probe im Frühjahr 2013 entsteht ›Out Of Time‹, die erste Single. Aus dem Gerüst, das Robert DeLeo entworfen hat, bastelt die neue Formation innerhalb eines Tages den kompletten Song. Statt sich wie sonst üblich erst einmal durch älteres Songmaterial zu spielen, sei die „Chemie sofort dagewesen“. Der Linkin Park-Sänger muss auch nicht überzeugt werden, sondern stellt umgehend klar, dass er nicht nur einsteigen würde, um den „ollen Kamellen“ neues Leben einzuhauchen. „Als Musiker merkst du instinktiv, wenn eine produktive Verbindung zu anderen besteht“, schwärmt DeLeo weiter von seinem neuen Sänger. „Es war klar, dass hier etwas Großes entstehen kann. Also haben wir uns an die Arbeit gemacht.“

DeLeo ist ein Vollblutmusiker wie er im Buche steht, und wenn er über seine Leidenschaft spricht, dann bricht es aus ihm heraus. Die Adjektive „amazing“ und „awesome“ fallen oft, auch die neu gewonnene Freiheit ist „unbelievable“. „Statt in einem teuren Hollywood-Studio haben wir die Stücke in Roberts Keller aufgenommen. Man kann über die technische Entwicklung und ihre Auswirkung auf die Musikindustrie durchaus eine kontroverse Meinung haben, aber für uns als Künstler ist sie eine Bereicherung. Denn wir sind ein Stück weit unabhängiger.“

Die Schnelligkeit, mit der die EP zustande kommt, erstaunt selbst den erfahrenen Profi. Er berichtet stolz von dem „magischen Moment“, in dem er die Ballade ›Tomorrow‹ komponierte: „Als hätte mir jemand eine Antenne in die Gitarre gebaut.“ Auch ›Same On The Inside‹, eines der besten Stücke, das die Foo Fighters nie geschrieben haben, dauert nur Minuten bis zur Vollendung. Nicht nur das Solo darin begeistert durch seinen altmodischen Classic-Rock-Ansatz, auch die Beatles/Oasis-Hommage ›Black Heart‹ greift zurück auf die guten alten Zeiten. Grund dafür ist eine Woche, die er so schnell nicht vergessen wird: „Peter Frampton ist schuld!“, lacht er. „Kurz bevor wir die letzten Sessions und auch die Soli aufnehmen wollten, rief er an und lud mich ein. ‚Frampton’s Guitar Circus‘ ist eine Summer-Tour durch die USA, mit verschiedenen Gitarristen, darunter solche Legenden wie BB King, Joe Walsh von den Eagles und Steve Lukather von Toto. Ich durfte also eine Woche lang nicht nur mit den besten Gitarristen wie Andy Summers von The Police spielen, ich musste viel Frampton hören und lernen. Das färbt ab, ob man will oder nicht.“

Der neu gefundene Enthusiasmus habe sich sehr schnell auf die anderen drei übertragen und deshalb sei das Ganze so gut geworden, analysiert er. Die unterschiedlichen musikalischen Ansätze auf HIGH RISE sind beileibe kein Zufall, sondern pure Absicht. Der Vorwurf der Kritiker, speziell während ihrer kommerziell erfolgreichsten Phase Anfang bis Mitte der 90er, die Stone Temple Pilots seien nur im Stande, andere zu kopieren, muss tief getroffen haben. Denn sonst würde DeLeo nicht mehrmals ungefragt betonen, sie hätten „spätestens seit dem dritten Album“ gezeigt, dass sie durchaus in der Lage seien, „zeitlose Rocksongs zu schreiben, die nicht nach Schema F klingen.“

Und wo früher der unberechenbare Faktor Scott Weiland der Band viele Möglichkeiten versperrte, steht nun ein Sänger, dem man nun wahrlich nicht vorwerfen kann, er suche nur nach einer weiteren Chance, im Rampenlicht zu stehen. Linkin Park gehören seit ihrem Erstling HYBRID THEORY (2000) mit über 60 Millionen verkauften Alben weltweit zu den erfolgreichsten Rockbands der letzten Jahre, auch wenn die letzten beiden Veröffentlichungen, Album Nummer Vier (A THOUSAND SUNS, 2010) und Nummer Fünf (LIVING THINGS, 2012) deutlich von elektronischen Experimenten Marke Radiohead und Nine Inch Nails dominiert wurden. Als jemand, der nach eigener Aussage mit den Stone Temple Pilots aufwuchs, hat Bennington, „als sich die Gelegenheit andeutete, mit den Jungs kreativ zu werden“, diese Chance sofort wahrgenommen.

Wann die neue Besetzung nach Europa kommen wird, ist noch ungewiss, man plant eventuell eine komplette Tournee oder aber einige Festivalauftritte für den Sommer 2014. Chester Bennington wird ab jetzt also zwei hauptamtliche Jobs haben, denn auch Linkin Park haben weitere Projekte in petto. „Aber das ist kein Problem, er ist in der Lage, sich in beiden Bands mit Herzblut zu engagieren“, verspricht DeLeo.

Wenn man aber die chaotische Version von STP noch einmal begutachten möchte, reicht ein kurzer Blick in die DVD zur Best Of-Scheibe THANK YOU aus dem Jahr 2003: Dort in der Bootleg-Sektion hat DeLeo den denkwürdigen Auf- tritt vom September 1993 aus Frankfurt verewigt. „Ich habe ›Dead & Bloated‹ ausgesucht. Das ist echt lustig anzuschauen.“

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