Er ist Little Steven, Gitarrist in Bruce Springsteens E Street Band und gefeierter TV-Darsteller. Für uns denkt der Vielbeschäftigte über seine Musik, über Ruhm, Geld, Drogen, Religion, Donald Trump und Bob Dylan nach.
Im Gespräch strahlt Steven Van Zandt eine Ruhe und Coolness aus, als wäre er tatsächlich der abgebrühte Mafioso, den er in den Fernsehserien „Die Sopranos“ und „Lilyhammer“ gab. Wer daneben über Jahrzehnte die rechte Hand von Bruce Springsteen, viel beschäftigter Produzent und erfolgreicher Solokünstler ist, den bringt aber auch so leicht nichts aus der Ruhe, klar.
Im Mai 2017 hat Van Zandt das Album SOULFIRE veröffentlicht. Bei seinem Auftritt in Regensburg im Juli trafen wir den Gitarristen Backstage zum Interview – in einer Art besseren Besenkammer. Nachdem der Obstkorb vom Tisch entfernt ist, braucht sowieso keiner, erzählt er uns davon, was ihn das Leben so gelehrt hat.
Es gibt keine Formel dafür, einen guten Song zu schreiben
Es ist ein großer Unterschied, ob man für sich selbst oder für andere schreibt. Was mein neues Album so interessant macht: Ich hab keinen der Songs ursprünglich für mich geschrieben, deshalb sind sie sehr unterschiedlich. Sonst waren meine Platten immer thematisch und politisch ausgerichtet, man bewegt sich dann im Rahmen eines Skripts, eines übergreifenden Themas. Wenn du etwas für jemand anderen schreibst, ist naturgemäß auch was von dir selbst mit drin, aber das Ergebnis ist genereller und offener und weniger spezifisch. Du bist dann eher ein normaler Songwriter. Das ist auch einer der Gründe, warum es ein solcher Spaß war, die Tracks für SOULFIRE aufzunehmen, es hat sich angefühlt, als würde ich Sachen covern, die ich sonst vielleicht nicht singen würde, romantischeres Zeug und so.
Jedenfalls: es gibt eigentlich keine Formel, einen Song zu schrieben. Du erschaffst etwas für jemand anderen und versuchst zu begreifen, wer derjenige ist, versuchst ihn zu verstehen, um ihm ein Lied zu geben, das er für den Rest seines Lebens singen kann. Im Idealfall funktioniert das Lied dann auch für dich selbst.
Erst kommt der Input, dann der Output
Ich höre nicht viel neue Popmusik. Es gibt einen Punkt in deinem Leben, an dem du genug Input bekommen hast, der Rest deines Lebens ist dann Output. Als ich 16 war, hatte ich so viel musikalischen Input, dass er ewig reicht, ich versuche ja immer noch, das Ganze rauszulassen. Neue Musik hat heute ein anderes Level an Intensität als früher, sie kommt weniger offensichtlich von den Roots her, und wenn ich bei etwas die Ursprünge nicht höre, fällt es mir schwer, dazu eine Beziehung aufzubauen. Es spricht mich einfach nicht an, ich will auch gar nicht werten und sagen, das ist gut oder schlecht. Hin und wieder hört man natürlich einen Song und denkt: Ja, klingt schön. Aber größer auseinandergesetzt habe ich mich nicht mit der Arbeit eines jungen Künstlers.
Wenn du berühmter bist als reich, wird’s verrückt
Mein lebenslanges Ziel ist: die Kosten decken. Mehr verlange ich gar nicht. Geld würde mich vielleicht glücklich machen, wenn ich nur welches hätte. (lacht ein dunkles, glucksendes Lachen) Es gibt ja nichts Schlimmeres als einen Rockstar, der sich beschwert, das werde ich also nicht tun. Ruhm ist okay, solange er auf einer Ebene mit deinen Einnahmen ist, andernfalls kann‘s verrückt werden. Ich bin ein Workingclass-Celebrity, arbeite jeden Tag, gehe ins Büro, habe nicht diese ganzen Boote und Häuser und Flugzeuge, nehme keinen Urlaub, sondern arbeite die ganze Zeit. Ich habe viele verschiedene Ideen, fürs Fernsehen oder sonst was, versuche etwas zu erreichen, produktiv zu sein. Aber viele Projekte kosten eben viel Geld.
Die meiste Zeit über bin ich Produzent, ich produziere Live-Events, eine Show am Broadway, Radioshows, Platten. In kreativen Dingen bin ich gut, und dafür bin ich dankbar, nicht jeder kann gut in allem sein, man darf sich nicht beklagen. Aber die Wahrheit ist: Ich bin nicht gut darin, Leute nach Geld zu fragen oder sie in irgendwas reinzuquatschen. Also läuft‘s darauf hinaus, dass ich mein eigenes Geld in Sachen stecke. Das ist natürlich idiotisch. Ich erschaffe ein Projekt, mit meinem eigenem Geld, und hab dann kein Budget mehr, um es zu vermarkten. Also bekommt‘s nie jemand zu Gesicht oder weiß überhaupt davon. Es ist ein bisschen so, als befände ich mich auf einem wild gewordenen Karussell. Ich versuche, auszusteigen und smart zu sein, Investoren zu finden, aber ich hab keine Geduld. Was passiert: Ich bin im Fernsehen, bin in einer großen Rockband, hab eine Radioshow, bin sehr bekannt – aber eben nicht sehr reich. (glucksendes Lachen) Die Leute kommen nicht so recht klar mit der Vorstellung, dass jemand berühmter ist als er reich ist, aber so ist es.
Jedenfalls: Ruhm kommt dir zugute, er ist schön, du bekommst einen Platz im Restaurant, wenn du einen brauchst, manchmal stoppt dich ein Cop, um dir einen Strafzettel zu geben, und erkennt dich. In solchen Momenten bist du froh, berühmt zu sein. Aber ich brauche Ruhm an sich nicht, ich brauche kein Scheinwerferlicht auf mir. Meine Berühmtheit ist Produkt meiner Arbeit. Dabei bin ich gern hinter den Kulissen, als Produzent, den man nie zu Gesicht bekommt. Aber hin und wieder trete ich eben auf, ob als Musiker oder Schauspieler. Es ist ein öffentliches Business und wenn du darin Erfolg hast, bist du automatisch berühmt. Das ist schon okay so und manchmal nützlich. Auch Geld ist nützlich, ich kann es für allerhand Sachen und Projekte gebrauchen, aber ich mag es nicht um seiner selbst willen.
Immer alles am Laufen haben
Als ich bei den „Sopranos“ dabei war, hat das viel Spaß gemacht. Es war ein echtes Geschenk, ein neues Handwerk zu erlernen und mir ein neues Gebiet zu erschließen. Dann kam „Lilyhammer“ und aus einem Handwerk wurden vier. Ich war nicht mehr nur Schauspieler, sondern habe angefangen, fürs Fernsehen zu schreiben, zu produzieren und Regie zu führen. Diese ganze neue Welt hat mich in sich reingezogen. Dann hat Bruce wieder angefangen, mit der E Street Band zu touren, und so sind 20 Jahre seit meiner letzten Soloplatte vergangen. Mir ist mittlerweile bewusst geworden, dass ich den Künstler Little Steven ein bisschen zu lange ignoriert hatte, es fühlt sich gut an, jetzt alles am Laufen zu haben. Ich toure mit Bruce, wann immer er loszieht, spiele ab jetzt auch regelmäßig Solokonzerte und im Winter kommt vielleicht eine kleine TV-Show.
Weiter geht’s auf Seite 2…
Toller Typ mit einer sehr guten – der richtigen – Einstellung und Weitsicht!
Es braucht mehr solcher Menschen, die das Richtige sehen und auch sagen.
Danke für den tollen Artikel!
Johnny