Kann es einen traurigeren Anlass für ein Platte geben? Mit J.T. erhalten die Lieder des im August verstorbenen Songwriters Justin Townes Earle ihr Tribute-Album – von seinem Vater Steve.
Sie hatten noch telefoniert, am Nachmittag des 20. August. Schließlich war Justin Townes Earle kürzlich erst aus dem Krankenhaus entlassen worden. Der 38-jährige Songwriter war noch arg mitgenommen von einer starken Lungenentzündung, die sogar eine Operation erfordert hatte. Aber auch ein anderes, ewiges Problem war in den Vormonaten wieder aufgebrochen, ein Problem, das sich durch die Familie Earle zieht wie eine Erbkrankheit: der Substanzmissbrauch. Alle Unterstützung habe er dem Sohn noch versprochen, so erzählte Steve Earle der New York Times. „Lass mich nicht derjenige sein, der dich begräbt.“
Steve Earle war ja selbst kein Heiliger. Er hatte alles mitgenommen, damals, als er in den späten 80ern, frühen 90ern als wilder Neuling des Country und Folkrock gefeiert wurde – denn der Ausdruck „Americana“ war noch nicht erfunden worden. Wie sein Vorbild und Mentor Townes van Zandt tauchte er voll ein in den selbstzerstörerischen Strudel aus Alkohol, Kokain und Heroin. Auf Platz 1 in den Country-Charts und Grammy-Nominierungen folgten Verurteilungen für Drogen- und Waffenbesitz. Ein Gefängnisaufenthalt 1993 war der Tiefpunkt, aber auch die Wende. Steve wurde clean. Ab 1994 eroberte er seinen Status als Galionsfigur seines Genres zurück. Wichtiger: Nun baute er eine Beziehung zu seinem 12-jährigen Sohn Justin Townes auf. Aus dessen Leben war er verschwunden, als der Bub drei war.
Früh zeigte sich, dass der Junge das Talent seines Vaters geerbt hatte. Aber auch die Probleme: Schon als Teenager kämpfte Justin Townes erstmals gegen die Sucht. Es folgte ein jahrelanger Kreislauf aus Entzug und Rückfall, der „J.T.“ aber nicht hinderte, erst Mitglied der Band des Vaters zu werden und sich bald als Songwriter, der u. a. mit zwei Americana Music Awards gefeiert wurde, selbstständig zu machen. War das Verhältnis zum Vater je komplett geheilt? Nun, alleine die Titel des Albumzyklus’ SINGLE MOTHERS/ABSENT FATHERS (2014/15) des Jüngeren deuten bleibende Narben an. Dennoch, so Steve zur NYT: „Ich hatte zu niemand sonst eine solche Verbindung. Er war mein Erstgeborener, wir machten das Gleiche – und wir beide hatten diese Krankheit“.
Am 20. August nahm Justin Townes das Schmerzmittel Fentanyl ein, wohl nicht wissend, dass dies bei Kokain-Usern auch in kleinen Mengen sofort zur Überdosis führen kann. Mit dem Album J.T. verneigt sich der trauernde Vater vor den Songs seines Sohnes. „Es war der einzige Weg, den ich kenne, um auf Wiedersehen zu sagen.“