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Soundgarden

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Soundgarden

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Nach 15 Jahren der Trennung haben sich Soundgarden „durch Zufall“ wieder vereint. Aber könnte ihre Rückkehr zu schlechten Gewohnheiten führen?

„Wir waren 13 Jahre oder so nicht mehr im selben Raum gesessen, und nach fünf Minuten war es, als sei überhaupt keine Zeit vergangen. Wir hatten einander vermisst.“ Chris Cornell war einer Reunion seiner alten Band am skeptischsten gegenüber gestanden, das er ihr Erbe nicht entwerten wollte. Über Interviews zu dem Thema ließe sich dasselbe sagen. Doch nun ist seine Leidenschaft für seine Band neu entfacht, er freut sich über ihre Rückkehr, über die Konzerte und das überraschend starke neue Studioalbum KING ANIMAL.

„Die einzige Sorge dabei, ein neues Album zu machen, war dass ich das Gefühl hatte, dass wir gewonnen hatten. Wir hatten noch nie ein Album gemacht, das ich nicht für kreativ oder gewagt hielt und das keine deutliche Weiterentwicklung für uns darstellte“, sagt er. „Ich dachte, wir hatten dieses perfekte Vermächtnis hinterlassen, das nur wir zerstören konnten, und das ist nicht gut. Wenn wir also nicht mindestens so gut zurückkehren wie mit dem letzten Album, wäre es möglich, dass wir den gesamten Katalog damit runterziehen.“
Manche Bands gehen in Flammen unter, entweder des Ruhms oder des eigenen Versagens. Aber nicht Soundgarden. Sie drifteten einfach ans Ende ihres Wegs, ohne Wind in den Segeln nach einem Jahrzehnt oder mehr fast permanenten Tourens. Bei ihrem letzten Konzert in Honolulu im Februar 1997 warf Ben Shepherd seinen Bass auf den Boden, nachdem sein Amp versagt hatte, und stürmte von der Bühne, mit dem Rest der Band im Schlepptau. Nur Cornell kehrte zurück, um solo noch eine Zugabe zu spielen. Wenig später gab die Band, erschlagen und ausgelaugt, ihre Auflösung bekannt.

„Die Band endete nicht im Bösen“, sagt Gitarrist Kim Thayil. „Sie verlor irgendwie den Zusammenhalt. Uns war einfach das Benzin ausgegangen.“

„Es gab keinerlei böses Blut, als wir uns auflösten“, stimmt Drummer Matt Cameron zu. „Wir waren einfach erst mal fertig mit der Sache. Sie starb einfach.“

„Wir hatten am Gipfel unseres Schaffens aufgehört“, sagt Cornell.

„Es gab nichts, das mich davon abhielt zurückzukommen“, sagt Bassist Ben Shepherd, nachdem er daran erinnert wurde, dass er es war, der damals in Hawaii seinen Bass wegschmiss und von der Bühne ging.

Wie man es dreht und wendet, ist KING ANIMAL ein glücklicher Zufall. Beim ersten Bandtreffen 2009 ging es nur ums Geschäft – ihre Website, den Backkatalog, welche alten T-Shirts neu gedruckt werden sollten. Sie schützten ihr Vermächtnis, verdienten vielleicht etwas Geld daran. Eine unschuldige Ankündingung am 1. Januar 2010, dass eine neue Website gebaut werde, wurde von der Presse und einem sehnsüchtigen Publikum missverstanden als Beleg, dass die Band wieder zurück sei. Und dann entwickelten die Dinge ihre Eigendynamik. Plötzlich wurden einer Band, die gar nicht existierte, Auftritte angeboten, inklusive eines Headliner-Slots beim Lollapalooza in Chicago in jenem August – dabei wollten sie doch einfach nur ein bisschen Merchandise online verkaufen.

„Niemand sagte, willst du die Band wieder an den Start bringen?“, so Thayil. „In einem Moment reden wir mit Leuten über eine Website, im nächsten sehen wir uns T-Shirt-Designs an, und dann kamen die Angebote für Shows. Es machte Spaß, dann fingen wir an, zu jammen, und dann dachten wir darüber nach, diese Jams aufzunehmen… Als wir dann begonnen hatten, dieses Album zu schreiben, und wieder eine kreative Einheit waren, dachte ich mir, Hm, sieht aus, als sei die Band wieder aktiv.‘ Und wir gingen in die Studios und nahmen diese Sachen auf und sagten, ‚Yep, wir sind Soundgarden.‘ Es war seltsam, denn eigentlich hatte ich daran überhaupt kein Interesse. Als die Band sich auflöste, vermisste ich sie am Anfang, aber ich ließ sie hinter mir wie eine schlechte Ehe: Ich blickte nach vorn. Und ich war sehr zufrieden und gefestigt in meinem Leben, nachdem ich dieses Kapitel abgeschlossen hatte, und wollte es ganz und gar nicht wieder aufleben lassen. Bis wir es tatsächlich taten.“

„Ich machte gerade ein Soloalbum fertig und dachte, nie im Leben können Soundgarden wieder auferstehen“, sagt Shepherd, hoch erfreut über das Geschehene. „Und genau das sagte ich den Jungs im Studio auch: Es wird nie wieder eine Band geben; das ist es nicht wert. Aber ein paar Tage später trafen wir uns wieder! Ich denke mal, wenn ich schon in einer Band bin, kann es wohl genauso gut diese sein. Ein Haufen Lohnsöldner!“
In den Jahren der Bandpause hatten sich die Dinge verändert. Cornell wurde zum Solostar und ließ Soundgarden auch mit der Multiplatin-Band Audioslave hinter sich. Matt Cameron hatte seit 1998 bei Pearl Jam gespielt. Beide waren selten nicht auf Tour.

„Ich habe es den Jungs bei Pearl Jam so offen wie möglich gesagt, und sie unterstützen mich alle total“, sagt Cameron über seinen Hauptjob. Wegen seines und Cornells Arbeitspensums wurde KING ANIMAL jedoch stückweise mal hier, mal da aufgenommen, anders als jedes andere Soundgarden-Album. Die Sessions begannen im März 2011 in den Bad Animals-Studios in Seattle. Während Online-Berichte andeuteten, das Album stehe kurz vor seiner Fertigstellung, wurde der Aufnahmeprozess zum Stückwerk.

„Wenn wir erst mal im Studio waren, gab es kein Problem“, sagt Cameron. „Es hat genervt, immer wieder aufhören und anfangen zu müssen, aber das ließ sich wohl nicht vermeiden. Wir hatten die erste Session im Frühling, und dann gingen wir über den Sommer des letzten Jahres immer wieder ans Werk. Also war es insgesamt wohl fast ein Jahr in der Mache. Wir sind wie Def Leppard!“

„Ich denke, die Pausen haben das Album beeinflusst“, sagt Cornell. „Aber wenn ich mich hinsetze und nachdenke, wie sie sich ausgewirkt haben, würde ich sagen, in erster Linie positiv, vor allem als Texter und Arrangeur. Ich hätte einfach wie früher das Schreiben, Arrangieren und Abschließen eines Lieds flott erledigen können. Bei ›Been Away Too Long‹ z.B. schrieb ich die Musik, machte ein Demo davon, spielte es der Band vor, und das war eines der ersten Dinge, an denen wir arbeiteten. Es gab keinen Text, keine Melodie oder irgendwas, und jeder liebte es, wir spielten es ein Jahr lang und nahmen es dann auf. Ich hatte nichts, was dazu passte, keine Ideen, die mir kamen, und nichts schien mir offensichtlich, was passieren kann. Und ich denke, die Zeit hat geholfen, denn eines Tages kam einfach alles in meinem Kopf zusammen. Manchmal geht das beim Songwriting so. Ich habe Lieder fertiggestellt Jahre, nachdem ich sie angefangen habe, die dann auf anderen Alben landeten. Bei ein paar Songs glaube ich also, dass dieses ständige Aufhören und wieder Anfangen hilfreich war, denn so ging ich das Songwriting immer wieder aus einer frischen Perspektive an.“

„Es hat sich eigentlich von Anfang an wieder ziemlich natürlich angefühlt, im Studio zu sein“, sagt Thayil. „Wir waren vielleicht in bisschen eingerostet und mussten die Gelenke neu ölen… aber im Großen und Ganzen war es leichter, Musik zu machen und mit diesen Jungs zu spielen, als ich das je mit irgendeiner anderen Gruppe von Musikern erlebt habe. Es war sehr natürlich, wie ein Treffen mit einer alten Ex-Freundin: Man zögert erst ein bisschen, aber man weiß, wie man miteinander reden kann. Und wenn ich das sage, bezeichne ich Soundgarden nicht als meine Ex-Frau. Ich bezeichne sie als meine Bitch!“
„Irgendwo in meinem Hinterkopf, falls es mitten unter den Aufnahmen klar würde, dass es nicht funktioniert, waren wir uns einig, dass wir es nicht veröffentlichen würden“, sagt Cornell. „Falls es unser und des Bandnamens nicht würdig wäre, konnten wir es einfach nicht tun. Und dann, als wir begannen, zu schreiben und zu arrangieren, fühlte es sich wie jedes andere Album an. Es gab Momente, wo man ein Lied oder Stücke davon in Frage stellte, aber es gab nie Zweifel, ob das Album gut werden würde, oder dass unsere Fans nicht glücklich damit sein würden. Und jetzt, wo ich mich hingesetzt und mir die fertige, gemixte, gemasterte Version angehört habe, fühlt es sich total erhebend an. Vielleicht sogar mehr als das, denn wir hatten eine 15-jährige Pause und es fühlt sich frisch, lebendig und sehr nach uns an. Das Album hört sich nicht an wie eine Band, die lange weg war, jetzt wieder zusammen ist und ein neues Album herausbringt, weil wir nichts Besseres zu tun haben. Wir haben hart daran gearbeitet und es war uns genauso wichtig wie jede andere Platte, die wir gemacht haben. Wir haben einige Elemente genauso gut hinbekommen wie früher, und einige neue Sachen gemacht, die wir nie gemacht haben, und ganz sicher niemand anders. Also bin ich wirklich glücklich, dass wir dieses Risiko eingegangen sind.“

Und das sollte er sein. Zu viele Bands sind lebende Beispiele für das Gesetz der abnehmende Erträge, verkaufen nur ihren früheren Ruhm und leben in der Vergangenheit. Wie Cornell sagt, war das das Letzte, was er wollte: Er wollte nicht, dass sich die Zukunft der Band auf ihre Vergangenheit auswirkt. Henry Rollins beschrieb Soundgarden einst als seltsame Metalband, und diese kopfgesteuerte, instinktive, dunkle und schwere Einzigartigkeit – diese trotzige Trostlosigkeit – ist auch der Kern von KING ANIMAL. Es ist sofort unmissverständlich Soundgarden in seinen unheilvollen Klängen: ›Bones Of Birds‹ und ›Black Saturday‹ (mit dissonanten Bläserparts) sind unablässige Abwärtsspiralen, in voller Schönheit zum Ausdruck gebracht. Das bereits erwähnte ›Been Away Too Long‹ und ›Non-State Actor‹ wiederum haben die rohe Energie, die es ihnen erlaubt, den Grundstein ihrer brachialen Heavy Metal-Vergangenheit auszugraben. Man fühlt sofort, dass sie zu lange weg waren, aber auch, dass sie uns eigentlich nie verlassen haben. Es zeichnet sie aus als eine der beständigsten und einfallsreichsten Gruppen, die es durch das Dickicht überhypeter Bands geschafft haben, die Ende der 80er aus dem Nordwesten der USA aufkamen.

Es war Cornell, der schließlich Seattle verließ, um nach Los Angeles zu ziehen, für eine neue Band und eine neue Familie. Die anderen drei leben immer noch in der Stadt oder ihrer Nähe. Es schien klar, dass sie alle zurückkehren würden, um zu schreiben und aufzunehmen, stückweise, wie es sich dann herausstellen sollte. Aber war es schwer für den Sänger, zurückzukehren, oder fühlte es sich so vertraut an, wie sich das Treffen mit seiner alten Band zunächst tat?

„Es gibt Dinge dabei, dort zu leben oder nicht dort zu leben“, sagt Cornell über seine alte Heimatstadt. „Wenn ich dort bin, bin ich für Soundgarden dort, und das hilft, mich zu konzentrieren. Und es gibt eine weitere Zutat, die beim Schreiben hilft, und das ist eins dieser Dinge, aber Seattle hat eine gewisse Stimmung, die manchmal dabei hilft, Soundgarden-Musik zu machen. Ein bisschen Zeit dort zu verbringen, auch wenn ich nur zum Proben oder Schreiben kam und dann wieder zurückführ, reichte aus, um wieder eine Verbindung zu finden zu dieser Stimmung, was auch immer sie sein mag. Der Himmel hängt sehr tief dort. Mein Schwager ist Drehbuchautor, und er kam einmal mit, als ich probte. Er saß in unserer Wohnung und schrieb ein paar Tage, und es war diese Jahreszeit, in der die Wolken dir auf den Kopf drücken und die Sonne nie wirklich rauskommt. Es war schwer für ihn, irgendwas auf die Reihe zu kriegen.“

Wenn man die anderen Soundgarden-Mitglieder fragt, wie ihre Freunde und Familien auf die Nachricht von der Reunion reagierten, ist die Antwort ziemlich einhellige Freude. Matt Camerons Frau zeigt sich besorgt darüber, wieviel er nun auf Tour sein werde, wo er bei zwei Vollzeitbands war, aber generell überwog das Gefühl, dass es eine positive Entwicklung sei. Die einzigen warnenden Töne kamen von denen, die Cornell am nächsten stehen, genauso wie von ihm selbst. Cornell hatte schon mit zwölf angefangen, Drogen zu nehmen und zu trinken, und ging schließlich 2002 in den Entzug. Eine der größten Veränderungen seit der Reunion letztes Jahr sei das Fehlen von Alkohol. „Wir haben uns nicht wirklich darüber unterhalten, aber es stehen keine Bierflaschen oder Jack Daniel‘s mehr rum… sie sind einfach weg.“

Man kann die Zurückhaltung seiner Freunde und Familie verstehen. In den Straßen von Seattle richtete Cornell sich fast zu Grunde, betrunken und süchtig zog umher, mit den ständigen Begleitern Depression und Selbsthass auf seinen Schultern.

„Ich denke, es gab einen gewissen Grad von Sorge, in erster Linie wegen des schlimmen Geistes- und körperlichen Zustands, in dem ich damals weggegangen war“, sagt Cornell mit einem überraschend lautem Lachen. „Es ging mir richtig schlecht, geistig, körperlich und emotional. Mein Verhalten war eine einzige Nullsumme. Und das liegt zum Teil am Ort selbst. Werde ich an die Dinge erinnert, die auf dem Teil meines Lebens basieren, der so unglücklich und schlecht war? Darum machten sie sich Sorgen, und das war berechtigt, denn es war nicht leicht gewesen. Es gab Momente, in denen ich da saß und die Geister der Vergangenheit spürte, und ich will nicht damit konfrontiert oder daran erinnert werden. Wenn es an jeder einzelnen Ecke jeder Straße, auf der du fährst, eine Erinnerung gibt, und viele davon, ist das nicht gut, und das ist eine Herausforderung. Also ja, es gab Zweifel und Sorgen diesbezüglich, aber auch jede Menge Unterstützung.“

Soundgarden begleitete die Mitglieder durch ihre Zwanziger in ihre später Dreißiger. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, die Band habe ihre Leben geformt. Sie waren junge Männer, als sie Lieder wie ›Beyond The Wheel‹, ›Ugly Truth‹ und ›Get On The Snake‹ schrieben und aufnahmen. Als sie wieder anfingen, zusammen aufzutreten, füllten sie ihr Set mit viel Material aus den 80ern. War es schwer, so weit zurückzugreifen und diese verwegene Energie dieser vier jungen Männer wiederzuerwachen?

„Das musste seltsam werden, wie wir alle versuchten, wieder den Weg zu diesem Ort zurückzufinden, als die Band noch so jung war“, sagt Cameron. „Jugend ist ein großer Teil der Gleichung für gute Rockmusik; sie muss einfach diese Energie haben. Wir werden heute keinen Song wie ›Full On Kevin‘s Mom‹ [von LOUDER THAN LOVE, 1989] mehr schreiben. Es wird sich komisch anfühlen, diese Lieder jetzt zu spielen, sie sind so jugendlich, aber es macht großen Spaß, es zu versuchen, wieder dahin zurückzukehren und sich daran zu erinnern.“

„Wir sind in fast jedem Sinn gewachsen und haben uns verändert“, sagt Thayil. „In vielerlei Hinsicht sind wir andere Menschen. Wir befinden uns gesellschaftlich und kulturell in anderen Teilen unseres Lebens, und es wird anders sein, ein Lied wie ›Hunted Down‹ zu hören. Ich war 26, als wir das machten; das wird ein anderes Licht werfen und andere Gefühle und Bilder heraufbeschwören, jetzt wo ich 50 bin. Ich würde sagen, ich habe es damals stärker gespielt als jetzt, weil ich es damals anders verstand. Ich mag es immer noch, aber auf andere Art und Weise. Aber nimm ›Ugly Truth‹: Ich habe diesen Song immer sehr gemocht. Das tue ich immer noch, und sehr intensiv. Aber es ist völlig anders. Ich finde, ich spiele dieses Lied heute viel besser als damals, weil ich es heute anders verstehe.“

„Nach so langer Zeit, in der wir kein Soundgarden-Album gemacht haben, war ich richtig scharf drauf, wieder reinzugehen, zu versuchen, es besser als früher zu machen, und diese Herausforderung wieder anzunehmen“, sagt Cornell. „Das ist ein aufregendes Pro-blem, rauszugehen und wieder diese Typen zu sein. Aber wir haben es immer richtig gemacht und wir waren immer echt und ehrlich. Ich glaube nicht, dass ich mir je 100 % sicher war, dass wir wieder zusammenkommen würden – da war immer mehr Druck, als es mir lieb war, es gab immer dieses große Fragezeichen. Aber jetzt sind wir hier und wir haben endlich die Antwort.“

 

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