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She Rocks: Girlschool

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She Rocks: Girlschool


Girlschool and Motörhead - St. Valentines Massacre
Johnson dachte sogar mit Sicherheit so. Für sie war es völlig in Ordnung, dass Girlschool und Motörhead in der Show „Top Of The Pops“ zusammen als Headgirl auftraten, um ›Please Don’t Touch‹, ihre gemeinsame Hitsingle von ST. VALENTINE’S DAY MASSACRE, zu spielen. Damals teilte sie sich die Frontrolle mit Lemmy. Genauso entspannt zeigte sie sich auch, was ihre offen ausgelebte Bisexualität betraf. „Kelly outete sich nie im eigentlichen Sinne“, erinnert sich McAuliffe.

„Als sie in die Band kam, lebte ich noch bei meinen Eltern zuhause und Kelly zog zu uns. Wir teilten mein Kinderzimmer und machten, was Teenager eben so machen. Die ganze Nacht wach bleiben, Schokolade futtern und Platten hören. Natürlich plauderten wir auch über Jungs und solche Dinge. Kelly hatte einen Freund. Aber sie war eben auch eine unglaublich offene und liebevolle Person. Wenn sie jemand bestimmtes in ihr Leben ließ, dann liebte sie diesen Menschen ganzheitlich, ganz egal, welchen Geschlechts.“

Ich habe zu dieser Zeit selbst im Business gearbeitet, stand in regelmäßigem Kontakt zum Management von Girlschool und traf die Mädchen oft bei Gigs und Feiern. Ich kann hiermit bestätigen, dass McAuliffes „wahre“ Sexualität damals ein vieldiskutiertes Thema war. Obwohl es viele Gerüchte gab, wurde immer anerkannt, dass die Band selbst kein großes Ding daraus machte. „Wir sahen uns nicht als Koryphäen des Feminismus. Und Kelly war auch sicher nicht daran interessiert, irgendeine Art von Schwulen-Ikone zu werden. Darum ging es einfach nicht. Es ging wirklich nur da­­rum, ob man unsere Musik mochte oder nicht. Und ob wir weiterhin gute Platten und Shows liefern konnten oder nicht.“

Wenn es nur um ihr Image gegangen wäre, hätte Girlschools Karriere ironischerweise wahrscheinlich ein paar mehr Hit-Alben verzeichnen können. Am Ende führte sie die Musik ans Ende. Ihr drittes Album namens SCREAMING BLUE MURDER von 1982 wurde un­­nachgiebig dem gleichen NWOBHM-Publikum vorgeworfen, das gerade begierig Iron Maiden aufsaugte. Das Cover zierte in damals typisch schmalziger Heavy-Metal-Art ein Foto der Mädchen, wie sie selbstbewusst in einem großen Käfig posieren. Es war vorhersehbar, dass die Platte nicht an den Erfolg von HIT AND RUN oder dem bei Kritikern sehr beliebten DE­­MOLTION anknüpfen konnte. Das nächste Album von 1983 gab ihnen jedoch endgültig den Rest. Jahre später hatte McAuliffe in einem Gespräch mit mir zugegeben, dass PLAY DIRTY „der Versuch war, unser eigenes PYROMANIA zu schaffen.“

Das Album von Def Leppard hatte sich im selben Jahr über sieben Millionen Mal verkauft und markierte auf musikalischer Ebene einen großen Sprung nach vorne, weg von ihrem frühen Mischmasch aus Lizzy-Stones-AC/DC-Riffs und unartigen Texten. Um aus dem eigenen Fahrwasser zu kommen, hatten auch ZZ Top damals etwas Ähnliches mit ELIMINATOR versucht. Die Platte wurde zum Verkaufsschlager. Mit dem Versuch, ihr kommerzielles Glück in Großbritannien derart auszuweiten und endlich auch in den geldüberschwemmten Markt der amerikanischen Szene einzudringen, konzentrierten sich Girlschool auf Drumcomputer, Synthesizer und harmonische Gesangsexplosionen und setzten mit dem wohl ehrgeizigsten Album ihrer Karriere alles auf eine Karte – nur, um mitansehen zu müssen, wie es vollkommen an seinem Ziel, die Charts zu sprengen, vorbeischoss und zu ihrem am schlechtesten verkauften Album wurde.

„Wir waren so stolz auf die Platte“, rekapituliert McAuliffe heute. „Wir näherten uns sogar der Billboard Hot 100 und waren für eine große Tour durch Amerika angesetzt, aber dann nahm die Plattenfirma das Ruder in die Hand und alles fiel auseinander.“ Vielleicht hätten sie diese Hürde noch überwunden, wenn nicht Johnson auf einmal ihre Meinung geändert und alles hingeworfen hätte. „Wir waren in Amerika und alles ging schrecklich schief. Wir hauten aus L.A. ab und kehrten zurück nach London. Nur Kelly entschied, in Los Angeles zu bleiben“, erzählt Mc Auliffe. Tatsächlich blieb Johnson für die nächsten zehn Jahre in L.A. und führte eine lange Beziehung mit Victory Tischler-Blue – auch bekannt als Vicki Blue, ehemalige Bassistin von The Runaways, ebenfalls eine weibliche Proto-Punkband, die von ihrem Produzenten Kim Fowley als „minderjährig, rein und einfach“ verkauft wurde, wie er mir mal erzählte. Während Lita Ford und Joan Jett nach der Auflösung der Runaways erfolgreiche Solokarrieren starteten, zog es Vicki Blue in die Welt des Films – sie spielte beispielsweise Cindy in „This Is Spinal Tap“.

Außerdem sang sie auf Girlschools PLAY DIR­TY die Backgroundvocals. Johnson verliebte sich damals sofort in sie. Wenn man heute mit McAuliffe redet, weigert sie sich immer noch, ihren Namen auszusprechen. So viel Bitterkeit verspürt sie noch darüber, dass Johnson damals Girlschool verlassen hat. „Es brach uns das Herz, als Kelly uns mitteilte, dass sie nicht mit uns nach England zu­­rückkommt. Aber es schien, sie beherzigte damals den Rat von Leuten, die… naja…“, bricht die Musikerin ab. Sie möchte hier wirklich keine schmutzige Wäsche waschen. Aber als ich sie frage, ob wir hier von einem Szenario á la Yoko Ono nach dem Motto „du kannst ein größerer Star ohne sie werden“ sprechen, seufzt sie nur leise und antwortet: „Ja, absolut.“ Jetzt, da Johnsons Herz Vicki Blue gehörte, schien das Verlangen nach ihrer eigenen Berühmtheit nicht mehr sehr ausgeprägt zu sein.

McAuliffe meint: „Ich habe gehört, dass sie Frontfrau ihrer eigenen Band namens Kelly’s Heroes werden wollte. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mir dachte: Wow, was für ein toller Name! Sie wird bestimmt ganz groß rauskommen.“ Aber nichts ge­­schah und Johnson zog sich in ein neues Le­ben zurück. Sie hielt es auch nie für notwendig, sich offiziell zu outen, um ir­­gend­eine Schwesternschaft zu stärken und das, ob­­wohl sie eine große Inspiration für viele junge, weibliche Rockfans war. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre wah­re Leidenschaft und kämpfte fortan für die Umwelt, Tierrechte und Ve­­getarismus. Sie hat nie versucht ir­­gend­wer zu sein, außer sie selbst.

Als sie für das Magazin „Smash Hits“ interviewt wurde, ge­­nau zu der Zeit, als Girlschool als erste Frauenband bei „Top Of The Pops“ auftraten, seit Miniröcke im Op-Art-Stil beliebt gewesen waren, gab Johnson freudig zu, dass sie als Kind viel lieber Popmusik hörte: „Einige Mädels in meiner Klasse mochten Black Sabbath, aber ich hörte mir das an und dachte nur: wie langweilig. Das klingt doch alles gleich, keine Melodien, gar nichts. Ich zog mir lieber die Beatles oder T.Rex rein.“ Leicht verwirrt fragte der Reporter nochmal nach: „Wenn du nicht bei Girlschool wärst, würdest du dann Girlschool an­­hören?“ Johnson kicherte nur und schüttelte den Kopf: „Oh nein. Ich mag ein paar Lieder… Also, um genau zu sein: Ich mag zwei Lieder.“ Als ich McAuliffe daran erinnere, lacht sie: „Naja, da sie für die meisten unserer besten Songs mitverantwortlich war, bin ich mir sicher, dass sie mehr als nur zwei mochte. Aber so war Kelly eben. Sie nahm sich selbst einfach nicht zu ernst und wehe irgendwer um sie herum tat das.“

Girlschool machten schließlich ohne Johnson weiter und entwickelten sich zum gern gesehenen Gast auf den Billings von diversen Festivals. Aber bei den großen Plattenfirmen war die Schule sozusagen aus und vorbei. Andere Mädchen kamen und ersetzten Johnson und auch Bassistin Enid Williams, am Ende kamen schließlich Ersatzmusikerinnen für die Ersatzmusikerinnen. McAuliffe und Schlagzeugerin Denise Dufort sind bis heute in der Band. Es gab ein letztes Hurra für das Kim-und-Kelly-Line-up, als Johnson Mitte der 90er zur Gruppe zurückkehrte. „Wir trafen sie am Flughafen und sie sah fantastisch aus. Diese zehn Jahre in Los Angeles hatten ihr eine gesunde Bräune, goldenes Haar, einfach ein sehr gesundes Aussehen verliehen.“

Aber gerade als die Band sich daran machte, auf der Welle des doch sehr lukrativen Classic-Rock-Revivals zu surfen, kam es zur allergrößten Tragödie überhaupt: Bei Johnson wurde ein spinaler Tumor diagnostiziert. Nach einem Überlebenskampf von sechs Jahren verstarb sie am 15. Juli 2007. „Sie versteckte das alles vor den Fans“, erzählt McAuliffe. „Aber es war wirklich schrecklich für sie. In der einen Minute war sie gut drauf, man sagte ihr, dass der Krebs auf dem Rückmarsch sei, und in der nächsten Sekunde war sie am Boden zerstört, weil der Tumor zurückgekehrt war. Ich bin einfach nur froh, dass wir diese letzten Jahre zusammen hatten. Es ging nicht darum, dass sie blond und hübsch war. Das war es nicht, was Kelly so besonders machte. Nicht mal, wie gut oder cool sie auf der Bühne aussah. Sie hatte einfach eine wunderschöne Seele. Du musst keine Frau sein, um eine schöne Seele zu haben, du musst einfach nur ein wunderbarer Mensch sein.“ Und genau das waren Girlschool. Wunderbare Menschen. Anfassen verboten.

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