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Rush: Action!

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Rush: Action!

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Le Studio bedeutete eine Offenbarung für uns in unserer Arbeitsweise. Es war ein so zauberhafter Ort.“ Sie hatten dort sogar ihren eigenen französischen Koch. „Dieser Teil von Québec ist sowohl französisch- als auch englischsprachig“, erklärt Lee mit einem Lächeln, „das wird dort gewissermaßen erwartet. Und er kochte wirklich gut.“ Doch an diesem einen Abend ist Le Studio kalt und dunkel, ein Ort voller unheilvoller Vorahnung. Der See ist zugefroren, die Luft eisig. Die Lichter des Studios erleuchten die Menschen, die sich auf der Auffahrt zum Hauptgebäude versammelt haben, alle in Schals und Mützen gewickelt, während ihr Atem in nebligen Wolken über ihnen emporsteigt. Aus New York kam zuvor die Nachricht von John Lennons Tod. Die Gruppe hatte hier im Herbst aufgenommen und ist nun zurück für Overdubs und das Abmischen, den letzten klanglichen Schliff des Albums. Ein Anlass, zu dem Schlagzeuger Neil Peart die Crew, die Studiobelegschaft und die Bandmitglieder zu einer Art wütendem Mob versammelt, eine Art Vorstufe für das düstere Intro zu ›Witch Hunt (Part III Of Fear)‹. „Wir stellten Mikros in der Auffahrt auf“, erzählt Lee, „dann zogen wir uns alle an und gingen raus. Wir fingen an, zu grunzen und dummes Zeug zu brüllen. Dann legten wir das immer wieder als Overdubs übereinander, bis es wie ein Mob aus Bürgerwehrlern klang. Wenn man da genau aufpasst, hört man einige der idiotischen Sachen, die wir sagten …“

„Und auch Lachen, was wahrscheinlich nicht das war, was Neil vorschwebte“, fügt Lifeson hinzu. „Wir nahmen nämlich eine Flasche Scotch mit, was vielleicht die Heiterkeit erklärt.“ Lee: „Viel Gelächter. Ein großer Spaß, das zu machen.“ Lifeson: „‚Fucking football‘, ich glaube, das kann man hören, wenn man genau achtgibt, so ging mein Spruch, eines der vielen wiederkehrenden Highlights.“ Doch es ist Teil dieser Geschichte, dass dieser Mob an jenem Abend eigentlich überhaupt nicht dort sein sollte. Denn die Band hätte eigentlich zu Hause sein sollen. Es hatte keinen Plan gegeben für ein Album namens MOVING PICTURES – nach dem überraschenden Erfolg von PERMANENT WAVES, der sie aus ihrer Nische in den Mainstream katapultiert hatte, stand offiziell kein neues Studiowerk an. Stattdessen war vorgesehen, ein weiteres Livealbum zu machen und dann wieder auf Tour zu gehen.

Danach wollte man über die nächste Platte nachdenken. Doch die Band hatte einen solchen Lauf, dass die Idee des Livemitschnitts zu ihrer bis dato erfolgreichsten Tournee aufgegeben wurde und sie stattdessen wieder ins Le Studio in der kanadischen Provinz zurückkehrte. „Nach PERMANENT WAVES stand diese große Liveplatte auf dem Plan“, verrät Lifeson. „Doch in letzter Minute sagten wir dann: ‚Wisst ihr was? Scheiß drauf, wir machen keinen Konzertmitschnitt. Wir gehen wieder ins Studio und machen unser nächstes Album.‘ So entstand MOVING PICTURES, und es sollte sich als die wichtigste Entscheidung unserer Karriere erweisen. Oder die zweitwichtigste, denn die wichtigste ist wohl 2112. Ohne 2112 gäbe es Rush nicht.“

„Ein Freund von uns arbeitete damals bei Mercury, Cliff Burnstein“, erzählt Lee. „Cliff [der als Teil der Q-Prime-Gruppe später als Manager von Metallica und Def Leppard fungierte] hatten wir es zu verdanken, dass wir bei Mercury unter Vertrag genommen wurden. Er war ein Riesenfan unseres Debüts. Ich erinnere mich, dass wir in New York gespielt haben, er kam zu dem Gig und wir unterhielten uns über eine Liveplatte. Er sagte mehr oder weniger zu uns: ‚Wisst ihr, PERMANENT WAVES ist so grandios, dass ihr vielleicht darüber nachdenken solltet, gleich wieder ins Studio zu gehen, um den Nachfolger zu machen.‘

Also sprachen wir darüber und dachten: ‚Das klingt nach wesentlich mehr Spaß.‘ Und so kam es zu der Entscheidung. Cliff gab uns den Anstoß dazu. Und es fühlte sich aufregend an, spontan die Pläne über den Haufen zu werfen. ‚Okay, fuck it, y’know? Wir gehen zurück ins Studio.‘ Wir befanden uns nach PERMANENT WAVES immer noch im Groove, hatten eine Art neuen Stil für uns gefunden – kürzere Stücke, aber trotzdem noch sehr komplex innerhalb dieses kürzeren Rahmens – eine tolle Zeit.“ „Wenn man darüber nachdenkt“, so Lifeson, „ist MOVING PICTURES der niedlich, süße, glückliche Sprössling [von PERMANENT WAVES]. Wir lernten damals viel über das Songwriting und wie wir am besten arbeiten müssen, um unsere Ziele zu erreichen – damit ein so ambitioniertes Werk wie MOVING PICTURES entstehen konnte, ohne dass wir uns gleichzeitig umbringen wollen.“

Wie der Autor L.P. Hartley einst schrieb: „Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, die Dinge laufen dort anders.“ Und 40 Jahre sind ein großer Abstand. Kein Wunder also, dass die eine oder andere Frage über diese Zeit bei Lee und Lifeson konsternierte Blicke oder Rückfragen hervorruft. Oder dass Lifeson eben einfach vergessen hat, dass sie schon zwei Stücke von MOVING PICTURES live gespielt hatten, bevor sie auch nur in die Nähe des Studios kamen – etwas, das ich in einem Gespräch mit Produzent Terry Brown erfuhr. Fragt man die Musiker heute zu ›The Camera Eye‹, dem genialen, ausladenden und wohl am meisten nach Rush klingenden Stück auf der Platte – dessen Text vom US-Autor John Dos Passos inspiriert ist (ebenso wie Teile von ›Grand Designs‹ und ›The Big Money‹) –, erinnert sich Lee als Erstes an den Film „Superman“.

„Meine prägnanteste Erinnerung an den Track ist, dass wir mit Klangeffekten experimentierten und Filmsoundtracks über den Anfang und das Ende legten“, erzählt er. „Es machte Spaß, diese Klanglandschaft zu formen. Und weil es in einer urbanen Szenerie auf der Straße beginnt, bauten wir ein bisschen Dialog aus ‚Superman‘ ein. Wir hatten den Film wohl kurz zuvor gesehen, und im Hintergrund hört man ein Zitat daraus. Ich weiß also noch, wie wir diese Momente erschaffen haben, aber kaum noch, wie wir das Lied geschreiben haben.“ „Wir suchten nach Atmosphären“, so Lifeson. „Das weiß ich noch. Atmosphären, die zu der blauäugigen Perspektive der ersten Hälfte passten und sich zu einem Höhepunkt aufbauen würden. Doch es ähnelte keinesfalls einer konventionellen Konstruktion eines Songs – und wenn wir das schon sagen …“

„Mir ist bewusst, wie die Leute das Album heute sehen“, so Lee. „Und es ist auch ein Meilenstein. Aber wenn man einen Track schreibt, selbst diese Tracks, ist man immer noch ständig zwischen Momenten des Selbstbewusstseins und des Zweifels hin und her gerissen. Man bewegt sich zwischen diesen beiden Punkten, bis man auf etwas stößt, von dem man weiß, dass es funktioniert, und das einen begeistert. Doch wegen der Natur des Texts zu ›The Camera Eye‹ – er wirkte eher wie Prosa – gingen wir mit der Einstellung ran: ‚Wie erklären wir das am besten?‘ Es verlangte nach einem anderen Ansatz als zum Beispiel ›Limelight‹, das wesentlich offensichtlicher ist: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain. All das führte auch zu dem Beschluss, das Konzeptwerk-Ding zu begraben – eine große Sache. Wir begannen, das Songwriting als eine Reihe individueller Konzepte zu betrachten, gewissermaßen eine Serie kürzerer Filme, woraus dann MOVING PICTURES resultierte und ganz sicher ein Stück wie ›The Camera Eye‹.“ Für viele ist die beständige Qualität von Neil Pearts Texten zu jener Zeit einer der Höhepunkte der Platte. Ab PERMANENT WAVES trat die Essenz seiner Worte zutage. Er hielt sich knapper, weniger vage, und in einem Stück wie ›Limelight‹ gab er mehr preis als je zuvor.

„Ich weiß noch, dass seine Lyrics damals sehr auf den Punkt waren“, so Lee. „Und obwohl es immer ein paar Diskussionen über diese oder jene Zeile gab, kann ich mich an keine größeren Umschreibaktionen oder Textänderungen zu jener Zeit erinnern. Unsere Beziehung zwischen Sänger und Texter entwickelte sich weiter und veränderte sich. Ich wurde mehr zu einer Art Feedbackgeber und Kontrollinstanz für ihn. Manchmal arrangierten wir etwas um, aber ich glaube, bei MOVING PICTURES gab das, was er schrieb, auch größtenteils das Gerüst der fertigen Lieder vor. Wir veränderten nichts grundlegend. Unser Job bestand einfach darin, einen Soundtrack zu jedem Text zu machen, um diese kleinen Vignetten zu erschaffen.“

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