Und der Schöne ward zum Biest – erstmals in kompletter Länge und audiovisuell optimiert.
Über die Jahrzehnte kursierten haufenweise Gerüchte über die dubiosen Umstände des allzu frühen Endes von Jim Morrison, der am 3. Juli 1971 in Paris mit gerade mal 27 Jahren starb. Dass mit dem Doors-Frontmann einiges im Argen lag, konnten ein knappes Jahr zuvor zumindest diejenigen der über 600.000 Besucher des Isle-Of-Wight-Festivals bezeugen, die nahe genug an der Bühne saßen.
Es war gegen zwei Uhr nachts, als Jim Morrison, Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore die Bühne enterten, um sieben Songs aufzuführen. Als einzige Lichtquelle diente ein roter Spot, da die Truppe im Vorfeld übersehen hatte, dass sie laut Vertrag selbst für die Ausleuchtung hätte sorgen müssen. Manzarek erinnerte sich an ein zwar gedämpftes, aber sehr intensives Set mit Morrison in gesanglich guter Form. Tatsächlich shoutete sich Mr. Mojo Risin’ ohne Abstriche durch ein manisches ›Back Door Man‹, ein swingendes ›Break On Through (To The Other Side‹, ein elfminütiges ›When The Music’s Over‹, ein ambivalentes ›Ship Of Fools‹, den ›Roadhouse Blues‹, ein pflichtbewusstes ›Light My Fire‹ und ein knapp 20-minütiges Medley aus ›The End/Across The Sea/Away In India/Cross Road Blues/Wake Up!‹. Doch die statische Gestalt im unwirklichen Rotschein wirkte beinahe gespenstisch: Vollbärtig, langhaarig und mächtig aufgedunsen, qualmte der dunkel gekleidete Morrison Kette und wirkte geistesabwesend.
Der einst so Schöne ward zum Biest mutiert, das sich selbst auf dem Altar der Kunst opfert. Beinah unnötig zu erwähnen, dass die letzte gefilmte Konzertsequenz der Doors schon fast einer Reliquie gleichkommt. Zumal sie nach 48 Jahren zu ersten Mal überhaupt in audiovisuell restaurierter Fassung, kompletter Länge und mit dem Bonusfilm „This Is The End“ (Regisseur Murray Lerner im Gespräch mit Bandmitgliedern und dem Manager) in den Formaten DVD + CD, DVD, Blu-Ray und Digital Video in den Handel kommt.
9/10
The Doors
LIVE AT THE ISLE OF WIGHT 1970
Eagle Rock/Universal