Sie zählen zu den Shootingstars der Metal-Szene: Nach einem zähen Karrierestart haben opeth sich in den vergangenen Jahren zu einem der erfolgreichsten Acts in diesem Bereich gewandelt. Nun schlagen sie mit dem zehnten Album HERITAGE einen gemäßigteren Ton an.
Eines muss man Opeth lassen: Die Band hat Mut. Denn im Grunde hätten die Schweden einfach das Erfolgsrezept stur weiterverwenden können: Ihr Mix aus Seventies-Flair, Prog und Death Metal hat ihnen in den vergangenen Jahren einen enormen Fan-Zuwachs eingebracht. Doch die Stockholmer wollten etwas Neues machen. Und so ist HERITAGE, das zehnte Album der Band, ein reinrassiges Rock-Werk geworden. Die Growls, die – abgesehen vom sanften 2003er-Album DAMNATION – stets fester Bestandteil des Sounds der Gruppe gewesen sind, fehlen nun. Was einige Metal-Fans hassen werden, CLASSIC ROCK aber freut.
Ganz mit ihrer Vergangenheit zu brechen, kommt Opeth freilich nicht in den Sinn. So symbolisiert das von Travis Smith gestaltete Cover sowohl die Gegenwart der Band (in Form eines prachtvoll gedeihenden Baums) als auch die Historie (die Wurzeln reichen hinab in die Hölle). Ein Rundumschlag, der nicht nur ein gewisses Traditionsbewusstsein beweist, sondern auch zeigt, dass Opeth das Hier und Jetzt nicht losgelöst, sondern stets im Kontext ihrer bisherigen Erfahrungen betrachten. Die können mal kollektiv sein, aber durchaus auch individuell. So sagt Chefkomponist Mikael Åkerfeldt nicht ohne Grund, dass ihm HERITAGE vor allem deshalb besonders am Herzen liegt, weil sich mit dem Album ein lang gehegter Traum erfüllt: „Es kommt mir so vor, als hätte ich schon seit Ewigkeiten auf diese Platte hingearbeitet. Denn bereits als 19-Jähriger habe ich mir gewünscht, an der Entstehung und Produktion eines solchen Albums beteiligt sein zu dürfen.“ Was man ihm, dem leidenschaftlichen Fan von Camel & Co., sofort abnimmt. Überhaupt ist Åkerfeldt jemand, der es ohne Musik nicht lange aushält. Das ist wohl einer der Gründe dafür, warum er sich mit Steven Wilson, der für den Mix von HERITAGE verantwortlich ist, so gut versteht. Die beiden sind seit Jahren befreundet und planen auch seit Längerem ein gemeinsames Projekt – aus Zeitgründen konnte es bislang allerdings noch nicht realisiert werden.
Priorität haben eben stets die Hauptbeschäftigungen, daher ist Åkerfeldt in den nächsten Monaten vollständig ausgebucht – HERITAGE wird ausgiebig live präsentiert werden, hierzulande stehen bislang fünf Deutschland-Daten im Dezember auf dem Programm, Pain Of Salvation sind als Support gebucht. Spätestens dann wird sich zeigen, ob Opeth den richtigen Weg eingeschlagen haben und ihnen die Heavy-Fangemeinde nach wie vor treu ergeben ist. Åkerfeldt glaubt fest daran, denn er ist der Ansicht, dass sich die neue Platte ohnehin erst dann vollends begreifen lässt, wenn man mit dem Œuvre der Band vertraut ist. „Ich denke, dass man sich schon etwas länger mit Opeth bzw. dem Sound der Band auseinander gesetzt haben muss, um HERITAGE in seiner Gesamtheit wirklich schätzen zu können.“
Und eine eigene Identität kann man der jüngst um Keyboarder Joakim Svalberg verstärkten Truppe ohnehin nicht absprechen – Originalität war und ist nach wie ein wesentliches Kriterium, nach dem der Sänger und Gitarrist seinen Ideenfundus aussiebt. „Sicher, ich höre viel Musik“, setzt Åkerfeldt an. „Doch unsere Einflüsse sind so breitgefächert, dass ich gar nicht sagen kann, an was oder wem sich dieser oder jener Song orientiert.“