Komm, wie du bist: Kurt Cobains großes Vermächtnis.
Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen: Ein nackter männlicher Säugling, untergetaucht im Pool, der nach einem Dollarschein am Angelhaken greift, ziert das Cover von NEVERMIND, dem zweiten Werk von Nirvana. Angeblich ist Gitarrist, Sänger und Komponist Kurt Cobain das Ganze eingefallen, als er gemeinsam mit Schlagzeuger Dave Grohl und Bassist Krist Novoselic eine TV-Doku über Unterwassergeburten verfolgt hat. Mit der Symbolik, dass wir in der westlichen Welt von Kindesbeinen an auf materielle Werte getrimmt werden, treffen Nirvana 1991 den Nerv einer Generation, die von oberflächlichem Achtziger-Pomp und hohlem Haarspray-Glam Metal genug hat. Vor allem aber überrascht die künstlerische Weiterentwicklung, die das Trio aus Seattle seit dem Debüt BLEACH durchlaufen haben. NEVERMINDs zwölf (von Butch Vig knackig produzierte) Songs überzeugen auch jene kritischen Gemüter, die Nirvana eben noch als nervige Lärmkapelle abgetan haben: Cobain Händchen für eingängige Melodien, hörbar in den flugs zu Klassikern avancierten Single-Hymnen ›In Bloom‹, ›Come As You Are‹, ›Lithium‹ und dem vorab als Zünder ausgekoppelten ›Smells Like Teens Spirit‹, verschafft der Band internationalen Respekt. Und macht zerrissene Schlabberjeans, karierte Flanellhemden und strubbelige Langhaarfrisuren zum Modetrend. Weitere Tracks wie ›Breed‹, ›Polly‹, ›Drain‹ und das finale ›Something In The Way‹ stimulieren ebenfalls, auch wenn der ansonsten so konsistente Longplayer zum Ende hin etwas zerfasert. Zum 20. Jubiläum geschieht nun das, was Cobain, der 1994 Suizid beging, zu Lebzeiten wohl am meisten gefürchtet hat: NEVERMIND kommt in mehreren Formaten in die Verkaufstempel der Konsumgesellschaft. Für die limitierte SUPER DELUXE EDITION inklusive 90-Seiten-Buch wird das digital optimierte Original auf vier CDs und eine DVD gestreckt. Dazu zählen Studio- und Konzert-B-Seiten der Singles, die von Butch Vig in den Smart Studios in Madison, Wisconsin, aufgezeichneten und bislang unveröffentlichten Demos, die in Tacoma, Washington, getätigten Boombox-Aufnahmen der Albumproben sowie BBC Sessions aus Shows von John Peel und Mark Goodier. Einen ungewohnten Blickwinkel auf den Meilenstein liefern die sich vom Original drastisch unterscheidenden Devonshire-Mixe von Produzent Vig. Komplett dabei ist auch ein Mitschnitt vom 31. Oktober 1991 aus dem Paramount Theatre von Seattle, den es auf CD zu hören und als Video, ergänzt um Clips, auf DVD und Blu-ray zu sehen gibt. Für den kleineren Geldbeutel liegen die 2-CD-Deluxe-Version, aber auch die Standard-Version vor. Und selbstverständlich wird für Vinyl-Freaks auch ein exklusives 4-LP-Format aufgelegt.