Come on, come on, come on!
Ist Nick Cave einfach ein ganz normaler Sänger, ist ein Nick-Cave-Konzert einfach ein ganz normales Konzert? Der Australier hat seine Karriere über viel dafür getan, dass dem nicht so ist. Er hat sich als großer Schmerzensmann des Rock’n’Roll inszeniert, als Messias des Post-Punk, der sich Drogenexzessen hingibt, als Wüterich und sensibler Großkünstler zugleich. Und so ist die Ehrfurcht im hoffnungslos vollgestopften Zenith groß, als zuerst die Bad Seeds um Warren Ellis die Bühne betreten und dann der Meister selbst, mit gravitätischer Geschmeidigkeit, groß, eine schlanke Silhouette im schwarzen Anzug, das Hemd weit über die Brust aufgeknöpft. Dazu brizzelt und wabert es dunkel durch die Halle, wie auf dem aktuellen Album SKELETON TREE. Die ersten drei Songs, ›Anthrocene‹, ›Jesus Alone‹ und ›Magneto‹ stammen von der Platte, die vom Tod von Caves Sohn vor zwei Jahren überschattet ist.
Die düster-erhabene Stimmung von Verlorenheit und Verzweiflung wird den ganzen Abend nicht verschwinden, in älteren Songs wie ›From Here To Eternity‹ oder ›Red Right Hand‹ steigert sie sich zu einem angsteinflößenden Rausch. Cave schreit ins Mikro, verrenkt sich, haut dem Publikum ein „Fuck You!“ entgegen. Ist dann wieder ganz zart, berührt die Hände der Zuschauer in der ersten Reihe, geht in die Knie, lässt sie seinen Herzschlag fühlen. „Come on, come on, come on!“ Er will jetzt und hier alles, er will es spüren. Er ist der große Prediger. Unnahbar nah, ewig auf der Suche. Nach so etwas wie Erlösung?
Der eigentlich großartige ›Ship Song‹ geht zwischendrin fast ein wenig unter, ›The Mercy Seat‹ ist manisch – und immer wieder wird alles von den SKELETON-TREE-Stücken zusammengehalten, vom dann doch fast erlösenden Titelsong und ›Distant Sky‹. Zur Zugabe ›Stagger Lee‹ darf das Publikum die Bühne stürmen, ganz am Ende steht das umwerfende ›Push The Sky Away‹. Magisch.