Der Ex-Europe-Gitarrist kehrt nach dem Tod seiner Frau Michelle Meldrum langsam zum normalen Leben zurück.
Manchmal schaudert es John Norum, wenn er an wichtige Stationen seines Lebens denkt: Um sich musikalisch weiterzuentwickeln, verließ er seine Band Europe Mitte der Achtziger unmittelbar vor der Ernte ihres größten Erfolges ›The Final Countdown‹. Während also seine Europe-Kumpels anschließend einen Triumphzug um die Welt starteten, versuchte Norum sich trotz seines überragenden Talents mit nur mittelmäßigem Erfolg als Solokünstler und Gitarrist in anderen Bands. Bei der US-Formation Dokken gehörte er gleich zweimal zur Besetzung, die zweite Verpflichtung endete allerdings im Desaster: „Von einer Liste mit zehn Dingen, die man falsch machen kann, machte Don Dokken alle verkehrt“, stöhnte Norum, nachdem er die Band während einer laufenden Europatournee verlassen hatte. „Er schnauzte herum, beleidigte uns und war unausstehlich. Außerdem zeigte er auf der Bühne katastrophale Leistungen. Du gehst auf die Bühne, willst eine gute Show abliefern, aber Don versaut alles. Wie peinlich!“
Noch vor drei Jahren behauptete Norum, dass sein zweiter Einsatz bei Dokken die schlimm-ste Erfahrung seines Lebens war. Heute weiß er, dass die wirklichen Tragödien des Leben anders aussehen: Im Mai 2008 starb Ehefrau Michelle Meldrum, Gitarristin der amerikanischen All Girl-Truppe Phantom Blue und Mutter seines Sohnes Jake Thomas. Seither dreht sich für No-rum die Welt nur noch um zwei Dinge: die Erziehung seines Kindes und seine Gibson Les Paul: „Für mich ist Musik wie Therapie. Wenn ich morgens meinen kleinen Sohn zur Schule ge-bracht habe, beginne ich zu spielen, und höre meistens erst wieder auf, wenn ich ihn abholen muss. Für mich ist jedoch die Hauptsache, dass es Jake gut geht und er glücklich ist.“
Tatkräftige Hilfe bei diesem hehren Ziel kommt aus der eigenen Familie: Norums Mutter hat sich dem Schicksal ihrer zwei Nachkömmlinge angenommen und kümmert sich um ihren Enkel, wenn Sohn John auf Tournee ist. Norum: „Sie ist großartig, ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte. Meine Mutter ist eine Rockerin und hart im Nehmen, aber der Kleine hat jede Menge Energie.“
Zu sehen ist Jake Thomas auf dem Cover der neuen Norum-Soloscheibe PLAY YARD BLUES, auf dem der Schwede seinen Idolen aus den Siebzigern huldigt und neben Tracks von Thin Lizzy (›It’s Only Money‹), Mahogany Rush (›Ditch Queen‹) sowie des Mountain-Protagonisten Felix Pappalardi (›Travel In The Dark‹) fabelhafte eigene Bluesrock-Kompositionen anstimmt. „Man hört einfach wieder mehr meine ganz frühen Einflüsse, vor allem die aus den Siebzigern“, gesteht er. An einen erneuten Abschied von Europe denkt Norum dennoch nicht: „Ich habe mit einer Vielzahl Musikern gespielt, aber nie in einer so freundschaftlichen Atmosphäre wie mit Europe. Ich versuchte es mit meinen Soloscheiben, aber es funktionierte nicht richtig, irgendeiner machte immer Probleme.“
Matthias Mineur