Mitunter scheint es, als ob sich Axel Rudi Pell auf einem Kreuzzug durch die internationalen Musik-Instanzen befindet. Motto: Tod allen Rock-Ignoranten! Pell ist ein Kind der Siebziger, beeinflusst von den großen Pionieren der Rockmusik, insbesondere Deep Purple, Rainbow, Black Sabbath und Led Zeppelin. Der Bochumer steht zu seiner Musiksozialisation und bezeich-net Veröffentlichungen wie MACHINE HEAD (Deep Purple) oder RISING (Rainbow) als die perfekten Scheiben schlechthin. „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich in den Jahren 1968/69 zunächst mit deutschem Schlager beschäftigte“, blättert er in seinem fiktiven Tagebuch schlappe 40 Jahre zurück, „damals gab es vor allem Dieter-Thomas Heck und die ZDF Hitparade mit all ihren Gästen. Ich weiß noch genau, dass Cliff Richards Hit ›Congratulations‹ meine erste eigene Schallplatte war.“
So richtig losgegangen sei es für ihn aber erst in den Siebzigern als Fan von Mungo Jerry. Damals trommelte Pell auf Waschmittelbehältern herum, denn zunächst wollte er Schlagzeuger werden. „Dann hörte ich FIREBALL von Deep Purple und war dermaßen fasziniert, dass ich sofort beschloss, selbst Gitarre zu spielen. Zum Geburtstag bekam ich von meinem Cousin MACHINE HEAD, und von da an war‘s um mich geschehen.“
Sein erstes Rockkonzert besuchte der dauerblonde Gitarrist im Juli 1974 in seiner Heimatstadt Bochum: UFO mit Michael Schenker und Paul Chapman, auch Thin Lizzy sollten spielen, trafen aber wegen einer fehlenden Einreisegenehmigung nicht rechtzeitig ein. Pell: „Am 23. März 1975, einem Ostermontag, sah ich dann Deep Purple auf einem Festival in der Dortmunder Westfalenhalle, dieses Konzert gab mir den Rest, von da an war ich fürs Leben infiziert.“
Solche Erinnerungen erklären nicht nur Pells private Vorlieben, sondern auch den Kurs, den er auf seinen bis dato 13 Soloalben ebenso verfolgt wie auf seinem neuesten Werk CIRCLE OF THE OATH. Pseudomoderne Strömungen und innovative Aufnahmeverfahren sucht man auf Pell-Scheiben vergeblich, hier regieren pure Tradition und das gesunde Empfinden für eingängige Rocknummern. Die schreibt der Bochumer ausnahmslos allein („Ich würde mal sagen: Der Erfolg gibt mir Recht. Wenn ich bei den Kompositionen jemand Außenstehenden mit einbeziehen würde, wären es nicht mehr die gleichen Resultate, weil jeder seinen eigenen Stil umsetzen und die Pell-Handschrift verwässern würde. Da aber mein Name vorne draufsteht, sollen die Songs zu hören sein, die ich mir vorstelle“), nur zur Umsetzung ruft er anschließend eine Handvoll bewährter und exzellenter Instrumentalisten zu sich ins Studio. Neben dem amerikanischen Ausnahmetrommler Mike Terrana ist dies vor allem der US-Sänger Johnny Gioeli, auf dem die Erfolge der Pell-Hymnen fußen. Auch hier folgt Pell dem Grundsatz „Never change a winning team“: „Von mir aus hätte auch die eine oder andere frühere Besetzung länger halten dürfen“, gibt er zu, konnte einen notorischen Wanderhirten wie Jeff Scott Soto (Toto, Journey) aber ebenso wenig halten wie den umtriebigen Bob Rock.
Egal, denn seine Band anno 2012 ist sowieso die erfolgreichste ARP-Formation aller Zeiten. Die Alben verkaufen sich sogar in Zeiten rückläufiger Zahlen stets überdurchschnittlich gut, und die Konzerte entwickeln sich immer mehr zu Wallfahrten eingefleischter Rock-Jünger. Allein die Zeche in Bochum ist Anfang Mai gleich an drei Abenden der CIRCLE OF THE OATH-Tour restlos ausverkauft.