Exzentrisch, erratisch und erfolglos: Wie man sich zum Kult stilisiert.
Kevin Ayers, charmantes Ausnahmetalent mit sonorer Schlafzimmerstimme, konstatiert über sich selbst: „Ich bin der geborene Müßiggänger, der über weite Teile seines Lebens lieber das Phlegma im sonnigen Süden als die eigene Karriere pflegte.“
Immerhin fünf impressionistische Klanggemälde samt Archivnovitäten (u.a. BBC Sessions, Demos) des Ex-Mitglieds von Soft Machine tummeln sich auf der 5-CD-Werkschau THE HARVEST YEARS 1969-1974. Das Debüt des blonden Frauenschwarms kommt 1969: JOY OF A TOY erfüllt mit delikaten bis dekadenten Leckerbissen wie ›Girl On A Swing‹, ›The La- dy Rachel‹ und ›Song For Insane Times‹ die hohen Erwartungen. Unter dem Logo Kevin Ayers And The Whole World folgt ein Jahr später das komplexer produzierte SHOOTING AT THE MOON. Im Line-up finden sich Keyboarder David Bedford, Drummer Mick Fincher, Sängerin Bridget St. John, Saxofonist Lol Coxhill sowie der 17-jährige Multi-Instrumentalist Mike Oldfield, wenig später selbst auf Solopfaden. Nonchalant tönt die lässige Ballade ›May I?‹ mit Ayers als lakonischem Charmeur, der im sonnigen Straßencafé eine Schöne mit coolem Bariton umgarnt.
Bedfords symphonische Kreationen spielen eine noch wichtigere Rolle beim Nachfolger WHATEVERSHEBRINGS- WESING: Reminiszenzen an die klassische Moderne. Zwischen Penderecki-Hommage ›There Is Loving / Among Us / There Is Loving‹ und Experimentellem wie ›Song From The Bottom Of A Well‹ mit Winkewinke an Karlheinz Stockhausen finden sich Music-Hall-Klänge (›Oh My‹) und der Ohrwurm ›Stranger In Blue Suede Shoes‹.
Mit BANANAMOUR, Album Nummer vier, tritt Gitarrist Steve Hillage in die Dienste des Kettenrauchers. ›Decadence‹, ein achtminütiges Mantra über Nico, beinhaltet ebenso viel Unberechenbarkeit wie das Syd Barrett gewidmete ›Oh! Wot A Dream< Und die Beatles Parodie ›Don’t Let It Get You Down‹. Mit dem Island-Einstand THE CONFESSIONS OF DR. DREAM versucht Manager John Reid 1974, seinen Schützling als Rock-Ikone aufzubauen: Nach nervös Elektronischem mit Gastvokalistin Nico im Titelsong erforscht der Grenzgänger im dreiteiligen ›It Begins With A Blessing / Once I Awakened / But It Ends With A Curse‹ weitere Bereiche des Pathologischen. Schizophren imitiert ›See You Later/Didn’t Feel Lonely Till I Thought Of You‹ Django Reinhardt, der kurze ›Ballbearing Blues‹ indes beschwört den Southern-Rock. Als Sologitarrist brilliert Ollie Halsall, der den zu Frankreichs Prog-Rock-Kommune Gong abgewanderten Hillage ersetzt hat.