Gemeinsam mit Uriah Heep touren Nazareth ab Ende April durch hiesige Konzerthallen. Im Gepäck: Songs vom neuen Album BIG DOGZ. Doch was treibt die Band nach all den Jahren (und all den Erfolgen) überhaupt noch an?
Text: Matthias Mineur
Dan McCafferty gehört nicht zu den Musikern, die ein Problem mit dem so genannten „Lola-Effekt“ haben. Lola-Effekt? Bereits Ende der Siebziger, also nicht einmal zehn Jahre nach Veröffentlichung ihres größten Hits, beschwerte sich Kinks-Sänger Ray Davies darüber, dass die Fans immer nur auf diesen einen Song warten, während er den Bandmitgliedern zum Hals heraushängt. Im Fall Nazareth heißt der Hit nicht ›Lola‹, sondern ›Love Hurts‹, die Situation ist jedoch eine ganz ähnliche. Denn ohne diese Nummer konnte keine Nazareth-Besetzung die Bühne verlassen. „Natürlich gibt es Stücke, die wir prickelnder finden“, er-klärt Sänger McCafferty, „aber gleichzeitig sorgt der immense Adrenalinschub eines Konzertes immer dafür, dass auch bei ›Love Hurts‹ keine Langeweile aufkommt. Wer glaubt, dass wir nur den Autopiloten anschalten, sich der Song also quasi von allein spielt, hat noch nie auf der Bühne gestanden. Jeder Gig ist ein einmaliges Erlebnis, bei dem man jedes Stück so spielt, als wäre es eine Premiere. Nur so kann man das Publikum überzeugen.“
McCafferty ist das Aushängeschild der schottischen Band. Sein heiseres Timbre, eine Mischung aus Reibeisen und Kuschel-Attitüde, hat Nazareth vor allem in ihrer Frühphase einige unvergessene Klassiker beschert: Die verrockte Joni Mitchell-Adaption ›This Flight Tonight‹ katapultierte sie hoch in die Charts, das hypnotische ›Morning Dew‹ begeisterte mit einer coolen Mischung aus laszivem Flair und mystischer Spannung. Zusammen mit eben jenem ›Love Hurts‹ kam Anfang der Siebziger kaum eine Radiostation an Nazareth vorbei. „Wenn man als Künstler einmal einen Hit hatte, der im Radio oder Fernsehen gespielt wurde, will man dieses Ereignis möglichst häufig wiederholen“, gesteht McCafferty, „und genau das ist es, was uns bis heute antreibt.“
Ihr neuestes Album nennt sich BIG DOGZ, was man vielleicht etwas burschikos mit „dicke Hunde“ übersetzen könnte. Die Scheibe bietet die gewohnte Aneinanderreihung traditioneller Rocksongs und handwarmer Balladen, für die Nazareth immer bekannt waren. Neuerungen oder gar Innovatives sucht man auf dieser Scheibe vergeblich, auch wenn im Vorfeld aus Bandkreisen zu hören war, dass man diesmal mehr gewagt habe als zuvor. Die Wahrheit ist, dass Nazareth ihre Vergangenheit weder verschweigen können noch wollen und – ihrer Zielgruppe entsprechend – den Sound bewusst gen Siebziger bürsten. McCafferty sieht darin nichts Verwerfliches: „Warum sollten wir etwas anders machen als das, was wir nachweislich können?“ fragt er. „Es ist schon so schwierig genug, Stücke zu schreiben, die nicht sofort an Alben wie RAZAMANAZ oder HAIR OF THE DOG erinnern.“
Zum Glück hat die Gruppe, die seit über 40 Jahren besteht, aus anfänglichen Fehlern gelernt. Früher sei man ziemlich naiv an die Sache herangegangen, gibt McCafferty zu, insbesondere was die geschäftlichen Belange, die Fragen nach dem richtigen Produzenten, geeigneten Tonstudios und kompositorischen Eigenarten anbelangte. „Wir haben ordentlich Lehrgeld bezahlen müssen und immer wieder Energie in sinnlose Projekte gesteckt. Heute genießen wir unser Leben und machen nur noch das, woran wir Spaß haben.“ Zum Beispiel eine mühselige Konzertreise durch Russland, die erstaunt, da die beiden Originalmitglieder McCafferty und Bassist Pete Agnew im Herbst ins Pensionsalter kommen: Agnew feiert im kommenden September seinen 65. Geburtstag, McCafferty genau einen Monat später. Doch von Müßiggang oder Rentnerdasein wollen beide nichts hören. „Es macht immer noch unglaublich viel Spaß, auf der Bühne zu stehen und Konzerte zu geben. Wer das will, muss die kraftraubenden Reisen notgedrungen in Kauf nehmen. Sie sind nun einmal Teil des Geschäfts, und wer ein bissiger Hund sein will, muss schon hinter dem warmen Ofen hervorkommen.“