Juni 1972: Mit einer opulenten US-Tour zementieren die Rolling Stones ihren Starstatus.
Der grenzenlose Hedonismus steckte schon im inoffiziellen Titel der Unternehmung, deren Start sich auf den 3. Juni 1972 im Pacific Coliseum im kanadischen Vancouver datiert: „Stones Touring Party“. Zum Teil hemmungslose Partys umflorten permanent die mehr als zweimonatige Konzertreise samt grandiosem Finale von vier ausverkauften Gastspielen im New Yorker Madison Square Garden, das letzte am 26. August, Mick Jaggers 29. Geburtstag. Insgesamt 48 Konzerte absolvierte die von Saxofonist Bobby Keys, Trompeter und Posaunist Jim Price, Pianist Ian Stewart und Nicky Hopkins verstärkte und mit Tour-Support Stevie Wonder komplettierte Gruppe. Mick Jagger leistete sich erstmals eine vom Londoner Designer Ossie Clark gestaltete eigene Bühnenkollektion aus samtenen Overalls und antiken Levi’s-Jeansjacken und schrieb damit Fashion-History. Erstmals diente auf der von Tour-Manager Peter Rudge organisierten und von Dr. Feelgood Laurence Badgley betreuten Tour ein eigens geheuertes Flugzeug als Transportmittel. Eigentlich erhoffte man sich ja, so schneller ans Ziel zu kommen – was sich aber als Folge des Drogenimages der Stones durch mitunter stundenlanges Filzen der Zollbehörden als Fehlschluss erwies.
Als größtes Sorgenkind galt Keith Richards, seit damals drei Jahren auf Heroin. Um seinen Erfindungsreichtum, immer neue Verstecke für seinen Stoff auszuhecken, ranken sich bis heute Mythen. Es war auch Keith, der, zumeist im Gespann mit Kumpel Bobby Keys, wie ein Vanadale hauste: TV-Geräte flogen aus dem Fenster, zerlegte Hotelzimmer, wüste Drogenparties nach Mitternacht. Alles festgehalten in Wort und Bild: US-Kultautor Truman Capote sollte einen exzessiven Tourbericht schreiben, litt aber an einer Schreibblockade. Terry Southern lieferte hingegen, ebenso wie sein Autorenkollege Robert Greenfield. Der TV-Talkshow-Host Dick Cavett machte in New York ein Ein-Stunden-Special. Diverse als LP geplante Konzertaufzeichnungen blieben indes ebenso unveröffentlicht wie Regisseur Robert Franks laszive Kinodoku „Cocksucher Blues“ im Cinéma-Vérité-Style mit lüsternen Backstagepartys, herbem Drogenkonsum und handfestem Groupievernaschen. In die Kinos kam stattdessen „Ladies And Gentlemen: The Rolling Stones!“ von Regisseur Rollin Binzer, ein von 16mm auf 35mm aufgeblasener Konzertfilm, aufgezeichnet von Bob Freeze und Steve Gebhardt bei vier Shows der Stones in Texas.