Schon als Kind schrieb ich Charts mit und nahm ohne Ende Songs aus Radio und Fernsehen für eine bald riesige Kassettensammlung auf. Da hätte mir schon früher klar sein können, dass meine Musikbegeisterung nicht ganz normal ist. Doch dann taten es mir 1982 im Radio die Singles aus dem damals aktuellen Fleetwood Mac-Album MIRAGE dermaßen an, dass ich diese Platte einfach haben musste und sie dann so oft hörte, wie man eine LP hören kann, wenn man nur vier hat (die anderen waren neben ein paar Singles AVALON von Roxy Music, A WIE ABBA und WORDS von F.R. David).
MIRAGE-Songs wie ›Oh Diane‹ und ›Straight Back‹ waren einfach perfekter Pop, funkelnd und verführerisch. Vor allem in den mystischen Stevie-Nicks-Song ›Gypsy‹ hatte ich mich so unsterblich verliebt, dass mir schon damals dämmerte: Musik ist nicht nur mein Leben, es ist das Leben selbst. Und Musik öffnet immer neue Türen, was bei MIRAGE im wahrsten Sinne des Wortes für mich Gültigkeit bekommen sollte. Denn ein Schulfreund schenkte mir in bester Absicht eine Hitsammlung der Band. Doch diese stellte sich heraus als THE BEST OF FLEETWOOD MAC von 1971 und enthielt ausschließlich Songs aus der Bandphase mit Peter Green, Jeremy Spencer und Danny Kirwan wie ›Oh Well‹ oder ›Green Manalishi‹ aus den späten 70ern.
Ich entdeckte auf diese Weise eine völlig andere Welt und fand zum Blues(Rock) – genauso wie ich später über die unterbewerteten Fleetwood-Mac-Platten der frühen 70er mit Bob Welch (wie etwa FUTURE GAMES) in den Sound Of The 70ties eintauchte. All diese Fäden führen letztlich zurück auf MIRAGE. Und auch wenn es (noch) bessere Fleetwood-Mac-Platten gegeben hat (ganz zu schweigen von all den anderen Platten anderer Bands, die im Laufe der Jahrzehnte den Weg in meine Sammlung und mein Herz fanden), so gibt es meistens doch nur eine schicksalhafte Begegnung zwischen der Musik dort draußen und der eigenen Biographie, weshalb danach das Leben andere Bahnen einschlägt – so wie mir das 1982 mit MIRAGE geschah.
Text: Dietmar Schwenger