König Liam
„Wer spielt heute hier?“ – „Liam Gallagher.“ – „Liam Gallagher von Oasis?! Woooh. Kannst du uns reinbringen?“ Dieser kurze Dialog spielt vor einem Bauzaun auf der Rückseite der Tonhalle zwischen ein paar Teenager-Mädchen und einem Ordner. Und besser kanns doch gar nicht losgehen! Snapshot aus den 90ern. Der echte Liam Gallagher, von den echten Oasis, der verdammt nochmal größten Band der Welt. Und er ist hier, im Münchner Werksviertel 2020, und man hört ihn schon, und gleich sind wir drin, und er bringts immer noch. Er bringts doch immer noch?
Drin ists finster, zum Brechen voll, eng an eng, Bierbecher über den Leuten in der Luft, wie in feuchtem Dunst alles. Irgendwie Underground-mäßig fast. Liam!Liam!-Chöre. Der erste Weg führt logischerweise zur Bar, der zweite so weit vor zur Bühne, wie man sich halt irgendwie noch durchschlagen kann. ›Shockwave‹ vom neuen Soloalbum läuft grad (wie sich später herausstellt, haben wir ›Rock ‘n‘ Roll Star‹ schon verpasst, was ziemlich ärgerlich ist), und Liam ist mehr oder weniger als verrauchte Silhouette zu sehen, immer wieder verdeckt von in die Höhe gereckten Armen, fliegenden Bechern, den Stahlpfeilern der Halle. Aber selbst wenn man die Oasis-Hochphase in den mittleren 90ern noch nicht bewusst mitbekommen hat, stellt es einem die Haare auf. Wie er da einfach nur steht, und klar steht er einfach nur so da, in seinem riesengroßen, sackartigen Parka, die Hände hinterm Rücken verschränkt, wie er sich zum Mikro vorbeugt, die schneidende Stimme. Was für eine verdammte Ikone der Kerl ist!
Es erstaunt, wie viele die Texte auch seiner Solosachen mitsingen, die größten Reißer sind, klar, die Oasis-Nummern. ›Morning Glory‹, ›Stand By Me‹, ›Live Forever‹, ›Supersonic‹, ›Champagne Supernova‹, ›Cigarettes & Alcohol‹. Er spielt sie alle, und sie hören sich alle an wie von Oasis. Den Vorteil hat er als Sänger natürlich gegenüber Bruder Noel, auch wenn der die ganzen Songs geschrieben und vielleicht auch die besseren Soloplatten gemacht hat. Aber wo Liam ist, da ist die Show. Die Begeisterung hat auch mit Nostalgie zu tun, wie denn auch nicht, aber diese Songs hier jetzt zu hören, die man schon so oft gehört hat, die einen nie runterziehen, ist halt einfach überragend. Als Liam fragt, wieviele Leute aus Manchester hier sind, und ein großes Johlen zurückkommt, ist man sogar ganz sicher, den Unterschied zwischen englischem und deutschem Fußball zu kapieren. Sonst versteht man von den Ansagen übrigens wenig, außer fuck und fuckers. Aber das gehört ja so. Einen besseren Glücklichmacher hätts heut überhaupt gar nicht geben können.
Text: David Numberger