Überraschend virtuos: zwischen Soul Rock und Latin Jazz.
Elektronik von Kraftwerk, Cans versponnene Improvisationskunst, genialer Dilettantismus von Amon Düül II sowie Klangreisen der Kosmischen Kuriere Tangerine Dream, Ashra Temple und Klaus Schulze – Kraut Rock deckt in den frühen siebziger Jahren allerlei Nischen ab. Auch Soul Rock mit dem kleinen Geschmacksverstärker Latin Jazz passt ins Konzept, geliefert vom Berliner Quintett Karthago, das 1971 auf dem frisch gegründeten Label BASF, einer Unterdivision des in Ludwigshafen ansässigen Chemieriesen, seine LP-Premiere feiert. Nach dem exzellenten Debüt KARTHAGO 1st gilt die Formation um den energischen Frontmann Joey Albrecht als für „deutsche Verhältnisse“ erstaunlich virtuose Einheit, die es prinzipiell jederzeit mit den stilistisch nicht unähnlichen Traffic aufnehmen kann, wie nicht nur der Auftakt ›String Rambler‹ unterstreicht. Gitarrist Albrechts entfernt an Steve Winwood angelehntes Soultimbre, kombiniert mit heißen Rhythmen von Percussionist Tommy Goldschmidt, Schlagzeuger Wolfgang Brock und Bassist Gerald Hartwig, verleiht dem handwerklich erstklassigen Songmaterial wie ›I Don’t Live Tomorrow‹ das gewisse Etwas. Ingo Bischofs verjazzte Hammondorgel swingt besonders scharf auf dem Funkmonster ›I Give You Everything You Want‹. Entspannung liefern ›But I Know‹ mit eingeblendetem Vogelgezwitscher sowie das akustisch getrommelte ›Morning Surprise‹. Doch in jener Phase war es äußerst schwer, sich als deutsche Band gegen die angloamerikanische Übermacht durchzusetzen. Viel verkauft wurden weder vom Debüt, noch dem stilistisch ähnlichen Nachfolger. Erkleckliche Verkäufe generiert erst das simplifizierte dritte Werk Rock’n’Roll Testament. Für die auf 2000 Stück limitierte Neuauflage des Debüts wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, um eine möglichst perfekte Replik des aufwändigen Covers zu erzielen. Gut gemacht.