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Jethro Tull: Ian Anderson im großen Jubiläums-Interview

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Jethro Tull: Ian Anderson im großen Jubiläums-Interview

jethro tull

Wenn du die vergangenen 50 Jahre in ihre fünf Dekaden einteilst, was un­­terscheidet sie voneinander? Wa­­ren Jethro Tull in den 70er-Jahren hinsichtlich ihres Selbstverständnisses eine andere Band als in den 90ern oder heute?
Natürlich waren wir in den 70ern eine andere Band als in der Gegenwart. Aber man kann die Geschichte von Jethro Tull nicht auf die einzelnen Dekaden unterteilen, sondern muss das Ganze als fließende Entwicklung sehen. Die 70er waren für die westliche Rockmusik eine extrem wichtige Ära. Eigentlich fing diese Epoche bereits in den späten 60ern mit SGT. PEPPER’S LONELY HEARTS CLUB BAND von den Beatles und THE PIPER AT THE GATES OF DAWN von Pink Floyd an. Hinzu kamen Cream und Led Zeppelin, quasi die Vorreiter jener Bands, die damals groß wurden und deren Mu­­sik, deren Haltung ein laut vernehmbares Echo in der westlichen Welt auslöste. Zum Ende der 70er gab es in den westlichen Gesellschaften dann einen radikalen Wechsel. Neue soziale Strömungen entstanden, die Politik reagierte darauf, vor allem in Amerika gab es zunehmend dramatischere Rassenunruhen, auch die Legalisierung von Homosexualität wurde immer schärfer diskutiert, ebenso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau. In dieser Phase gab es weiterhin starke Wechselwirkungen zwischen der Musik und den Gesellschaften. Ich kann mich noch genau an den Tag in den 90ern erinnern, an dem ich Michail Gorbatschow persönlich gedankt habe, weil er es er­­möglicht hatte, dass die Alben der Beatles und von Jethro Tull 1987 endlich auch in der UdSSR offiziell veröffentlicht werden durften.

Wie hat Gorbatschow darauf reagiert?
Er schaute mich verdutzt an und verstand zunächst wohl nicht, was ich ihm da­­mit sagen wollte. Durch Gorbatschow wurden Glasnost und Perestroika möglich, und damit auch die Chance, als westliche Band in diesem Riesenreich zu spielen.

Bis dahin hattest du es konsequent abgelehnt, mit Jethro Tull in der UdSSR zu spielen.
Richtig. Wir bekamen in den 80ern diverse Anfragen, aber ich weigerte mich, dort aufzutreten, weil mir die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Unterschiede zwischen den Mächtigen und der normalen Bevölkerung zu groß waren. Das alles änderte sich durch Gorbatschow.

Hattest du eigentlich jemals das Ge­­fühl, mit deiner Musik nicht so recht zum jeweils herrschenden Zeitgeist zu passen?
Nein, nie. Ich meine: Ich brauchte fast zehn Jahre, um überhaupt zu lernen und zu verstehen, wie man als Musiker zu sein hat. Als ich es endlich einigermaßen drauf hatte, waren die 70er ja schon fast zu Ende.

Zu diesem Zeitpunkt erlebte der Punk, eine Musikrichtung, die nicht zwangsläufig zum atmosphärischen Folk Rock Jethro Tulls passte, seine Blütephase.
Obwohl der Punk ab Mitte der 70er so richtig populär wurde, geht er letztlich auf die Musik beispielsweise von den MC 5 zurück. Und mit denen haben wir schon 1969 in Detroit gespielt. MC 5 besaßen vielleicht nicht die besten Einzelmusiker, und insofern passte dies zum späteren Punk-Image. Aber nimm nur die Jungs von Police oder von den Stranglers. Diese Burschen waren durchaus gute Instrumentalisten. Außerdem gab Johnny Rotten in einem großen Zeitungsinterview offen und ehrlich zu, Fan von Genesis und Jethro Tull zu sein. Mich wiederum beeindruckte die Simplizität des Punk. Auch daraus konnte man als Komponist und Musiker eine Menge lernen.

Gilt dasselbe auch für die Grunge-Ära?
Ja, im Grunde schon. Das, was in den Me­­dien Grunge genannt wur­­de, also der Sound aus Seattle, umfasste ja auch viele Musiker, die weit über den Tellerrand hinausblickten. Eddie Vedder hat mehr als nur einmal einen Jethro-Tull-Song auf der Bühne gecovert, und auch andere Grunge-Musiker outeten sich als überzeugte Tull-Fans. Um zu deiner ur­­sprünglichen Frage zurückzukommen: Nein, ich habe mich zu keiner Phase meiner musikalischen Laufbahn von irgendwelchen Musikern, irgendwelchen Strömungen abgetrennt gefühlt.

Welche Erinnerungen hast du an die absolute Frühphase deiner Band? Waren die späten 60er die für dich schwierigsten Jahre?
Ja und nein. Damals bildete sich gerade erst eine neue Generation von Musikern heraus. Es wurde zwar in den Clubs be­­reits Blues und Jazz gespielt, aber für die Allgemeinheit war dies noch reiner Un­­derground. Ich dagegen stand nicht übermäßig auf Jazz und Blues, eher auf Klassik und Folk. Viele andere britische Bands wurden von der schwarzen amerikanischen Musik beeinflusst, ich jedoch nicht. Ich machte auf dem ersten Jethro-Tull-Album etwas, wozu ich selbst nicht allzu lange Lust hatte. Deshalb hieß die Scheibe ja auch THIS WAS JETHRO TULL und nicht THIS IS JETHRO TULL. Für mich stand schon damals fest, dass ich anspruchsvoller und ungewöhnlicher werden wollte, stärker in Richtung des so genannten Progressive Rock tendierte. Mir gefiel der Begriff, ich fand schon damals, dass er sehr genau beschreibt, worum es uns ging. Mag sein, dass manche Künstler in diesem Metier dazu neigen, die Songs etwas zu kompliziert anzulegen, aber insgesamt stehe ich absolut zu diesem Begriff.

Auch heute noch? Gilt das progressive Element auch für deine Musik der Zukunft?
Man wird sehen, wohin es mich verschlägt. Niemand kann genau voraussagen, wie sich alles entwickeln wird. Tatsache ist: Es gibt noch zahlreiche an­­spruchsvolle Projekte, die ich realisieren möchte. Aufgrund der Jubiläumsbox habe ich ein bereits fertig gestelltes Al­­bum auf Eis gelegt, es wird zusammen mit einer weiteren Scheibe in nicht allzu ferner Zukunft erscheinen. Ich bin zwar schon 70, und mein 71. Geburtstag ist auch nicht mehr allzu fern, insofern muss man immer berücksichtigen, ob man das alles kräftemäßig durchhält und inwieweit einem Krankheit und Gebrechen einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Für mich galt immer schon: Immer ein Schritt nach dem anderen, und dann schauen, wie weit man kommt.

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1 Kommentar

  1. Die Jubiläen vieler Bands und Musiker meiner Musik-Dekaden sind schöne Begleiterscheinungen des eigenen älter werden ( Jahrgang 1951 ) . Viele dieser musikalischen Zeit-Begleiter sind leider nicht mehr unter uns aber ihre Musik ihre von ihnen geschaffene Musik-Werke sind für uns für mich weiter hin dank vieler Speicher-Medien verfügbar. Trotz der digitalen Speicher und Streaming-Medien bin ich in der glücklichen Lage viele Interpretationen von diversen Bands in Form von Erst-Pressungen, das sind ersten LP- Veröffentlichungen , Neuerscheinungen in meinem Besitz und damit anhörbar in gutem Zustand und mit dem dafür notwendigen Wiedergabe-Equipment zu haben. Diesen exklusiven Genuss gönne ich mir je älter ich werde immer häufiger . Dazu gehört der fast kompletten LP-Back-Katalog von Rory einfach ein Genuss wie genial dieser Ausnahme-Musiker zu Werke ging.

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