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Janis Joplin: Kleine Stadt, große Träume und der kosmische Blues

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Janis Joplin: Kleine Stadt, große Träume und der kosmische Blues

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„Meine Schwester musste sich finden“, so Laura. „Sie hatte noch nicht ihre Bestimmung entdeckt. Ihr Verlangen nach der Musik war immer noch stark. Sie ging zu einem Therapeuten, der versuchte, ihr klarzumachen, dass Musik und Drogen nicht unzertrennlich waren, dass sie das eine ohne das andere tun könne. Für Janis erwies sich das als unmöglich. Doch sie versuchte, es hinzukriegen.“

De Blanc ließ immer seltener von sich hören. Als sie ihn eines Tages an­­rief, ging eine Frau ans Telefon. Janis erfuhr bald, dass er mit einer anderen verlobt war, die schon schwanger von ihm war. Es zerstörte sie. Laura: „Ich denke, es war nicht so sehr seine Ab­­sicht, sie anzulügen, als sie in Port Arthur zu halten, wo sie sicher war und mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Janis mach­­­­te sich gut, sie war schon eine Weile zu Hause, doch sie langweilte sich. Als die Verlobung dann gelöst war, wollte sie zwischen den Semestern am College eine Pause einlegen. Sie fuhr zurück nach Kalifornien, liebte es und kam nie wieder.“

Ende Mai 1966 zog Janis nach San Francisco und hatte eine Mission: es zu schaffen – und zwar so richtig. Chet Helms war mittlerweile ein Clubbesitzer und Manager und arbeitete mit einer neuen Band namens Big Brother & The Holding Company zusammen. Sie suchten eine Sängerin. Janis hörte sich zwei ihrer Songs an und sagte Chet: „Das ist genau das, was ich machen will!“

Zwei Wochen später gab sie ihr De­­büt mit Big Brother im Avalon Ballroom. Schlagzeuger Dave Getz, Bassist/Gitarrist Peter Albin und die Gitarristen Sam Andrew und James Gurley waren schon seit über einem Jahr zusammen und hatten sich mit ihren rauen, bluesigen Instrumentals einen Namen gemacht. Andrew sag­te später: „Wir waren heavy. In den Zeitungen schrieb man ständig über uns. Also taten wir dieser Frau einen Gefallen damit, sie überhaupt für uns singen zu lassen. Sie kam rein und war angezogen wie eine kleine Texanerin. Sie sah nicht wie ein Hippie aus, sondern wie meine Mutter, die auch aus Texas kommt. Singen konnte sie richtig gut, aber es war nicht so, dass wir total überwältigt gewesen wären. Eher war es wohl so, dass sie von unserem sehr lauten Sound überwältigt war. Sie haute uns nicht um und wir sie auch nicht. Da waren wir uns also absolut ebenbürtig. Sie war außerordentlich intelligent und machte immer einen großartigen Job, sang die Songs. Aber es war kein Moment der Erleuchtung, wie man es gern hätte, so wie in einem Film.“

Dennoch kann man nicht leugnen, dass Janis’ Gesang und Büh­nen­­präsenz in den folgenden Monaten in einem Maße erblühten, dem die Big-Brother-Jungs nicht mehr wirklich folgen konnten. Es war, als würden all der aufgestaute Schmerz und das Verlangen aus der Zeit in Port Arthur in einer beseelten Eruption explodieren, beeinflusst und geformt von dem Studium ihrer Idole wie Bessie Smith und Otis Redding. In einem Interview mit dem Magazin „Flip“ schien sie selbst von diesem Wachstum überrascht zu sein: „Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich bin einfach in die Luft gegangen. So hatte ich noch nie gesungen. Früher stand ich stocksteif da und sang ganz einfach, aber vor einer Rockband kann man das einfach nicht bringen. Man muss laut singen, man muss sich wild be­­wegen, wenn man sowas im Rücken hat. Aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, wie man anders auftritt.“

Ein größeres Publikum und wachsende Bekanntheit folgten – für Janis der erste Vorgeschmack auf das Stardasein. Und mitten in diesem Aufstieg kam ihre Familie zu Besuch, um zu sehen, was es mit all diesen Geschichten auf sich hatte. „Wir sahen Janis’ Wohnung“, so Laura, „in der Nähe des Golden Gate Park, und es war eine Hippie-Bude – Matratzen auf dem Boden, Bettdecken im Madras-Muster. Sie hatte gerade Poster machen lassen, ein Bild von ihr, fast oben ohne, auf dem sie Perlen und einen Schal trug. Das ganze Wohnzimmer war mit diesen Postern tapeziert. Wenn man zur Tür rein kam, sah man zunächst nur diese Bilder. Janis sagte: ‚Oh, das merkt man doch kaum, Mutter‘. Sie zeigte uns ihr Viertel, die Boutiquen, und stellte uns Freunde vor. Später an dem Abend nahm sie uns dann mit zu einem Auftritt von Big Brother im Avalon. Und das war … überraschend. Es war schwer zu ver­­stehen. Das war so komplett an­­ders als alles, was wir zuvor gehört hatten.“ Mit einem Lachen fügt sie hinzu: „Als wir aus dem Avalon kamen, sagte meine Mutter zu meinem Vater: ‚Weißt du, Schatz, ich glaube, wir werden nicht mehr viel Einfluss auf sie haben‘.“

Im Juni 1967 traten Big Brother beim Monterey International Pop Music Festival in Kalifornien auf. Schlagzeuger Dave Getz sagte: „Am Anfang versuchte sie nicht, das Ruder zu übernehmen. Sie versuchte wirklich, sich in die Band zu integrieren und ein Teil von ihr zu sein. Doch Monterey Pop war der große Wendepunkt“. Man kann hier tatsächlich eine scharfe „Vorher/nach­her“-Linie durch ihre Karriere ziehen, ganz genau sogar bei ihrer umwerfenden Darbietung von Big Mama Thorntons ›Ball And Chain‹. In diesen acht Minuten wurde ihre Legende geboren. Janis, gefesselt von diesem langsamen Blues in Moll, mit geschlossenen Augen, Mikro an den Lippen, die raue und vielschichtige Soul-Schreie aus ihrem winzigen Körper quetscht, bevor sie in ein Flüstern übergeht.

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