Digitale Aufbereitungtechnik macht es möglich, dass Konzertaufnahmen mit mehr als 40 Jahren auf dem Buckel heute so kristallklar klingen, als wären sie gerade eben erst entstanden. Jüngstes Beispiel: Ein bislang unveröffentlichter Mitschnitt von Janis Joplin und Big Brother & The Holding Company aus dem Carousel Ballroom von San Francisco. Dass Big Brother & The Holding Company und ihre dominante Frontstimme damals so wild, ungestüm und losgelöst klangen, verdankten sie einer umtriebigen Figur der Haight-Ashbury-Szene, die seit 1966 als Toningenieur von The Grateful Dead fungierte: Owsley Stanley. Ein Pelzmützenträger, der feinstes LSD herstellte, aber parallel auch die „Sonic Journals“ pflegte, wie er seine übers Mischpult mitgeschnittenen Konzertimpressionen von nahezu je-der wichtigen Band Friscos ehrfürchtig nannte. Vor allem kümmerte sich Stanley, der 2010 bei einem Autounfall im Alter von 76 Jahren ums Leben kam, um den Sound im Carou-sel Ballroom, der seinerzeit von Musikern der Grateful Dead, Jefferson Airplane, Quicksilver Messenger Service und Big Brother And The Holding Company im Kollektiv geführt wur-de. Big Brother jedenfalls befanden sich an jenem Wochenende im Juni in absoluter Spiellaune. Weniger brillante Virtuosität als ungemein viel Gefühl transportieren ›Combination Of The Two‹, ›I Need A Man To Love‹ und ›Call On Me‹. Janis Joplin, stimmlich unschlagbar, lässt der Seelenpein freien Lauf, wenn sie sich durch George Gershwins Moll-Ode ›Summertime‹ tastet, in ›Ball & Chain‹ den ewigen Ro- senkrieg zwischen Mann und Frau physisch durchlebt oder sich ein Stück ihres Herzens in ›Piece Of My Heart‹ rausreißt, um es selbstlos ins Auditorium zu werfen.
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Janis Joplin & Big Brother & The Holding Company – LIVE AT THE CAROUSEL BALLROOM 1968
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