Vor sechs Jahren ist der lässigste aller Songschreiber gestorben, jetzt erscheint ein Album mit unveröffentlichten Aufnahmen.
J.J. Cale war kein Musiker wie jeder andere. Er lebte zurückgezogen, mal in Häusern, mal in Wohnwagen, mied das Rampenlicht, nahm lieber daheim auf als im Studio und so etwas wie Promotion fand bei ihm quasi nicht statt. Dabei hätte er, der Lieder wie ›Cocaine‹, ›After Midnight‹ oder ›Call Me The Breeze‹ schrieb und damit Kollegen wie Eric Clapton und Lynyrd Skynyrd Hits lieferte, sicher auch selber mehr kommerziellen Erfolg haben können – wenn er denn gewollt hätte. In einem schönen Artikel zu seinem Tod nach einem Herzinfarkt im Jahr 2013 hieß es, er sei „ein unsichtbarer Riese unter den amerikanischen Songschreibern“ gewesen. Das trifft es gut.
Jemand, der mehr über Cale weiß als jeder andere, ist seine frühere Ehefrau Christine Lakeland. Die beiden waren ab 1995 verheiratet, kannten sich aber schon seit 1977. „Ich fand, dass er sehr gut aussah. Er war smart und er brachte mich zum Lachen“, erinnert sie sich an ihr erstes Treffen bei einem Benefizkonzert in Nashville. Der Bassist von Willie Nelson hatte sie miteinander bekannt gemacht. War Cale ein schüchterner Typ?
Nun, er sei einfach sehr auf seine Privatsphäre bedacht gewesen, erzählt Lakeland. „Er wusste: Wenn er die verlieren würde, dann gäbe es kein zurück mehr. Er wollte schon gekannt werden, aber auf keinen Fall die Kontrolle verlieren. Ein normales Leben zu führen, war ihm wichtiger, als berühmt zu sein.“ Auf die Frage, womit er die 80er verbracht hatte, sagte Cale einmal: „Ich habe den Rasen gemäht und Van Halen und Rap gehört.“ Was Lakeland lachend bestätigt: „Wir hatten diesen Rasenmäher, auf dem man sitzen kann, und wenn man damit fährt, macht das irgendwie Spaß. Und er mochte Eddie Van Halens Spiel sehr.“
“Er wollte schon gekannt werden, aber auf keinen Fall die Kontrolle verlieren. Ein normales Leben zu führen, war ihm wichtiger, als berühmt zu sein.”
Seine Frau begleitete Cale jahrzehntelang auf Tour und im Studio an der Gitarre und hat die Lieder für das posthume Album STAY AROUND ausgewählt. „Keep the lights down low, just doing my thing“, heißt es im ersten Stück ›Lights Down Low‹, das im typischen Laid-Back-Sound daherkommt. Effizientes Gitarrenspiel, nur nicht zu viel machen, lautete Cales Devise. Es ist diese lässige, lakonische Mischung aus Blues und Jazz, die als Tulsa-Sound bekannt ist, benannt nach dem Ort seiner Kindheit. Die Zeile aus dem Songtext kann man natürlich als Selbstcharakterisierung sehen. Der Musiker hatte sich Ende der 80er in seinem Haus in Kalifornien ein Heimstudio eingerichtet, wo er allein oder mit Freunden aufnahm. Die meisten seiner Songs schrieb er zuhause, besonders gern in der Küche. Die große Studioproduktion war seine Sache nicht, er mochte es rau, bewusst unperfekt.
Und so wurden auch die Songs auf STAY AROUND genau so übernommen, wie ihr Sänger sie hinterlassen hatte. „Mein Kriterium war es, Musik zusammenzutragen, die nie jemand gehört hat, auch nicht auf YouTube oder Bootlegs“, sagt Lakeland. Und da Cale quasi ständig Songs schrieb und aufnahm, auch wenn er gerade kein Album veröffentlichte, ist das bei ihm gut zu machen. Die Bänder mit den Aufnahmen lagerten teils in seinem Heimstudio, aber auch in Kisten, Schränken und Schubladen verteilt im ganzen Haus. Manches fand sich ganz zufällig.
Die ältesten Stücke der Platte stammen aus den 70ern, die spätesten aus den Jahren vor dem Tod des Songschreibers. Vieles davon ist klassischer Cale: der lockere Country-Blues von ›Chasing You‹, das entspannt-romantische ›Stay Around‹ oder das abgebrühte ›Don’t Call Me Joe‹. Auf ›Tell Daddy‹ kommt ein Steinway-Piano zum Einsatz, auf ›Wish You Were Here‹ das Banjo. Es sind Lieder für Fans, so zurückgelehnt und unaufdringlich wie ihr Schöpfer. „Just doing my thing.“ Ganz genau.