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In Memoriam: Prince (1958-2016)

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In Memoriam: Prince (1958-2016)

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Nein, nein, nein. Einfach nein. Es reicht. Nach all den großen Künstlern, die in den letzten Monaten von uns gingen, musste es jetzt auch noch ausgerechnet der größte von allen sein? Jeder dieser Todesfälle schmerzt, doch noch schlimmer ist, wenn jemand völlig überraschend von uns geht. Prince war mit 57 noch im besten Alter. Er lebte vegan und galt als Gesundheitsfanatiker, der sein Leben lang Drogen verabscheute. Seine scheinbare Alterslosigkeit wurde sogar zum Internet-Meme, und bis zuletzt stellte er auf der Bühne noch um Jahrzehnte jüngere Konkurrenten in den Schatten. Und doch ist es wahr: Am Morgen des 21. April wurde seine Leiche auf seinem Anwesen Paisley Park gefunden. In einem Aufzug. Hoffentlich fuhr er wenigstens nach oben.

Paisley Park. Das war nicht nur der Name dieses Studiokomplexes in Chanhassen oder der Titel eines Songs auf dem 1985er Album AROUND THE WORLD IN A DAY. Es war seine Vorstellung von Utopia, von einer Welt, in der niemand nach seinem äußeren Erscheinen, seinem Geschlecht oder sonstigen Trivialitäten beurteilt wurde, sondern einzig diese gemeinschaftliche Energie namens Liebe zählte. Der Zugang sei einfach, man müsse nur sagen, dass man daran glaube. Er lebte es immer vor. Auch wenn seine frühen Texte noch so schlüpfrig waren, reduzierte er Frauen doch nie auf reine Sexobjekte. Im Gegenteil, über seine gesamte Karriere standen sie neben ihm auf der Bühne, gleichberechtigt, nie zur reinen Staffage degradiert, und für viele wurde er zum Mentor. Ethnien spielten bei ihm ebenfalls keine Rolle, und selbst mit wachsender Religiosität in seinem späteren Leben ließ er sich nie dazu herab, sexuelle Minderheiten oder Nichtgläubige zu verteufeln.

Dasselbe Prinzip wandte er auf seine Musik an. Gab es je einen anderen Künstler, der WIRKLICH so mühelos zwischen allen Genres hin und her flatterte? Prince tat das derart konsequent, dass er nie festgelegt werden konnte und den Heiligen Gral aller Kreativen für sich beanspruchen konnte: sein eigenes Ding. Seine Wurzeln mögen im Soul, R&B und Jazz gelegen haben, doch Kategorien galten für ihn von Anfang an nicht. In einem seiner seltenen Interviews sagte er 1999 zu CNN-Talker Larry King, seine Jugend in Minneapolis habe ihn insofern beeinflusst, als die Stadt in Minnesota einen der niedrigsten Anteile schwarzer Bevölkerung in den USA hatte und er so von Kindesbeinen an alle möglichen Arten von Musik zu hören bekam. Und die Rockgitarre, sie sei nie weit weg gewesen. Neben den Dutzenden anderen Instrumenten, die er scheinbar mit Links beherrschte, war sie geradezu mit ihm verwachsen. Und was er ihr entlocken konnte, ließ selbst Koryphäen wie Eric Clapton neidvoll erblassen.

Was manche Sturköpfe nicht davon abhielt, zu sagen, als Schwarzer sei er eine Art Eindringling im Rockolymp. Nun, solche Leute hatten wohl vergessen, wo die Wurzeln des Rock lagen, eines der frühesten Beispiele des kollektiven sogenannten „Whitewashing“. Prince zeigte ihnen die kalte Schulter und legte das nächste grandiose Album vor. Und ließ dabei doch nie sein Ego die Oberhand gewinnen. Immer wieder huldigte er ehrfurchtsvoll seinen Idolen wie Miles Davis oder James Brown, und auch wenn sein Arbeitspensum berüchtigt war, galt er doch nie als Tyrann. Wenn er beschlossen hatte, mit jemand zu arbeiten, begegnete er ihnen auf Augenhöhe.

So weit, wie er in den 80ern allen anderen voraus war, war niemals zuvor oder seitdem wieder jemand allen anderen voraus.

Beachtlich angesichts der kolossalen Leistung, die er abgeliefert hat. Seine Fans werden auf ewig darüber diskutieren, warum er nach den 80ern keine Genialitäten wie PURPLE RAIN oder SIGN O‘ THE TIMES mehr hervorbrachte, doch was er allein zwischen 1980 (DIRTY MIND) und 1988 (LOVESEXY) vorlegte, ist bis heute unerreicht. Als „imperial phase“ bezeichnet man so eine Goldader im Englischen, und in jener Zeit schwang er wahrlich das beeindruckendste Zepter von allen. So weit, wie er damals allen anderen voraus war, war niemals zuvor oder seitdem wieder jemand allen anderen voraus.

Rock, Pop, Funk, Jazz, HipHop, Prog, Klassik, Gospel, House oder Electronica flossen in seinen psychedelisch-kaleidoskopischen Kosmos, doch was am Ende dabei heraus kam, war immer nur: er. Merke: There aren‘t any rules in Paisley Park. Dasselbe galt für seinen Look. Ob Disco-Stricher, Barock-Casanova oder Sci-Fi-Elfe, er sah doch immer nur aus wie: er. Es gibt im Englischen übrigens einen weiteren Begriff für so eine Hochphase: „purple patch“. Es war der purpleste, den es je gab.

Egal was man von seinen Platten nach jener Zeit gehalten haben mag – als Live-Performer blieb er immer an der Spitze. Ihn auf einer Bühne agieren zu sehen, hieß, die Präsenz einer von einem überirdischen Talent beflügelten Seele zu bezeugen, die nur zufällig gerade menschliche Gestalt angenommen hatte. Jetzt, wo er diese Gestalt wieder abgelegt hat, ist diese unsere umnachtete Daseinsebene um ein großes Stück umnachteter, einer singulären kreativen Kraft beraubt, der reinsten Manifestation musikalischer Energie, die es je gab.

„Life‘s just a party and parties weren‘t meant to last“, sang er auf seinem ersten Welthit ›1999‹. Nun ist er weg und diese Party sowas von vorbei. Doch seine Botschaft bleibt. Wir müssten einander wieder mehr lieben, sagte er, und eine größere Wahrheit kann man nicht aussprechen. Wir sollten nie vergessen, wie einfach das ist: just say U believe – Paisley Park is in your heart.

Danke, Prince Rogers Nelson, für alles, und mögen wir deiner irgendwann mal würdig sein. We wish U heaven.

Text: Matthias Jost

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