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Ghost: Über die Zyklizität des Seins

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Ghost: Über die Zyklizität des Seins

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Die Anonymität hinter der Maskerade gehört schon länger der Vergangenheit an, dem Kult um Ghost konnte diese kleine Realitäts-watsche jedoch nichts anhaben. Dass Tobias Forge als unein-geschränktes Mastermind hinter dem popkulturellen satanischen Spektakel steckt, das aktuell von Papa Emeritus IV angeführt wird, war den meisten Fans eh schon lange vorher klar. Nach einigen Rechtsstreitigkeiten mit diversen „nameless Ghouls“ alias Ghost-Musikern konnte sich Forge während der Pandemie zur Genüge sammeln, um nun sein fünftes Werk auf die Menschheit loszulassen.
IMPERA reiht sich nahtlos ein in den qualitativ hochwertigen Katalog der Band und illustriert das Schaffen eines Künstlers, der mit Fachwissen, Beobachtungsgabe und einem untrüglichen Talent für Arrangements und Melodien nicht bereit ist, das von ihm selbst gesetzte Niveau-Level auch nur einen Millimeter nach unten zu
verschieben. Im Interview mit CLASSIC ROCK erklärt der schwedische Musiker unter anderem, warum sein letztes Album PREQUELLE gar nicht so prophetisch ist, wie es heute in Zeiten einer globalen Pandemie scheint, an welchen Maßstäben sich grandioses Songwriting in seinem Kosmos messen muss und warum alles einem ewig währenden Zyklus aus Wiederholungen unterliegt.

Ihr tourt gerade durch die Staaten. Wie fühlt sich das an?
Es fühlt sich sowohl fantastisch als auch surreal an. Natürlich sind einige der Routinen anders als vorher. Aber wir sind eine ziemlich erwachsene Band, wir sind keine Partytiere, also hält sich die Unerträglichkeit der Covid-Beschränkungen für uns in Grenzen. Trotzdem bin ich absolut dafür, das öffentliche Leben wieder hochzufahren, genauso wie ich total pro Impfen bin. Wenn der kulturelle Betrieb wieder aufgenommen wird, wird es im Großen und Ganzen besser für die Gesellschaft sein. Ich glaube, dass mehr Menschen durch die Maßnahmen als durch Covid-19 leiden.

Und wie läuft es sonst? Trauen sich die Menschen wieder ganz normal raus?
Viele noch nicht. Unter diesen Umständen betrachtet würde ich meinen, dass die Tour wirklich phänomenal läuft. Aktuell spielen wir im Durchschnitt in 5.000er Hallen, wenn wir einen richtig guten Tag erwischen, bekommen wir vielleicht mal eine Venue für 10.000 Gäste voll. Wir sind eine Band, die erst vor wenigen Jahren aus den Clubs herausgewachsen ist, man springt aber nicht gleich von 2.000 Leuten zu 20.000 Leuten. Man hangelt sich von einem ausverkauften, größeren Club zu kleineren Indoor-Arenen. Wir befinden uns also aktuell auf solch einem Terrain.

Wenn wir kurz auf PREQUELLE zurückblicken: Zwei Jahre vor Beginn der Pandemie hast du ein Album über die mittelalterliche Pest veröffentlicht. Wie denkst du heute darüber?
Statistisch gesehen war es eigentlich klar, dass eine Pandemie kommen musste. Das Leben generell und vor allem die Geschichte funktionieren sehr zyklisch. Alles bewegt sich in Kreisen, irgendwie ist alles schon einmal passiert, auch wenn es sich in neuen Formen und Farben präsentiert. Das letzte Mal ist so etwas vor 100 Jahren mit der Spanischen Grippe geschehen. Heutzutage wollen wir gerne glauben, dass historische Ereignisse völlig ihrer eigenen Zeit angehören. Wir wollen denken, dass die Menschen damals barbarisch waren, blöd und religiös, wir hingegen heute alles wissen und alles können, weil wir den Zenit der Zivilisation erreicht haben. (lacht) Das ist ein großer Irrtum. Wir fallen der Vorstellung anheim, dass die Zukunft und die Welt, wie sie existiert, nicht fluide sind.

PREQUELLE war dein bisher größter Erfolg. In welcher Gefühlslage warst du,
als du mit IMPERA angefangen hast?

Tatsächlich war ich in einem komplett anderen Mindset als zu PREQUELLE-Zeiten. Damals ging es mir sehr schlecht, während IMPERA fühlte ich mich sehr gut, obwohl die Welt absolut nicht in Ordnung war. Abgesehen davon ist es schwer zu sagen, wann ich wirklich mit einer neuen Platte beginne, weil ich ständig schreibe. Ich verwende Bruchstücke und Ideen von früher, ich fange nie mit einem weißen Blatt Papier an. Als wir im März 2020 unsere letzte Show spielten, war Corona etwas, das ich in den Nachrichten gesehen hatte. Wie wahrscheinlich viele westlich geprägte Menschen habe ich festgestellt, dass das Ganze weit weg ist und mir nichts weiter dabei gedacht. Ich flog von Mexiko nach Hause, richtete mir ein Studio ein und wollte dann fünf Tage die Woche loslegen. Drei Monate für das Songwriting, dann Auf- nahmen im Sommer. Doch schnell wurde klar, dass es so nicht gehen würde. Irgendwann trafen wir uns also nur noch mittwochs, weil ich mir dachte: „Das hier dauert wer weiß wie lange, ich genieße jetzt also besser die Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen kann“. Ich war die letzten zehn Jahre schließlich immer weg. Im Grunde hatte ich nach den letzten Shows eh schon für ein Jahr ohne Tour vorausgeplant. Ich weiß, dass ich da privilegiert war, denn viele Menschen litten, entweder aus finanziellen Gründen oder weil sie plötzlich zuhause sein mussten. Viele waren alleine oder sie fanden sich in ihrem Zuhause mit einem Fremden konfrontiert. Aber meine Familie und ich haben das gut hinbekommen, wir genossen es. Klar habe ich zwischendurch viel gearbeitet, trotzdem war das eher, als wäre ich ein Vater, der einen Bürojob hat. Für mich war das sehr erfrischend, auch wenn ich weiß, dass sich das für manche provokativ anhören mag. Es war schön, nirgendwo hin zu müssen, einfach mal nichts zu tun zu haben.

Aus welchen Quellen schöpfst du, wenn du textest?
Ich schreibe viel darüber, was ich sehe, höre und lese. Wobei ich gestehen muss, dass ich immer weniger lese, es gibt heute schließlich alles als Hörbuch. Zudem kommt ein Großteil meiner literarischen Kenntnisse aus Filmen. Ich habe die „Ilias“ nicht gelesen, aber ich habe „Jason und die Argonauten“ und Fi lme über Joyce geschaut, ich kenne die Erzählung, die Themen. Was ich damit eigentlich sagen will: Ich konsumiere unglaublich viel Historisches, Filme und Nachrichten. Das in Kombination inspiriert mich dazu, auf meine Umwelt zu reagieren. Im Kontext von Ghost bedeutet das, dass es mich kickt, darauf hinzuweisen, wie ähnlich sich die Gegenwart und die Vergangenheit sind. Die Parallelen sind frappierend.

Denkst du während des Songwritings schon über die Live-Tauglichkeit der Lieder nach? Auch auf IMPERA sind wieder Stücke wie ›Darkness At The Heart Of My Love‹, deren Dramaturgie wie für die Bühne geschneidert scheint.
Normalerweise ist dieses Element immer enthalten, ja. Der erste kreative Funke ist meistens eine sehr intuitive Angelegenheit. Ab INFESTISSUMAM würde ich sagen, dass es eine Korrelation zwischen dem Sound an sich und dem Live-Moment in meinen Gedankenmustern gibt. Das ist wahrscheinlich relativ normal bei Künstlern. Wenn du irgendwann mehr Zeit auf der Bühne verbringst als im Proberaum, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du Songs schreibst, die live gut funktionieren. Bühnentaugliche Stücke zu komponieren ist ein wichtiger Teil meines Jobs. Doch auch heute noch trage ich Kämpfe aus, ich schreibe versehentlich immer noch Nummern, die live nicht wirklich funktionieren.

Findest du, dass das dann auch einer der integralen Bestandteile einer guten Komposition ist?
Wenn ich in meinem Kopf meine Musikbibliothek durchgehe – und da ist alles dabei, von Chart-Stoff bis hin zu Death Metal – haben alle guten Stücke gewisse Dinge gemein: Muster, die sich dramaturgisch gesehen enthusiastisch entwickeln. Es geht beim Songwriting im Grunde ja nur darum, dass ein Muster dem nächsten folgt, sich auf unerwartete Art und Weise entfaltet, doch wenn man es hört, macht es Sinn. Ich persönlich als ein Aficionado von Prog und teilweise sehr bösem Extreme Metal aus den 80ern mag es, die Hörerschaft ein wenig reinzulegen. Nik Kershaw zum Beispiel landete einen Hit mit ›The Riddle‹. Bei genauem Hinhören ein seltsamer Song: Eine eigentümliche Struktur, komische Akkordfolgen, aber da die simple Melodie alles so gut zusammenhält, können sich die meisten Menschen an sie erinnern. Je mehr „al dente“ die Nummer ist, desto einfacher muss die Melodie gehalten werden. Als Mensch, der ständig schreibt, muss ich sagen: Es ist immer eine Herausforderung. Das Interessante daran ist, dass jeder Song dir als Erschaffer ein neues Rätsel aufgibt, es ist ein neuer Mordfall, ein neues Geheimnis, das man entschlüsseln muss. „Wie bringe ich das verständlich rüber? Wie finde ich eine Lösung?“ Ich bin im Prinzip eine Ansammlung von kleinen Details, bei denen ich mir immer die Frage stelle, wie ich sie verständlich präsentieren soll.


Wo ist dir das am besten gelungen?
(überlegt lange) Ich weiß es nicht. Ich beurteile meine Lieder ja nicht nach kommerziellem Erfolg. Ich habe ja auch gefragt, welcher deiner Songs dem, was du gerade erklärt hast, am nächsten kommt. Okay, einer, der meine hohen Standards an Integrität, Ästhetik und Kommerzialität in eine gute Balance bringt, ist wohl ›Cirice‹. Das Stück ist al dente, nicht zu trivial auf die zwölf. Während ›Square Hammer‹ beispielsweise eher Ramones-artig ist. Der sollte unbedingt sehr direkt werden. Als ich den 2015 geschrieben habe, war ich irgendwie genervt davon, dass all unsere Songs immer so kompliziert waren. Ich wollte etwas, das sofort reinfährt, so etwas wie ›The Passenger‹. Danach habe ich immer mal wieder Lieder in dieser Art geschrieben, ›Dance Macabre‹ beispielsweise. Ich muss auch sagen, dass ›Kiss The Go-Goat‹ eine coole Nummer ist. Auch wenn sie sehr konventionell klingt, ist sie das nicht wirklich. Sie hat beispielsweise nur einen Vers und mehrere Refrains, total seltsam. (lacht) So ein Lied würde man eher für einen Film oder einen Werbespot schreiben. Das sehe ich als Pluspunkt an dem Track, weil es eigentümlich ist.

Warum hast du dich dazu entschieden, IMPERA mit so einem ungewöhnlich fröhlich klingenden Track wie ›Kaisarion‹ zu eröffnen? Mal abgesehen vom Text …
Ich wollte das Album mit einem euphorischen „Ruf zu den Waffen“ beginnen. Vorher hört man ja noch ›Imperium‹, das wie eine Art Nationalhymne klingen soll, mit Fanfaren und allem Drum und Dran. Wenn
du dir den Text von ›Kaisarion‹ hingegen ansiehst, entspricht dieser überhaupt nicht dem Vibe des Songs. Das sind die düstersten, bittersten Lyr ics, die ich jemals geschrieben habe

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