In England bezeichnete man sie schon 2009 als Entdeckung des Jahres – jetzt setzten The Gaslight Anthem mit ihrem neuen Werk AMERICAN SLANG endgültig zum Sprung an.
Text: Melanie Aschenbrenner
Amerikanisches Englisch, heißt es, sei die Sprache der Liebe. Bei The Gaslight Anthem-Gitarrist Alex Rosamilia klingt es eher, als würde er gerade Katzenhaarbälle würgen. Das liegt an niemand Geringerem als Bruce The Boss. „Hör mir bloß auf“, schäumt Rosamilia. „Springsteen dies, Springsteen das! Er ist aus Jersey, wir sind aus Jersey – wow! Ja, wir mögen und schätzen einander, aber wir werden in absehbarer Zeit keine Supergroup gründen, okay?“ Damit singt er ein anderes Lied als sein Sänger Brian Fallon, der den Boss vergangenes Jahr in Glastonbury begleiten durfte und seither aus dem Schwärmen nicht mehr rauskommt. Klar, dass da die Bruce-Fragen nicht abreißen. Die Vergleiche mit ihm auch nicht. Und egal, wie viele Anfälle Rosamilia noch bekommt – völlig aus der Luft gegriffen sind sie nicht. Ob es an Kollege Fallons heiserem Organ liegt? Oder am Sepia-Ton ihrer Songs, die mehr nach „oral history“ aus dem Museum für Arbeiterkultur klingen denn nach tätowierten Punks?
Benannt nach dem legendären „Gaslight“-Club in Greenwich Village, wo einst Dylan, Hendrix und, ähem, Springsteen spielten, haben The Gaslight Anthem sich jedenfalls zu honorigen Geschichtenerzählern gemausert. Das zeichnete sich bereits auf dem Durchbruchs-Album THE ’59 SOUND von 2008 ab, das ein Jahr nach dem Debüt SINK OR SWIM erschien.
Ihr drittes Album AMERICAN SLANG nun ist im Februar mit Ted Hutt in den New Yorker Magic Shop Studios entstanden und klingt so vertraut wie ein altes Samtsofa: ein bisschen fleckig, aber bequem. Fadenscheinig, aber mit Golddollars unterm Kissen. Und lebten wir in einer besseren Welt, würden die Songs von Fallon, Rosamilia, Bassist Alex Levine und Drummer Benny Horowitz längst im Radio rauf und runter laufen, als Antidot gegen das allgegenwärtige Plastik.
Diesen warmen Sound verdankt AMERICAN SLANG vor allem den Vintage-Gitarren aus dem Fundus von Bennys Vater, einem guten Dutzend Röhrenverstärkern und, zur Würze, untypischen Instrumenten wie Mellotron und Harmonium, an denen Alex sich austobte. „Das war grandios!“, erinnert er sich lachend. „Was für ein Sound! Klavier und Wurlitzer habe ich auch gespielt, aber im fertigen Mix hörst du das alles kaum noch; sie sind weit nach hinten gemischt. Sie sollten nur Textur geben.“ Dass der Platte dadurch mehr als nur ein Hauch Nostalgie anhaftet, bestreitet Rosamilia indes: „Unsere Alben entwickeln sich eines aus dem anderen. Gut, du kannst nicht voranschreiten, ohne die Geschichte zu kennen, aber retro sind wir deswegen noch lange nicht.“
Da können der Titeltrack, ›The Queen Of Lower Chelsea‹, ›Boxer‹ und ›The Spirit Of Jazz‹ gern mit Schiebermütze (wahlweise Latzjeans), Karohemd und Dreitagebart ankommen: The Gaslight Anthem betrachten sich unverändert als Punks mit Wurzeln in der Hardcore-Szene. „Auf ihre Art sind die Songs ja immer noch aggressiv“, beharrt der Gitarrist. „Wir sind einfach bessere Musiker geworden. Dadurch fiel nur der erste, rohe Ansatz weg. Sobald du dein Instrument beherrschst, kannst du dasselbe auch in leise sagen, statt gegen drei Akkorde anzuschreien.“ Brians Texten kommt das nur entgegen: Seine Vignetten sind schwanger von der Luft der Hinterhöfe, in denen man seine Träume zusammen mit dem Feinripp zum Trocknen hängt. Wenn das mal nichts von Springsteen hat.