Noch mehr Schmerz für Herrn Fallon, bitte!
Es gibt zwei Wege, mit tiefem Schmerz umzugehen. Man kann ihn ignorieren oder sich ihm in vollen Zügen hingeben. Brian Fallon ist der unangefochtene Meister der zweiten Methode. Auf GET HURT, dem Nachfolger ihres 2012er-Albums HANDWRITTEN, gehen Fallon und seine Gaslight Anthem damit erneut bis hin zur feierlich melancholischen Vergötterung der eigenen Verletztheit und Verletzlichkeit. Soweit ist emotional und lyrisch alles beim Bekannten geblieben.
Doch welchen Fortschritt bietet das Album, von dem Fallon meint, man wollte damit die geschmacklichen Grenzen der Gaslight-Anhänger ausloten? Ganz klar, es ist ihnen gelungen, sich weiterzuentwickeln. Sie sind experimenteller und extremer geworden: mal riffiger, ruppiger (›Stay Vicious‹, ›Rollin’ And Tumblin’‹, ›Ain’t That A Shame‹), mal softer, mit großem Wert auf Atmosphäre (›Underneath The Ground‹, ›Get Hurt‹). Am einen Pol von GET HURT herrschen übereinander liegende, dicke Gitarren und ein cool wütender Brian Fallon, am anderen sind es gehauchte (Kopfstimmen-)Chöre von eben diesem und glockenspielartige Reverb-Gitarren-Pickings, die ein Pathos schaffen, das beinahe Killers-Niveau erreicht. Ist das schlimm? Nein! Nach dem ersten Schreck wird einem klar, dass The Gaslight Anthem trotz aller Weiterentwicklung (nicht nur schlichter Veränderung) kein Gramm ihres Naturells verloren haben. Den hoffentlich wenigen unverbesserlich am Alten festhaltenden Fans zeigen sich The Gaslight Anthem dann sogar auch nochmal versöhnlich und schenken ihnen mit dem reduzierten und bittertraurigen ›Break Your Heart‹ und dem solide posthardcorigen bis folkrockigen ›Dark Places‹ die Gaslight Anthem von früher.