Ehescheidungen, Koksnasen und Gerüchte – die künstlerische Runderneuerung einer tot geglaubten Blueslegende.
Fleetwood Macs Entwicklung von Londoner Blues-Puristen zu ausgebufften Westcoast-Harmonikern dürfte einmalig sein. Wohl keine andere Band spiegelt derart perfekt den jeweiligen Zeitgeist wider wie die Band um die einstige Rhythmussektion von John Mayall’s Bluesbreakers, Schlagzeuger Mick Fleetwood und Bassist John McVie. 14 Musiker durchliefen seit 1967 das Unternehmen, das trotz anfänglicher Erfolge unter Leitung von Peter Green erst ab Mitte der siebziger Jahre mit einem Album zum Weltereignis avancierte, das sich bis heute rund 40 Millionen Mal verkauft hat: RUMOURS. Schon der auf Pop statt Rock und Blues geeichte Vorgänger FLEETWOOD MAC von 1975, auf dem das kalifornische Duo Stevie Nicks und Lindsay Buckingham seinen Einstand gab, sprengte mit 1,5 Millionen Exemplaren alle bisherigen Verkaufszahlen. Was in den sechziger Jahren noch wild, laut und experimentierwillig in den Kinderschuhen steckte, war nun erwachsen, respektabel und ein lukratives Geschäft.
Allerdings kracht es 1977 schon im Gebälk: Stevie versteht sich mit Lindsay nicht mehr, Christine McVie nicht mehr mit Ehemann John und Mick Fleetwoods Ehe mit Jenny, der Schwester von George Harrisons er-ster Ehefrau Patti Boyd, steht ebenfalls auf der Kippe. Da hilft es wenig, dass Miss Nicks für kurze Zeit Herrn Fleetwood als heimliche Seelentrösterin beisteht.
Mit einem emotionalen Geflecht am Rande des Wahnsinns begeben sich Fleetwood Mac in Sausalito dennoch ins Studio. Zwangsläufig setzen sich kreative Kräfte frei, die unter anderen Vorzeichen wahrscheinlich nie so pointiert ausgefallen wären. Der plakative Titel RUMOURS deutet lediglich an, was da an inneren Querelen, versteckten Streitereien, offenen Heulkrämpfen, spontanen Nervenzusammenbrüchen und im-mensem Konsum von Uppern und Downern an der Tagesordnung war. RUMOURS bricht allerdings sämtliche Band-Rekorde und verkauft sich im ersten Jahr rund 15 Millionen Mal. Als Evergreens etablieren können sich nicht nur die Hitsingles ›Go Your Own Way‹, ›Dreams‹, ›Don’t Stop‹ und ›You Make Loving Fun‹, sondern auch die Key-Alben-Tracks ›Second Hand News‹, ›The Chain‹, ›Oh Daddy‹ und ›Gold Dust Woman‹.