0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

The Doors – Die Geburt des Lizard King

-

The Doors – Die Geburt des Lizard King

Photo of Jim MORRISON of The DOORSSie waren als Pop-Phänomen in den „Summer Of Love“ gestartet und beendeten ihn in einem Wirbelwind aus Alkohol, LSD und entfesseltem Hedonismus. Dazwischen schafften The Doors es dennoch, ihr unbesungenes Meisterwerk aufzunehmen. Dies ist die Geschichte von STRANGE DAYS und dem Wahnsinn von Jim Morrison.

New York, April 1967, die Ondine Discotheque in der 59th Street. An der Bar steht ein 23-Jähriger, der sich doppelte Wodka-Orange hinter die Binde kippt: Jim Morrison, Sänger der aufstrebenden Doors, die gerade die Hälfte ihres dritten Engagements im Ondine absolviert haben. In seinem neuen schwarzen Lederanzug und mit seinem teefarbenen Haar, das in engelsgleichen Löckchen in sein Gesicht fällt, sieht er genau so aus, wie man sich heute, 45 Jahre später, an ihn erinnert: der Rockgott in seiner gestellten Kreuzigungspose, genagelt an das Kreuz seiner eigenen, unantastbaren Schönheit.

Daneben steht Andy Warhol, der Morrison völlig verfallen ist, seit er ihn einige Monate zuvor erstmals sah. Warhol will Morrison in einem seiner Filme auftreten lassen, nackt und umgeben von Warhols Factory-„Girls“. Einige von denen sind nicht mal Frauen, doch gute Fälschungen. Andere, wie Nico, sind so atemberaubend schön, dass Morrison bald eine kurze Affäre mit ihr anfangen wird.

Warhol, normalerweise nie verlegen, sich den Schönen und Verdammten vorzustellen, traut sich nicht, Morrison anzusprechen. Er hat zuviel Angst davor, was passieren könnte, wenn er den Rockgott ablenkt von den beiden anwesenden weiblichen Fans. Eine von ihnen hat den Penis des Sängers im Mund, während die andere sich die Bluse aufknöpft, damit Morrison betrunken ihre Brüste betatschen kann. „Oh je“, seufzt Warhol, seine Standardphrase in jeder Situation, die ihn überfordert. „Ich werde wohl später mit Jim reden.“ Doch dieses Später kommt nie, zumindest nicht auf dieser Reise.

Obwohl Morrison mit den Doors gerade vor dem Durchbruch steht, gerät sein Leben abseits der Bühne völlig außer Kontrolle. Er mag wie ein dekadenter Engel aussehen, doch im Innern kämpft er darum, überhaupt seinen Kopf über den dunklen Gewässern zu halten, in denen er sich nun befindet. Er ist gefangen zwischen seiner idealistischen Vision des hedonistischen Rockpoeten und Künstlers und den bodenständigeren Erwartungen der Plattenfirma Elektra, die mit ›Light My Fire‹, der zweiten Single vom selbstbetitelten Doors-Debüt, bald den größten Erfolg ihrer Geschichte verbuchen wird.

Obwohl niemand es ausspricht – zumindest nicht gegenüber der Band –, weiß man bei Elektra und überall sonst im Musik-Business, dass dies der große Durchbruch für die Doors wird und sie Narren wären, wenn sie nicht so schnell wie möglich daraus Kapital schlagen würden. Ein Nachfolgewerk muss her. Innerhalb weniger Wochen wird man die Doors zurück nach Los Angeles fliegen und ins Sunset-Sound-Studio verfrachten, jenen gesichtslosen Vierspur-Bunker, wo sie ihr erstes Album aufgenommen hatten. Die Sessions zum zweiten Album werden abgebrochen, als ›Light My Fire‹ Platz 1 erreicht, aber erst, nachdem die Doors zwei Tracks aufgenommen haben, die auf ihrer nächsten Single landen: ›People Are Strange‹ und ›Unhappy Girl‹. Jeder steht auf die neuen Songs. Was noch keiner weiß: Dies ist erst der Anfang von etwas, das ungleich mehr werden wird als nur der hastig nachgeschobene Nachfolger eines Debüthits, nämlich das unbesungene Meisterwerk der Doors: STRANGE DAYS.

Doch im Augenblick ist Morrison sich kaum seiner Gegenwart bewusst, geschweige denn seiner Zukunft. Wenn er nicht trinkt, ist er auf Trip, und wenn er auf Trip ist, trinkt er immer noch. Zerrissen von den Launen seiner Langzeitfreundin Pamela Courson, die in L.A. angefangen hat, mit einem seiner Saufkumpel zu schlafen, ist Morrison auf der Pirsch, aber nicht frei. Jeden Abend bleibt er nach dem Auftritt der Doors im Club und trinkt, bis er ohnmächtig wird, zu einem Taxi getragen und in seine Wohnung an der 45th Street gefahren wird. An den meisten Tagen wacht er mit mindestens einem, manchmal zwei oder drei Groupies in seinem Bett auf: Mädchen, deren Namen er nicht kennt oder sich je die Mühe machen wird, sie zu erfahren. Eines Nachts gegen 4 Uhr, betrunken und auf Trip, beschließt Morrison, Jac Holzman zu besuchen, den Chef von Elektra. Er hämmert an seine Tür, um hineingelassen zu werden, während Jac und seine Familie drinnen um ihre Leben fürchten.

Selbst für das „Anything goes“-Rockmilieu der späten 60er sind das schlimme Ausfälle. Doch Morrison ist das egal. Das einzige, worum er sich nach eigener Aussage schert, sind seine Musik und seine Poesie. Der Rest der Band – Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore – kann nur zusehen. „Weißt du, Selbstzerstörung und Kreativität müssen nicht Hand in Hand gehen“, bemerkt Densmore heute reumütig. „Picasso wurde 90. Doch bei Jim kam beides zusammen, also musste ich es akzeptieren. Das mussten wir alle.“ Krieger fügt hinzu: „Es war nicht immer leicht mit Jim. Es war es wert wegen der Dinge, die wir daraus gewonnen haben. Aber es wäre wesentlich leichter gewesen, wenn er einfach nur ein normales Genie gewesen wäre.“

Genie oder nicht: Jim Morrison war nie das, was Mitte des 20. Jahrhunderts als normale Person durchgegangen wäre. Als ältester Sohn des Konteradmirals George Morrison der US-Navy war er als gebildetes, aber ichbezogenes Kind aufgewachsen, das zur großen Enttäuschung für den Vater wurde, als er in Los Angeles Film studierte, statt in die Familien-Fußstapfen zu treten und auf das Marine-College zu gehen. Dort traf er den professorenhaften Ray Manzarek, der sich schon mal mit seinen Brüdern daran versucht hatte, eine Rockband zu gründen. 1965, als er am Venice Beach auf Trip war, sang Morrison Manzarek die erste Strophe des Lieds vor, das zu ›Moonlight Drive‹ werden sollte. Bekanntermaßen sagte Manzarek, er habe „Dollarzeichen gesehen“, als Morrison ihm diese Strophe noch ohne musikalische Begleitung schmachtend vorsang. Morrison, ebenso bekanntermaßen, sah nur Sterne.

Die Band, die sie gründeten, The Doors, trat gerade zu jener Zeit auf den Plan, als Rock so furchterregend individualistisch war wie nie zuvor. „Wir machten unsere eigenen Regeln“, erklärt Manzarek in seinem tiefen Bariton am Telefon aus seinem Zuhause in nordkalifornischen Napa Valley. „Da wir LSD genommen hatten, hatten wir die Türen der Wahrnehmung geöffnet. Und wir haben gesehen, dass wir jeder Generation vor uns mindestens ebenbürtig, vielleicht sogar überlegen waren – dass wir alles tun konnten. Und wir waren so motiviert vom Leben und seinen Möglichkeiten, dass wir aus allen Nähten platzten, geistig und libidonös. Wir barsten über vor Leben.“

Anfang 1967 war das Debüt der Doors fertig zur Veröffentlichung. Heute wird es als Meilenstein der Rockgeschichte angesehen, doch erst im April dieses Jahres, nachdem Produzent Paul Rothchild Robby Kriegers siebenminütiges ›Light My Fire‹ halbiert hatte, um daraus die zweite Single – und erste Nummer Eins – der Band zu machen, wurden die Doors außerhalb der damals fast klaustrophobischen L.A.-Szene bekannt. Zur selben Zeit begann Morrison, der College-Abbrecher und Hippie-Hollywood-Rebell, seine Verwandlung zum Lizard King, geprägt von diesem Keiner-kommt-hier-lebend-raus-Rockbewusstsein, das sowohl seine Legende aufbauen als ihn auch seiner Sinne berauben sollte, bis nichts mehr übrig war als eine aufgedunsene Leiche, die in einer kalten Badewanne schwamm.

Der Erfolg von ›Light My Fire‹ stellte sich ein, als Morrison erstmals mit seinem neuen schwarzen Leder-Outfit auftrat. Nur sechs Monate zuvor war die Band auf Pressebildern in Mod-Anzügen und mit ordentlich gestyltem langen Haar abgebildet worden. Jetzt, während ihr erstes Album die Charts erstürmte, zierten sie die Titelblätter von Magazinen, galten als Inbegriff einer dunklen, geheimnisvollen Coolness. Morrisons Neo-Gothic-Gesangsstil und Manzareks geisterhafte, kathedralenartige Orgel transportierten eine weitaus nebelverhangenere Atmosphäre als der farbenfrohe Pop der Beatles. Wenn SGT. PEPPER den Aufstieg des Pop zu hoher symphonischer Kunst symbolisierte, stellten sich die Doors solchem Positivismus entgegen. Sie bauten dabei auf das zunehmende „Wir gegen sie“-Gefühl einer Generation junger Amerikaner, die fürchtete, nach Vietnam geschickt zu werden.
Oberflächlich betrachtet, schienen die Doors also wie keine andere Band das Lebensgefühl ihrer Zeit zu repräsentieren. Manzarek wiegelt ab: „Es gab wirklich keinen Plan. Es freute uns, dass unsere Platte so gut lief, aber das war nicht das, was uns voran trieb. Es war der Gedanke daran, was wir als Nächstes tun könnten. Plötzlich fühlte es sich an, als könnten wir alles tun…“

Als erstes nahmen sie ›People Are Strange‹ auf, ein Stück, das Morrison und Krieger zusammen geschrieben hatten. Es entsprang einem schlechten Trip, den Morrison in ihrer winzigen Villa auf einem Hügel in Laurel Canyon erlebte und von dem er nur durch Kriegers beruhigende Worte um fünf Uhr morgens wieder runterkam. „Er sprach davon, sich umzubringen und solches Zeug“, erinnert sich Krieger mit zerbrechlicher Stimme, als er aus einem Hotelzimmer in Miami ins Telefon flüstert, wo er gerade Promotion für die neue Doors-DVD LIVE AT THE HOLLYWOOD BOWL macht. „Also beschlossen wir, zum Anfang des Laurel Canyon zu gehen. So nach dem Motto ‚lass uns da hoch gehen und uns den Sonnenaufgang anschauen’. Und als die Sonne dann aufging, hatte er plötzlich diese Idee, dass wenn du seltsam bist, andere Leute auch seltsam sind. Das ganze Konzept war ihm einfach so durch den Kopf geschossen – ‚Oh, ich habe eine Idee für einen Song!’, weißt du – und eine halbe Stunde später hatten wir ihn.“
Nicht alle derartigen Episoden endeten so harmonisch. Morrison liebte Krieger, aber er hasste ihn auch dafür, dass er ›Light My Fire‹ geschrieben hatte. Wo auch immer der Sänger war, klopften ihm Leute auf die Schulter und dankten ihm dafür, ein Lied geschrieben zu haben, dessen Text er nur mit Mühe auswendig gelernt hatte. Fertig werden konnte er damit nur, indem er ohne Rücksicht auf Verluste Dampf abließ. Am Sunset Strip wurde er eines Abends während der ersten STRANGE-DAYS-Sessions wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit festgenommen. Er düpierte Janis Joplin, als er bei einer Party in Hollywood plötzlich ihr Gesicht in seinen Schritt drückte. Als er es als Witz darstellen wollte, zertrümmerte sie eine Flasche Southern Comfort an seinem Kopf und nannte ihn ein Arschloch. „Ich bin ein Arschloch!“, schrie er, als sie davon stürmte und ihm den Mittelfinger zeigte.
Es war eine Erleichterung, als die ersten STRANGE-DAYS-Sessions unterbrochen wurden, weil die Band wieder auf Tour ging, um ihren großen Hit zu promoten. Ihr junges Management-Team, das von diesem plötzlichen Erfolg überfordert war, buchte überall Gigs. Überall, außer bei dem größten Konzert-Event dieses langen, psychedelisch-bunten Sommers: Monterey Pop im Juni. Bis heute ärgert sich die Band darüber. „Als Monterey Pop lief, saßen wir für drei Wochen im Scene-Club in New York fest“, so Krieger.

Es muss ziemlich weh getan haben, Monterey zu verpassen – ein Festival, das nicht nur in der kalifornischen Heimat der Band stattfand, sondern mit Jimi Hendrix, The Who, Otis Redding und Ravi Shankar im Line-up auch als einer der historischsten Momente der Musikgeschichte gilt.

„Oh ja“, sagt Krieger mit zitternder Stimme. „Wenn mir das damals klar gewesen wäre, wäre ich wohl richtig wütend gewesen. Aber wir ahnten nicht, dass Monterey zur Legende werden würde. Wir hatten keine Ahnung.“
Erst später erfuhr die Band, dass Lou Adler, einer der Hauptorganisatoren des Festivals, angeblich verhindert hatte, dass die Doors gebucht werden – aus Rache für den Einschüchterungsversuch eines betrunkenen und fluchenden Morrison aus dem Vorjahr, als Adler eines der frühen Demotapes der Band abgelehnt hatte.

Also verbrachten die Doors trotz ihres wachsenden Erfolgs den Großteil des Summer Of Love in New York, wo sie im Village Theater an der 2nd Avenue und in anderen, kleineren Hallen spielten. Albert Goldman, Kritiker beim „Life“-Magazin, war so beeindruckt von dem, was er in den Doors sah, dass er über Nacht beschloss, statt über Jazz fortan über die aufstrebende Rockszene zu schreiben. Goldman, der später mit seinen reichlich schlüpfrigen Biografien über Elvis Presley und John Lennon berühmt werden sollte, schrieb Morrisons Proklamationen auf und präsentierte sie in „Life“ als die Tafeln, die der neue Moses der Musik vom Berg des Rock mitgebracht hatte. „Wir sind eigentlich Politiker“, sagte Morrison allen Ernstes zu Goldman. „Man könnte uns als erotische Politiker bezeichnen… ein Doors-Konzert ist tatsächlich eine öffentliche Versammlung, die wir für eine besondere Art von dramatischer Diskussion und Unterhaltung einberufen haben.“ Das Publikum „geht nach Hause und interagiert mit seiner Realität, und dann bekomme ich das alles zurück, indem ich mit dieser Realität interagiere.“

In New York begann Morrison, der selbsternannte Prophet des Summer Of Love, eine unmögliche Affäre mit Nico, der teutonischen Eiskönigin und Mitsängerin bei New Yorks gefeiertster, aber unberühmtester Band, The Velvet Underground. Der Rock-Orthodoxie nach verachteten The Velvet Underground und ihre Anhänger – vor allem aber ihr giftiger Sänger Lou Reed – alles, wofür die Doors standen. Als Reed vier Jahre später von Morrisons Tod erfuhr, ätzte er: „Er starb in einer Badewanne? Wie glamourös…“

Doch im Juli 1967 hatte Morrison noch nichts von Reed und seiner Band mitbekommen. The Doors waren im Höhenflug und verkauften mehr Platten in einer Woche, als Velvet Underground in ihrer gesamten Karriere, und als Morrison Nico sah, musste er sie einfach haben. Er liebte ihr platinblondes Haar und ihren starken Berliner Akzent. Er liebte, dass sie zu Warhols Klüngel gehörte, in Europa Zeit mit Regisseur Federico Fellini verbracht hatte und älter war als er. Aufgrund ihrer kristallenen Schönheit und ihres metallischen Akzents machten sich andere – inklusive eines eifersüchtigen Reed – über sie lustig und sagten, sie habe kein Herz wie andere Frauen. Doch jetzt gab Nico ihr Herz Jim Morrison.

Sie war fünf Zentimeter größer als er, hatte breitere Schultern, größere Beine und Hüften, und wenn sie auf Morrisons Gesicht saß – was sie am liebsten tat –, erstickte er fast. Er war verrückte Frauen, Groupies und Mitläufer gewohnt, aber Nico war anders und Morrison bot ihr Hilfe beim Songschreiben an. Viele dieser Stücke landeten später auf ihrem Soloalbum THE MARBLE INDEX. Lieder mit einem unleugbaren Morrison-Touch wie ›Lawns Of Dawns‹, ›Frozen Warnings‹ und ›Evening Of Light‹ – für die sie ihm letztlich keinerlei Würdigung anbot, weder auf der Plattenhülle noch in Interviews.

Als Nico ihr platinweißes Haar rot färbte – wie das von Morrisons Freundin Pamela Courson –, brach er in Tränen aus. „Er war der erste Mann, den ich liebte“, beklagte sie später. „Ich wollte mich seinem Geschmack anpassen… wie ein Teenager oder so.“

Doch Morrison – der stets alles, was ihm passierte, in Form von Gedichten oder Skizzen in Notizbücher schrieb – erwähnte Nicos Namen kein einziges Mal in seinen Tagebüchern. Es war, als hätte sie außerhalb seiner Drogenfantasien nie existiert. Schließlich hielt die Beziehung nur etwa einen Monat. Pamela Courson wusste, wo Morrison war. Und mit wem. Als sie selbst eine öffentliche Affäre mit dem Hollywood-Schauspieler John Phillip Law begann, kam Morrison wieder zur Vernunft. Eines frühen Morgens, als Nico noch schlief, stieg er in sein Auto und fuhr zurück nach L.A.. Nico, völlig zerstört, färbte ihr Haar in einem noch dunkleren Höllenrot.

Erst im August 1967, als Morrisons Affäre mit Nico an ihrem Tiefpunkt anlangte, kehrten die Doors nach L.A. und ins Sunset-Studio zurück, um wieder ernsthaft an STRANGE DAYS zu arbeiten. Nachdem sowohl ›Light My Fire‹ als auch THE DOORS die Spitze der US-Charts erklommen hatten, herrschte großer Druck, einen weiteren Hit zu schreiben. Doch Elektra und Produzent Paul Rothchild taten ihr Bestes, um die Band von äußerer Einflussnahme abzuschotten.

„Trotz des Drucks würde ich sagen, dass diese Aufnahmen uns am meisten Spaß gemacht haben“, sagt Densmore heute. „Erstens hatten wir ja beide Platten schon geschrieben, bevor wir überhaupt ins Studio gingen – 30 oder 40 Stücke. Aber beim ersten Album waren wir noch etwas eingeschüchtert vom Studio. Das war nicht unser Territorium. Wir mussten lernen, wie man Platten macht. Und ich würde sagen, dass wir beim zweiten Album entspannter waren und begannen, das Studio als fünftes Mitglied der Doors zu betrachten. Ich glaube, wir hatten ein Exemplar von SGT. PEPPER und waren wirklich inspiriert, mit dem Studio zu experimentieren, rückwärts laufende Piano-Tracks zu machen und viel Spaß zu haben.“

Manche Stücke entstanden leichter als andere. ›My Eyes Have Seen You‹ stammte noch von dem Demo, das ihnen im Jahr zuvor den Vertrag mit Elektra eingebracht hatte. Nun klang es jedoch wesentlich aggressiver, mehr Stones-artig mit seinem Barrelhouse-Piano und den Tequila-Sunset-durchtränkten Gitarren. Die Vocals auf dem Titelstück waren angemessen abgehoben, passend zur Atmosphäre aus Angst, Mysterium und der Jagd nach einem neuen Morgen. ›Moonlight Drive‹, das allererste Stück Musik, das Morrison Manzarek je vorgesungen hatte, erwachte zu neuem Leben, vor allem auch dank des neuen Moog-Synthesizers und eines abgedrehten Solos von Krieger.

Dennoch konnte nicht mal Morrison den Erfolgsdruck ignorieren. Wie immer war Alkohol sein bevorzugtes Mittel gegen den Stress, doch die Trinkerei wurde nun richtig ernst. Währenddessen traten sie weiterhin auf, was den Druck erhöhte und ihnen keine Ruhepausen ließ. Nach einer spektakulär missratenen Show als Vorgruppe von Simon & Garfunkel im Queen’s im August 1967 betrank sich Morrison in einer irischen Bar so heftig, dass er gar nicht erst nach Hause fuhr – er blieb einfach und trank auch noch den ganzen nächsten Tag durch. Ein anderes Mal landete er bei irgendjemandem auf dem Sofa, wo er anfing, ein neues Gedicht namens ›Celebration Of The Lizard‹ zu rezitieren, an dem er seit Monaten gearbeitet hatte…

Im Studio, bei der Arbeit auf der neuesten Achtspur-Anlage, dimmte Rothchild das Licht, brannte Räucherstäbchen ab, zündete Kerzen an und erlaubte der Band, Gras zu rauchen und zu trinken – Hauptsache, für jedes Lied wurde die richtige Stimmung eingefangen. Das einzige, was sie sich verkniffen, war LSD bei der Arbeit.

„Nein, nein, nein, nein, nein!“, sagt Manzarek, empört von dem Gedanken. „LSD war ein heiliges Sakrament, das man am Strand in Venice nehmen musste, unter der Wärme der Sonne, in der Nähe unseres Vaters, der Sonne, und unserer Mutter, des Ozeans, und man begriff, wie göttlich man war. Das war keine Unterhaltungsdroge. Man konnte einen Joint rauchen und Musik spielen, wie das die meisten damals taten. Aber LSD musste man in der Natur nehmen. Da ging es darum, die Türen der Wahrnehmung zu öffnen. Wahrzunehmen, warum wir auf diesem Planeten am Leben sind, woher wir kommen, wohin wir gehen. Diese grundlegenden menschlichen Fragen zu beantworten, die sich die Leute stellen. Und diese Information dann zurück in den Proberaum zu bringen, ins Studio, seine Musik zu erschaffen, seine Lieder, seine Worte. Das tat man nicht, während man auf LSD war. LSD war das Fundament. Psychedelische Drogen waren das, auf dem man alles aufbaute.“

„Jedes Lied hat seinen eigenen Klang“, fügt Manzarek hinzu. „Das erste Album war wie eine Show im Whisky A Go Go. Im Prinzip war es nichts anderes. Aber auf STRANGE DAYS begannen wir unsere Vielseitigkeit zu zeigen. Darum geht es doch. Mein Gott, ich spielte ein komplettes Stück rückwärts! Ich schrieb die Akkordfolge zu ›Unhappy Girl‹ auf, dann begann ich unten rechts auf der Seite und spielte nach links und oben…und ich dachte, ‚Oh Gott, lass mich im Takt sein’. Als ich fertig war, ging ich zurück ins Studio und wurde mit einer Runde Applaus empfangen. Es klang toll, aber es war verrückt. Es war total verrückt! Es war Jugend, die keine Vorstellung von ihren Grenzen hat…“

Oder ihrer Verantwortung – zumindest Jim Morrison. Als es an die Aufnahmen zum Schlüsselstück des Albums ging, der zehnminütigen Hymne ›When The Music’s Over‹, bestand er darauf, dass das komplette Lied live im Studio eingesungen und -gespielt wird, statt in seine Einzelteile zerlegt zu werden. Egal, wie toll das neue Achtspur-Equipment auch war, Morrison wollte dieses Stück roh und lebendig belassen.

Die Band fügte sich und saß mehr als zwölf Stunden rum, während sie darauf wartete, dass er auftauchte. Er kam nicht. Stattdessen rief er um drei Uhr morgens im Studio an und sprach mit Krieger. „Wir haben hier ein Problem“, sagte er dem Gitarristen. Er und Pam Courson waren auf einem starken LSD-Trip und wollten, dass Krieger sie zum nahe gelegenen Griffith Park fährt, um „runterzukommen“. Krieger stimmte müde zu. Als er sie bei Tageslicht wieder bei Courson absetzte, erinnerte er Morrison daran, dass er mittags im Studio sein musste. Doch er tauchte wieder nicht auf. Sie schickten Leute, um nach ihm zu suchen, ohne Erfolg. Schließlich harrte die Band noch fast bis drei Uhr morgens aus, bis sie beschloss, nicht mehr länger zu warten. Das Stück wurde aufgenommen – mit Manzarek als Sänger.

Als Morrison schließlich mittags am nächsten Tag aufkreuzte – nach 48 verschwendeten Stunden –, stellte Densmore ihn zur Rede. Densmore, der von den drei überlebenden Doors am schwierigsten für dieses Interview festzunageln war, war auch das Bandmitglied, das Morrisons quasi-philosophischen Standpunkt zu dessen Lebzeiten am ehesten in Frage stellte. Er wollte nie Morrisons Kreativität eindämmen, nur sein selbstzerstörerisches Verhalten.

„Musikalisch wollte ich sogar noch weiter gehen!“, sagt er. „Ich war vor den Doors ein Jazzfan. Ich war sogar ein totaler Snob, was Rock betraf. Ich kannte zwar Elvis und Little Richard und liebte sie. Aber meine Wurzeln lagen eher im Improvisieren, dem Experimentellen, also liebte ich es, Grenzen auszuloten.“ Densmore wollte einfach keine Zeit verschwenden. „Morrison wusste, dass ich nicht mit seiner Selbstzerstörung einverstanden war, das ist sicher.“ Er leugnet allerdings, dass sie sich jemals richtig geprügelt hätten: „Er spürte auch so, was ich dachte.“

Rothchild durchbrach die Spannung schließlich, indem er einfach vorschlug, man solle zur Sache kommen. Morrison fing an, darüber zu jammern, dass er einen Overdub aufnehmen musste. Zum Erstaunen und zur enormen Erleichterung aller legte der genervte, aber insgeheim reumütige Morrison im zweiten Take die perfekte Performance dessen hin, was zum Höhepunkt des Albums werden sollte.

Als es an die Aufnahme seines Solos auf ›You’re Lost Little Girl‹ ging, dem ersten Stück, das Krieger, noch vor seiner Zeit bei den Doors, je geschrieben hatte, war es der Gitarrist, der Hilfe benötigte. So sehr er sich auch herumquälte, er bekam es einfach nicht hin. Wiederum sorgte Rothchild für die Lösung, als er Krieger superstarkes schwarzes Haschisch gab, alle anderen aus dem Studio warf und dann Krieger aufnahm, wie er im Dunkeln spielte. Als der Produzent dann vorschlug, eine Prostituierte zu engagieren, um Morrison einen zu blasen, während er sang, funktionierte das nicht besonders gut. „Wir entschieden uns für eine spätere Aufnahme“, resümiert Densmore diplomatisch.

Ein paar Abende später schaute Jefferson-Airplane-Sängerin Grace Slick vorbei, als die Band ›Horse Latitudes‹ aufnahm, Morrisons 16-zeiliges Gedicht, begleitet von Manzareks Musique concrète. Wieder nahmen sie fast im Dunkeln auf, beleuchtet einzig von Kerzen, Räucherstäbchen und den glühenden Enden mehrerer Joints. Slick kehrte nach San Francisco zurück und sagte, die Doors hätten ihr Angst eingejagt.

Am 2. September spielten die Doors mit einem in schwarzem Leder gekleideten Morrison in Asbury Park, New Jersey, wo auch ein 18-jähriger Bruce Springsteen im Publikum war. Als sie am nächsten Abend im Village Theater in Manhattan ›When The Music’s Over‹ spielten, bezeichnete Goldman es wieder als einen „unglaublichen Moment“. Als die Aufnahmen zu STRANGE DAYS fast abgeschlossen waren, hatten die Doors am 17. September ihren schicksalsträchtigen Auftritt in der „Ed Sullivan Show“, wo sie ›Light My Fire‹ live spielten. Vor der Show versprach Morrison Sullivan, dass er die Zeile „Girl, we couldn’t get much higher“ nicht singen würde. Als Morrison dieses Versprechen brach, wurde Sullivan wütend und informierte den Sänger, dass die Doors nie wieder in der Sendung auftreten würden, worauf Morrison sardonisch antwortete: „Hey Mann, wir haben gerade in der ‚Ed Sullivan Show’ gespielt.“

Mit Vorbestellungen von über einer halben Million veröffentlichte Elektra übereilt die neue Single, das brillante ›People Are Strange‹, und sah zu, wie es die US-Top 10 knapp verfehlte und dann in der Versenkung verschwand. Im Gegensatz dazu war ›Light My Fire‹ mehr als sechs Monate nach seinem Erscheinen immer noch in den oberen Chartregionen zu finden und kehrte im Jahr darauf dank der Coverversion José Felicianos sogar noch einmal auf Platz 1 zurück.

Doch die Doors wurden weder von ihren Fans noch von ihrer Plattenfirma jemals als Singles-Band wahrgenommen. Anders als die Beat-les und Stones, die mit Singles begonnen hatten, bevor sie zu albumorientierten Acts wurden, ging es bei den Doors schon von Anfang an um Alben. Lange, bevor Zeppelin, Floyd oder Hendrix sich daran versuchten, nahmen sie schon epische Rock-Suiten im zweistelligen Minutenbereich auf.

Und die setzten sie auch in ihren Live-Auftritten ein. Manzarek: „Wie Jim mal sagte: ‚Wir führen eine musikalische Séance auf – nicht, um die Toten zurückzubringen, sondern um sie zu besänftigen und den Schmerz und das Leid der Toten und der Lebenden zu mindern.’ Und dabei tauchten wir zutiefst in freudianische und Jung’sche Gefilde ab. Wir verbanden also Freud und Jung, was unmöglich erscheinen mag, aber auf der Bühne geschah es, und das brachte das Establishment auf. Da war einfach diese Kraft in der Musik, und diese verrückte Sexualität von Jim Morrison, die das Establishment in den Wahnsinn trieb.“

Die Band war entschlossen, zu zeigen, dass sie für mehr als schlichten Popstar-Ruhm stand. Morrison lehnte das ursprünglich für STRANGE DAYS vorgeschlagene Cover, ein Gruppenfoto wie auf ihrem Debüt, entschieden ab. „Ich hasste das Cover unseres ersten Albums“, erklärte er der „L.A. Free Press“. Er behauptete, dem Elektra-Label Folgendes gesagt zu haben: „Tut ein Chick aufs Cover. Lasst uns Löwenzahn zeigen…“ Tatsächlich hatte er angeregt, die Band inmitten eines Rudels Hunde abzubilden. Als Art Director Bill Harvey ihn fragte, warum, zuckte er mit den Schultern: „Weil god rückwärts geschrieben dog ergibt.“

Um sich nicht zu blamieren, fand man letztlich einen Kompromiss: Ein halbes Dutzend Jahrmarktartisten, darunter ein Kleinwüchsiger, ein Jongleur, zwei Akrobaten, ein Trompetenspieler und ein Muskelmann. Auf der Rückseite bot sich der erstaunliche Anblick der schrägen Modeikone Zazel Wild, die einen wallenden Kaftan trug und vor ihrer Tür am New Yorker Sniffen Court in der East 38th Street kühl einen Kleinwüchsigen ansah. Elektra fürchtete, die Aufnahmen seien selbst für die Doors zu seltsam, doch Morrison liebte sie. Der einzige Hinweis darauf, dass es sich um das neue Album der Doors handelte, bestand in einem flüchtig drapierten Poster mit einem STRANGE-DAYS-Schriftzug, das auf der Albumrückseite abgebildet war.

Als das Album Ende September 1967 erschien, wurde es von der Rockpresse euphorisch begrüßt. Das Publikum war allerdings nicht so überzeugt. Ohne eine Hymne wie ›Light My Fire‹, die stolz das Freak-Banner trug, schlich das Album eher auf Zehenspitzen denn mit Riesenschritten Richtung Spitze der US-Charts und erreichte letztendlich Platz 3. Doch im Bewusstsein der Leute wurde es schnell vom nächsten Album WAITING FOR THE SUN von 1968 und dessen Hitsingle ›Hello, I Love You‹ abgelöst.

Als ob sie dem Titel ihres neuen Albums Tribut zollen wollten, verbrachten die Doors die letzten Wochen des Jahres 1967 auf der Straße und lebten einen Traum, der sich langsam in einen Alptraum verwandelte. Ihre Terminplanung war derart chaotisch, dass Auftritte in den großen Hallen an der Westküste immer wieder von Club-Gigs in New York unterbrochen wurden. Ihr unerfahrenes Management hatte es versäumt, die vor ihrem Durchbruch gebuchten Gigs neu zu verhandeln. Alle vier Bandmitglieder waren folglich erschöpft, orientierungslos, ausgebrannt und, in Morrisons Fall, bisweilen schlichtweg bewusstlos. Als Densmores neue Freundin Julia Brose Morrison kennen lernen wollte, zeigte der Schlagzeuger nur auf eine Gestalt, die unter einer Sitzbank am Flughafen ihren jüngsten Alkoholexzess ausschlief. Zwei Mülleimer waren strategisch vor ihm platziert worden, um die zahlreichen Teenie-Fans abzuwehren, die der Band zunehmend folgten. „Da ist er“, sagte er mit unverhohlener Verachtung zu seiner Freundin. „Das ist unser berühmter Sänger.“

Am 9. Dezember 1967, dem Tag nach seinem 24. Geburtstag, fuhr Morrison mit dem Rest der Band zu einem Auftritt in die Eishockeyhalle von New Haven. Kurz vor dem Konzert wurde er von der Polizei verwarnt, weil er eine junge Verehrerin mit in die Duschkabine genommen hatte, wo sie rumgeknutscht hatten. Als Morrison zu dem Polizisten sagte, er solle „sich ficken gehen“, nahm dieser seine Dose Tränengas und sprühte direkt in Jims Gesicht. Morrison flüchtete, schreiend und um Atem ringend. Später auf der Bühne, immer noch wütend, erzählte er der brechend vollen Halle die Geschichte. Als die Band dann ›When The Music’s Over‹ anstimmte, schrie Morrison: „We want the whole fucking world and we want it now!“

Als die Menge daraufhin nach vorne drängte, eilten die anwesenden Polizisten aus Angst vor Ausschreitungen panisch auf die Bühne und verhafteten den Sänger. Dann zerrten sie ihn, der wild um sich schlug, zu einem Streifenwagen. „Das war furchtbar“, sagt Krieger. „Wir wussten nicht, was zum Teufel passieren würde. Auf dem Weg zum Auto verprügelten sie ihn auch noch.“

Morrison war der erste Sänger, der während eines Konzerts von der Polizei festgenommen und wegen der Anstiftung zu Aufruhr, Unanständigkeit und öffentlicher Unzucht angeklagt wurde. Drei Autoren und Fotografen des „Life“-Magazins, die dazwischen gehen wollten, wurden ebenfalls verhaftet. Obwohl sämtliche Anklagepunkte fallen gelassen wurden, war der Vorfall am nächsten Morgen zur nationalen Neuigkeit geworden. Und so ward Jim Morrison, der Rockstar-Märtyrer, geboren – eine Rolle, die er bis ins Grab und darüber hinaus weiterspielen sollte.
Einer der letzten Doors-Auftritte 1967 endete allerdings weit surrealer. Nachdem sie fulminante Darbietungen von ›Light My Fire‹ und ›Moonlight Drive‹ für die Fernsehsendung „The Jonathan Winters Show“ aufgenommen hatten, unterbrachen sie ihren zweiten von drei Auftritten am 28. Dezember im Winterland Ballroom in San Francisco und rollten einen Fernseher auf die Bühne, um sich selbst auftreten zu sehen. Sie hatten gerade ›Back Door Man‹ zur Hälfte gespielt, als Winters’ Sendung anfing. Sie hörten einfach auf, legten ihre Instrumente nieder, gingen an den Bühnenrand, wo der Fernseher stand, und sahen sich selbst zu.

„Yeah, wir ließen das Publikum uns dabei zusehen, wie wir uns selbst zusahen – auf der Bühne und im Fernsehen“, lacht Manzarek. Als es vorbei war, schaltete Manzarek den Fernseher einfach aus, ging zu seinem Keyboard zurück und gab dem Rest der Band den Takt vor.

Rückblickend sind sich alle drei überlebenden Doors einig, dass STRANGE DAYS ein wichtiger Wendepunkt in der Bandgeschichte war. Und dass es vielleicht ihr größter, authentischster Moment war. „Nun, ich bin überrascht, dass du so denkst, denn das tun nur sehr wenige“, sagt Krieger. „Aber ich finde, du hast Recht. Weißt du, wir nahmen uns Zeit, um es aufzunehmen, und mochten wirklich sehr, wie es am Ende klang. Die Plattenfirma auch. Jac Holzman spielte es Paul Simon vor. Nachdem er es sich angehört hatte, sagte Paul, wir seien die beste Band der Vereinigten Staaten. STRANGE DAYS waren einfach nur wir vier, die auf demselben Weg waren. Danach wurden die Dinge irgendwie…“

Er schweift ab und ich erinnere ihn an das berühmte Zitat von Paul Rothchild: Dass die Band nie wusste, ob Jim Morrison im Studio auftauchen würde. Der progressive Poet, der entschlossen war, große Kunst zu machen. Und das betrunkene Monster, dessen Ego so außer Kontrolle war, dass er den Rest der Band beinahe als Anhängsel sah. Das jedoch war laut Krieger ein Verhalten, das wirklich erst bei ihrem nächsten Album WAITING FOR THE SUN zum Vorschein kam. „Zur Zeit von STRANGE DAYS interessierte sich Jim mehr für psychedelische Drogen als fürs Komasaufen. Ich meine, klar tauchte er manchmal nicht auf, wenn er zuviel LSD genommen hatte, aber er war immer noch ein Teil von dieser größeren…Sache. Ich scherzte immer, dass es nach ›Light My Fire‹ nur noch abwärts gehen konnte. So war es aber auch irgendwie. Außer STRANGE DAYS. Da waren wir in unserem Zenit.“

Wenn man sich das Album heute anhört, versteht man, was der Gitarrist sagen will. Die Band, die das Studio zum ersten Mal wie ein fünftes Instrument benutzt, ist wunderbar leichtfüßig: die wirbelnde, bonbonbunte Orgel des Titelstücks, Kriegers herzhafte Gitarre auf ›Love Me Two Times‹, Densmores federleichte Percussion auf ›Moonlight Drive‹. Morrisons junge Stimme schnurrt honigsüß, es sei denn, wenn er auf ›Horse Latitudes‹ lauthals plärrt und sich auf ›When The Music’s Over‹ wild überschlägt. Die sanfte Art, in der er das verzweifelt sehnsüchtige ›I Can’t See Your Face In My Mind‹ darbietet, ist weit entfernt von dem knurrenden, entfesselten Säufer auf dem letzten Doors-Album LA WOMAN.

Das letzte Wort hat Ray Manzarek, der als Erster an jenem heißen Nachmittag am Venice Beach Morrisons Potenzial erkannt hatte. „Diese Zeile in ›When The Music’s Over‹, wo Morrison singt, ‚Cancel my subscription to the resurrection/Send my credentials to the house of detention’ (Kündige mein Abo auf die Wiederauferstehung / Schicke meine Referenzen an die Haftanstalt) – ich denke, da hat er uns fast sagen wollen: ‚Okay, ich sehe, worum es bei diesem ganzen Ruhm-Trip geht, aber ich werde nach meinen eigenen Regeln spielen’.“ Dann hebt Manzarek, der ohnehin schon ausdrucksstark über seinen verstorbenen Freund redet, völlig ab. „Ich meine, mein Gott, Jim Morrison hätte sich für ein politisches Amt bewerben sollen. Jim Morrison ist der Sohn des Admirals. Er ist der junge Mann aus gutem Hause, der weiße angelsächsische Protestant, der den Thron erben wird. Er hätte ein braver Republikaner werden sollen, aber das ist er nicht, er ist bei den Doors und er benimmt sich total daneben. Dann kommt Captain Kelly, der klassische irische Cop, der ihn auf der Bühne in New Haven verhaftet. Er sagte zu Jim: ‚Du bist zu weit gegangen, junger Mann!’ Und ich dachte, das ist perfekt. Er war zu weit gegangen. In ein Land, das kein sogenannter Rockstar vor ihm betreten hatte.“

 

Bild: Yale Joel

Weiterlesen

Videopremiere: Krissy Matthews feat. Kim Jennett mit ›Queen‹

Nach seinem ersten Streich PIZZA MAN BLUES erscheint nun am 10. Mai KRISSY MATTHEWS AND FRIENDS, das zweite Studioalbum des britisch-norwegischen Gitarristen. Wie der...

Werkschau: Unser Album-Guide zu Led Zeppelin

Die größte und größenwahnsinnigste Band einer an großen und größenwahnsinnigen Bands nicht eben armen Zeit: Led Zeppelin, die Herrscher des Seventies-Rock. Jetzt alles über HOUSES...

Skid Row: Sänger Erik Grönwall steigt aus …

... und Lzzy Hale hilft aus. Die Sängerin und Gitarristin der Band Halestorm wird Skid Row bei den anstehenden Tourterminen in den Staaten am...

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

- Advertisment -