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The Doors – Virtuelle Türen

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The Doors – Virtuelle Türen

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doors 1credit Paul FerraraEs hätte das Jahr der Doors werden können: Mit einer frisch versöhnten Band, einer ersten gemeinsamen Tour seit Ewigkeiten, vielleicht sogar neuem Studio-Material, aber auch einem remasterten Backkatalog für iTunes sowie einer geradezu revolutionären App. Für die zeichnet kein Geringerer als Band-Entdecker und Musikindustrie-Legende Jac Holzman verantwortlich. Mit geradezu missionarischem Anspruch, den er CLASSIC ROCK nur wenige Tage vor dem überraschenden Tod von Ray Manzarek erklärt. Was dieses Gespräch umso denkwürdiger macht.

Denn an diesem nasskalten Freitag, Mitte Mai, ist die Doors-Welt noch in Ordnung: Jac Holzman (81) lädt in den legendären Londoner Groucho Club, um eine App vorzustellen, die so sagt er den Qualitätsstandard von Musikapplikationen für mobile Betriebssysteme auf ein ganz neues Level führt. Was hochtrabend klingt aber stimmt. Denn der rüstige 1,90 Meter-Mann mit den weißen Haaren, der angewachsenen Easy-Rider-Brille und dem voll aufgedrehten Hörgerät, ohne das er praktisch taub ist, hat sich hier selbst übertroffen. Mit einem virtuellen Bilderbuch, das wirklich alles bietet, was man über die Sixties-Legende wissen muss und noch mehr. Angefangen bei raren Fotos und Videos über eine detaillierte Auflistung des Studioequipments, spannende Essays von Patti Smith bzw. David Fricke, eine sogenannte Timeline der Doors-Geschichte und als Herzstück eine Comic-Aufarbeitung des legendären Miami-Konzerts vom 1. März 1969, bei dem Morrison das Publikum mit seinem primären Geschlechtsmerkmal konfrontiert haben soll und anschließend wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verklagt wurde. Alles Dinge, in denen man stundenlang schmökern und schwelgen kann, die regelmäßig aktualisiert werden sollen und für Holzman, immerhin Gründer von Elektra Records, Mitinitiator des Kabelfernsehens, der Heimvideos, der Laserdisc und geistiger Vater von MTV, das vielleicht letzte Großprojekt eines erfüllten Musikmogul-Daseins ist.

Herr Holzman, würde Jim Morrison noch leben, hätte er ein iPad oder iPhone?
(lacht) Das hat mich noch niemand gefragt. Ich würde sagen, er wäre mit Sicherheit kein Anwender der ersten Stunde gewesen. Aber sobald er verstanden hätte, dass er darauf alles transportieren kann, was er braucht, dann denke ich, dass ihm das sogar sehr gefallen hätte. Vor allem, wenn er es noch in seinem Auto anschließen könnte, was ja problemlos möglich ist. Aber ob er es sofort verstanden und sich darauf eingelassen hätte, das bezweifle ich dann doch.

Wie lange haben sie an dieser App gearbeitet?
16 Monate was viel klingt. Nur: Wenn man an so einem flexiblen, offenen Format arbeitet, ist der Geist völlig aufgeregt, was die Vielzahl an Möglichkeiten betrifft. In einem Maße, dass man sich regelrecht zur Selbstzensur zwingen muss. Was allerdings erst passieren kann, wenn man das gesamte dreidimensionale Bild sieht. Und deshalb habe ich diese App auch als „dreidimensionales Puzzle mit 1500 elegant angeordneten Teilen“ bezeichnet. Das bricht man quasi auf, in dem man sich darin bewegt. Und das kann man tun, wie es einem gefällt also je nachdem, ob man sich mehr von Musik, Bildern oder Text angesprochen fühlt. Wenn man Teil des Apple Echosystems mit iCloud und iMatch ist, kann man gleichzeitig die Alben hören und die Texte mitlesen. Was einfach wunder- bar ist. Ich habe es genossen, was sich da für Möglichkeiten auftun und wohin sie mich führen.

Klingt nach einer echten Herausforderung. Bei allem Respekt: Warum tun sie sich das in ihrem Alter noch an?
Ich wollte die App entwickeln, weil ich eine tiefe persönliche Beziehung zur Band habe. Der Erfolg der Doors bei Elektra hat gezeigt, dass wir in der Lage waren, einen guten Künstler ganz nach oben zu bringen. Einfach, weil wir alles richtig gemacht haben. Und das mit einer Crew von lediglich 14 Leuten. Wir haben zehn bis 20 Millionen Dollar im Jahr umgesetzt. Was uns die Möglichkeit gab, viele andere Sachen auszuprobieren. Sprich: Die Doors waren wunderbar. Und ich hatte immer das Gefühl: Weil sie mein Leben so radikal verändert haben, schulde ich ihnen noch ein bisschen mehr als nur Tantiemen. Diese App ist mein Geschenk an sie und an mich.

Haben sie eine Erklärung, warum die Doors noch so relevant sind? Warum ihre sechs Alben einen derart nachhaltigen Einfluss auf die Popkultur ausüben?
Dafür gibt es einen ganz simplen Grund: The Doors klingen wie keine andere Band. Was ich nach Fertigstellung des ersten Albums verstanden habe, das ich mir immer wieder angehört habe, bis mir klar wurde, dass da keine technischen Hilfsmittel wie Wah-Wah-Pedale am Start waren, die zu der Zeit als Standard galten. Die Musik der Doors hatte einen architektonischen Aufbau, den ich der Bauhaus-Bewegung zuschreiben würde sehr sauber und klar. Außerdem ist da noch die Tragödie um Jims Tod, die die Welt bis heute bewegt. Einfach, weil die Jugend ja glaubt, sie wäreunsterblich, bis sie herausfindet, dass sie das eben nicht ist. Und die Doors waren extrem mutig, was ihre Musik betrifft. Sie haben etwa den ›Alabama Song‹ in ein Rock-Stück verwandelt, was bei mir für eine regelrechte Erleuchtung gesorgt hat. Nämlich, dass sie alles absorbieren und in etwas ganz anderes verwandeln. Nach dem Motto: Niemand besitzt ein Copyright auf Kunst. Jeder lernt von jedem. Man absorbiert, man transformiert und fügt etwas Neues hinzu. Das ist eine weitere Facette, die die Leute dahingehend bewegt, sich darauf einzulassen. Die Musik der Doors lebt, weil sie Energie hat.

Wobei sie felsenfest behaupten, nie einen von Jims berühmten Ausrastern erlebt zu haben. War er in ihrer Gegenwart etwa anders? Hat er sich bewusst zurückgehalten?
Wer weiß? Gegenüber mir und meiner Familie war er immer sehr nett. Und er wusste, wie man sich gegenüber Kindern verhält. Nicht, dass er sich auf ihr Level begeben hätte, aber er hat doch eine besondere Beziehung zu ihnen aufgebaut. Was daran lag, dass er frustriert über die Erwachsenenwelt war. Nicht so sehr mit mir, weil wir hauptsächlich über Filme redeten, die wir beide liebten. Aber ich hatte wirklich nie ein Problem mit Jim. Das einzige Mal, dass ich kurz davor war, Streit mit ihm zu bekommen, war, als wir eines Abends in einer Bar saßen. Da hat er einen nach dem anderen weggekippt, während ich mich an einem Glas Bier festhielt. Worauf er meinte: „Komm schon Jac, geh mal bis an die Grenzen.“ Und ich zu ihm: „Ich will keinen Idioten aus mir machen.“ Ansonsten hatte ich ihn schon auf Acid erlebt, was okay war. Aber Alkohol ist ein schreckliches Narkotikum, das ihn in etwas verwandelte, mit dem ich nichts zu tun haben wollte. Ich habe so viele Geschichten von meinen Mitarbeitern gehört, dass ich mir schwor, mich nie darauf einzulassen. Und auch in der Bar bin ich einfach aufgestanden und gegangen.

Wie hat er reagiert?
Gar nicht. Es war einer seiner berühmten Tests, denen er mich ständig unterzogen hat, um zu sehen, wie weit er bei mir gehen konnte. Wobei ich mir in der Situation sagte, dass ich ja gar keinen Test bestehen muss. Der größte Erfolg resultiert vielmehr daraus, ihn zu vermeiden. Das ist mir mit einem knackigen Satz gelungen.

Warum legt die App dann so viel Gewicht auf den Skandal-Auftritt in Miami, für den sich Jim später vor Gericht verantworten musste und erst posthum begnadigt wurde?
Weil er ein Wendepunkt in der Geschichte der Doors war. Jim hat damals viel getrunken. Und bei diesem Konzert sind all die Dämonen, die sich in ihm angehäuft hatten, explosionsartig zum Vorschein gekommen. Wobei ich aber nicht glaube, dass er wirklich getan hat, was man ihm vorwarf nämlich sich selbst zu entblößen. Das kann ich mir bei ihm ehrlich gesagt nicht vorstellen. Aber nach diesem Konzert wurden plötzlich alle anderen abgesagt und zwar überall. Weshalb ich sagte: „Lasst uns ins Studio gehen und ein weiteres Album aufnehmen.“ Das Ergebnis war MORRISON HOTEL, in das sie ihre gesamte Energie legen konnten. Von daher war Miami sehr, sehr wichtig.

Und die Geschichte wurde ja nie richtig erzählt. Ich meine, er soll da seinen Penis herausgeholt haben. Aber wenn man die Dokumentation wie die Fotos sieht und sich Jims Polizeiaussage durchliest, die wunderbar ironisch und doppeldeutig ist, dann gibt es keine konkreten Beweise, dass das wirklich so passiert ist. Deswegen haben wir das für die App auch in Form eines Comics dargestellt weil es gar nicht anders ging.
Dagegen fallen die jüngsten Ereignisse der Bandgeschichte komplett unter den Tisch: Rays und Robbys Tour als Riders On The Storm oder auch der Streit mit John über die Namensrechte. Passt das nicht ins Bild in ihr Bild der Doors?

Ich habe darüber nachgedacht. Aber ich habe auch gehofft, dass die App die Jungs wieder zusammenbringt. Was dann die Frage aufwirft: Warum etwas darstellen, das sie auseinander gebracht hat? Ich meine, ich habe meine eigenen Gefühle, was die Angelegenheit betrifft. Nämlich dass es nie zu diesem Prozess hätte kommen dürfen weil der Zwischenfall an sich nie hätte passieren dürfen. Aber das ist er nun mal. Und wenn man „The Door Unhinged“ liest, das neue Buch von John Densmore, das wirklich exzellent ist, kann man John auch verstehen. Er nimmt es genau so ernst, ein Door zu sein, wie Jim. John ist ein echter Door.

Und? Hat es die Jungs wieder zusammengebracht?
Zumindest reden sie wieder. Es ist auch höchste Zeit, dass das passiert. Denn die scharfen Kanten wurden langsam stumpf und gewisse Leute mussten einfach über ihren Schatten springen was dann auch geschehen ist.
Parallel zur Veröffentlichung der App hat iTunes sämtliche Doors-Alben neu abgemischt. Hört man das? Gibt es einen spürbaren Unterschied zur herkömmlichen CD- oder Vinyl-Veröffentlichung?

Das hängt davon ab, wie man es hört. Mit guten Kopfhörern und damit meine ich keine Ohrenstöpsel, die ja nicht das komplette Ohr abdecken lässt sich der Unterschied eindeutig feststellen. Und ich finde, dass iTunes da auch sehr clever ist. Sie sorgen quasi dafür, dass der Katalog zu neuem Leben erweckt wird. Wobei die App die Funktion übernimmt, den Konsumenten auf die beste verfügbare Version eines Doors-Songs hinzuweisen.
Wenn wir über Zahlen reden: Was verkaufen die Doors jährlich an Backkatalog?

Die Umsätze steigen stetig. Sprich: Aktuell liegen die Doors bei weit über 100 Millionen verkauften Alben. Und es kommen jedes Jahr ein paar Millionen hinzu. In Europa erreichen die Doors rund 65 Prozent des Publikums, das Musik kauft, in den USA 35 Prozent. Wobei in Europa viel mehr physisches Produkt gefragt ist. Gerade in Deutschland.

Wenn ihre Applikation mehr als nur ein unterstützendes Element für iTunes ist, inwieweit könnte sie den App-Markt verändern, der ja noch in den Kinderschuhen steckt? Sprich: Könnte die Doors App neue Standards setzen?
Absolut. Eine meiner großen Hoffnungen ist, so etwas wie eine Saat für die Zukunft zu säen. Denn der Grund, dass sich noch keiner richtig an Apps gewagt hat, ist, weil bislang niemand wirklich erfolgreich damit war. Und Plattenfirmen, die profitorientiert denken, lassen es halt links liegen, wenn sie damit nicht sofort Gewinn erwirtschaften. Nach dem Motto: Warum ein Risiko eingehen? Soll sich doch jemand anders auf diesem Gebiet austoben. Wenn es irgendwann funktioniert, kopieren wir es. Was traurig ist, aber wahr. Deshalb wollte ich da ein paar Möglichkeiten aufzeigen. Und die Doors sind die perfekte Band dafür. Ein- fach, weil sie alle Aspekte abdecken das Visuelle wie Film und Video. Aber weil Jim ein Schriftsteller war eben auch Text, der bei dieser App von David Fricke stammt. Man kann die Videos mit Audio-Schnipseln, Text, Fotos, Konzerttickets und Tape-Boxen kombinieren. Einfach, weil wir damals alles dokumentiert haben.

Allerdings müssen sie 40.000 Apps verkaufen, um ihre Unkosten zu decken…
Das ist richtig.

Haben sie keine Angst, dass die Fans das Ganze nur als Gimmick belächeln? Dass es beim Publikum durchfällt?
Da haben wir uns abgesichert, indem wir uns von vornherein an die sogenannten Überfans gewandt haben. Und die beiden Über-Überfans habe ich auch gleich an Bord geholt. Nämlich Len Sousa, den ich gebeten habe, die Zeitleiste Korrektur zu lesen. Und der tatsächlich über 20 Fehler gefunden hat, die dem eigentlichen Archivar der Doors durchgegangen sind. Denn Len hat die Informationen. Genau wie David Dukowski, der jetzt der neue Doors-Archivar ist. Ein großer Fan und unglaublich hilfreich. Er hat mir Zugriff auf Material ermöglicht, das nur er hatte. Und er hat mir Geschichten erzählt, die ich noch gar nicht kannte. Ich denke, ganz allgemein gibt es zwei Arten von Überfans: Diejenigen, die etwas offen umarmen und solche, die einfach nur kritisieren. Sprich: Es wird einige geben, die die App nur deshalb ablehnen, weil sie nicht so ist, wie sie sie gemacht hätten. Aber ich bezweifle, dass sie überhaupt die Möglichkeiten dazu gehabt hätten, weil da echtes Geld dahinter steckt, man ein komplettes Team braucht und es nicht leicht umzusetzen ist. Insofern denke ich, dass die meisten Fans damit einverstanden sein werden. Wir haben schließlich eine App entwickelt, bei der selbst derjenige, der meint, alles über die Doors zu wissen, noch etwas Neues entdecken kann. Und es wird immer mehr Material hinzukommen, weil es ein lebender, ständig wachsender Organismus ist. Also nicht wie ein Buch, eine CD oder eine DVD, die quasi fertig ist. Wenn man sich die jeweils neueste Version herunter lädt, verschwindet die alte. Man hat also nur noch die komplette neue App und zwar so lange, wie jemand die Energie hat, daran zu arbeiten.

Klingt, als würde sie das bis an ihr Lebensende binden…
Es ist eine Obsession, die mich definitiv lange verfolgen wird. Und es hat etwas von einer religiösen Erfahrung nämlich das Streben nach Perfektion in einer nicht perfekten Welt. Aber ich will es ja auch nicht anders egal, wie viel Arbeit es ist, oder wie viele schlaflose Nächte es mir beschert. Diese App bedeutet mir alles. Und ich will mein Bestes tun, um die Band am Leben zu erhalten. Einfach, weil sie so wichtig ist, weil sie alle menschlichen Facetten abdeckt und ich das mindestens einer weiteren Generation vermitteln will.

Demnach sind sie auf einer Mission?
Es ist eine Berufung, ja.

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