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Coheed and Cambria – Abrocken im Weltraum

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Coheed and Cambria – Abrocken im Weltraum

Coheed & CambriaSie sind die Konsensgruppe für Rush-Fans, Headbanger und Warhammer 40K-Spieler. Eine Band, die so selbstvergessen wie selbstverliebt einen Klassiker nach dem anderen produziert. Und wen kümmert’s, ob das neue YEAR OF THE BLACK RAINBOW nun Alternative, Metal oder Prog ist? Der fünfte und letzte Teil der AMORY WARS-Saga ist vor allem eines: genial.

Die Antriebe weggeklappt, die Energieschilde gedrosselt: Coheed and Cambria haben soeben angedockt. Die Luftschleuse öffnet sich, herein schwebt, vollkommen zugewuchert, die imposante Gestalt von Bandchef Claudio Sanchez. Aus seinem Haarhelm schallt explosives Lachen – bloß so, zur Begrüßung, denn der New Yorker Spaceball ist verdammt gut drauf. Mr. Sanchez hat auch allen Grund zur Freude: Zehn Jahre nach ihrer Gründung sind Coheed and Cambria längst heimliche Superstars, und ihre AMORY WARS – ein Sci-Fi-Epos mit einer verwirrenden Latte von Darstellern, Schauplätzen und Spinoffs – zählen zum Besten, was die Nullerjahre zu bieten hatten: sei es als Platte, Comic oder DVD.

Für die Fans heißt es jetzt stark sein: Mit dem Prequel YEAR OF THE BLACK RAINBOW findet die endlos scheinende Oper um das Cyborg-Pärchen Coheed und Cambria Kilgannon doch noch ihr Ende. Letzte Puzzleteile fallen an ihre Plätze, Weichen für die (fiktive) Zukunft werden gestellt. Dann ist Schluss. Finito. „Ich bin momentan unentschieden, wie es mir bei dem Gedanken geht“, sagt Claudio. „Ob da nun mehr Stolz auf das Erreichte oder Wehmut mitschwingt. Nee, okay: Stolz. Mit dieser Kraft und Dynamik ist YEAR OF THE BLACK RAINBOW vermutlich unser am besten verwirklichtes Album.“ Sieht aus, als wären die New Yorker bei den Produzenten Atticus Ross (NIN, Jane’s Addiction) und Joe Barresi (Clutch, Queens Of The Stone Age) an der richtigen Adresse gewesen – beide gelten als Cracks, wenn es darum geht, harte Riffs und technisch-abstrakte Einsprengsel zusammenzubringen.

Und trotzdem ist etwas anders. Bei aller aufgefahrenen stilistischen Bandbreite klingen Coheed and Cambria diesmal, nun, leichter als sonst. Melodischer, bunter… Ja: auch zugänglicher. Das mag nicht jedem gefallen, verleiht YEAR OF THE BLACK RAINBOW aber eine helle, versöhnliche Note. Wenn man schon enden muss, dann auf einem Hoch? „Genau so!“ lacht Claudio. „Überhaupt haben wir das Songwriting diesmal eher fließen lassen. Es war alles nicht so zergrübelt. Ich habe mir einen Orange-Verstärker gekauft und tagelang nichts anderes getan, als mit dem Ding daheim auf der Treppe zu sitzen und rumzudaddeln. Dem Wabern eines Riffs hinterher zu hören. So nahm zum Bei-spiel ›The Broken‹ seinen Anfang – ich habe mich von diesem fetten Vintage-Sound inspirieren lassen.“ Die Umsetzung war dann typisch Coheed & Cambria – sprich, von hinten durch die Brust ins Auge: Statt den Riff auf der Gitarre zu spielen, singt (oder besser: nölt) ihn Claudio jetzt.

Doch so kompliziert ihr Kosmos auch ist – Musik für Gitarrenlehrer, wie oft gelästert wird, fabrizieren Coheed and Cambria immer noch nicht. „Wie wär’s, wenn wir uns einfach auf ‚kleinteilig‘ und ‚verspielt‘ einigen“, schlägt Claudio vor – und erinnert daran, dass weder er noch Gitarrist Travis Stever, das zweite Gründungsmitglied und der Haupt-Songwriter der Band, über eine akademische Musikausbildung verfügen: „Wir machen das hier zum Spaß. Ich habe mir zwar diesmal ein paar Aufgaben gestellt, neue Themen gesucht, die mich gefordert haben, aber bei Kompositionstheorie kriegen wir sofort Kopfweh – das geht nicht an uns.“ Alter Kokettierer…

„Nein, im Ernst, wir werden ständig als die Über-Nerds dargestellt. Und wer weiß, vielleicht stimmt das ja. Nur: Wo liegt das Problem, wenn jemand sich leidenschaftlich und kreativ mit etwas befasst? Die CDs sind jedenfalls nicht so hermetisch, wie viele behaupten. Und meine Lyrics funktionieren auch ohne den konzeptionellen Rahmen.“
Um von YEAR OF THE BLACK RAINBOW mitgerissen zu werden, muss man also kein Science-Fiction-Fan sein. Man braucht nicht mal alle Teile der AMORY WARS oder Claudios bei Image/Evil Ink veröffentlichte Comics zu Hause stehen zu haben. Das aktuelle Album funktioniert sogar, wenn es die einzige Coheed-Platte im Regal ist. Denn was der Workaholic mit seiner hohen, an Geddy Lee erinnernden Stimme auf dem Prequel singt, säuselt, schreit, behandelt im Grunde ganz universelle Fragen: Was zeichnet den Menschen aus? Was ist das, Liebe, und was bedeuten Verantwortung, Opferbereitschaft, Mut?

Dazu kommen diesmal eine Menge autobiografischer Momente. Von Anfang an hatte Claudio sich in die Story eingeschrieben, war in die Rolle des ältesten Sohns des Cyborg-Paars Coheed und Cambria geschlüpft. Nun ist aus dem spätpubertären Rollenspieler ein klassischer Songwriter geworden – und ein Erwachsener dazu. Das ist neu: Mr. Sanchez räumt auf einmal ein, dass er es nicht mehr nötig habe, sich wegzuträumen und hinter seinen Schöpfungen zu verstecken. Siehe dazu die hymnische, auf angenehme Art radiotaugliche erste Single ›Here We Are Juggernaut‹. Darin hat der 32-Jährige die Beziehung zu seiner Freundin aufgearbeitet, die er im letzten Herbst „endlich“ geheiratet hat. „In dem Song blicke ich auf unsere gemeinsame Zeit zurück. Auf alles, was wir zusammen erlebt und durchgestanden haben. Unsere Erfahrungen haben uns stark gemacht. Heute sind wir unzertrennlich und können sagen: Hier stehen wir, ein Koloss! Ihr kriegt uns nicht klein.“

Neben ruhigen Halbakustik-Stücken wie ›Pearl Of The Stars‹ und fragilen Gebilden wie ›Far‹ stehen mächtige, von Schlagzeuger Chris Pennie voran-getriebene Songs wie ›World Of Lines‹. ›Shattered Symphony‹ zeigt Coheed and Cambria in Emo-Laune, während ›Guns Of Summer‹ und das fast schon hysterische ›In The Flame Of Error‹ die Hohe Schule des Prog verkörpern. Letzteres zählt zu Claudios Lieblingsstücken, stand irgendwo zu lesen. Warum eigentlich? „Naja, da gibt es diese Stelle im Text, wo dem Erzähler klar wird, dass er ein furchtbares Desaster angerichtet hat. Zugleich er-kennt er darin aber auch etwas… Schönes“, druckst er. „Manchmal ist das so: Dann entsteht aus einem Versehen oder einer Katastrophe etwas Ästhetisches. Das kann schreckliche Folgen haben, wie in dem Song, und trotzdem bleibt es ein beeindruckendes Schauspiel.“

Vorsicht. Der Komponist Karlheinz Stockhausen sagte Ähnliches über 9/11 – es sei das größte Kunstwerk aller Zeiten gewesen – und wurde danach seines Lebens nicht mehr froh… „Nein, ich würde mich nie an so was Furchtbarem intellektuell aufgeilen. Doch angesichts der Naturgewalt sind wir eben einfach nur klein. Darum zieht uns ein Großbrand auch magisch an. Und Feuer empfinden wir als wunderschön, wenn es sich im Gesicht eines geliebten Menschen spiegelt. Schrecken und Staunen, Ehrfurcht und Gelächter liegen als Reaktionen doch verdammt nah beieinander.“

Das definitive Wort in Sachen AMORY WARS soll dann der zeitgleich mit dem Album erscheinende 352-seitige Roman sein, der in Kollaboration mit dem Star Trek- und Marvel-Autor Peter David entstanden ist. Kleine Zwischenfrage: Kennt Claudio die ›Hyperion-Gesänge‹ von Dan Simmons? Das „Keywork“, das interstellare Verbindungsnetz, das Coheed und Cambria hüten, erinnert nämlich schwer an die Farcaster aus ›Hyperion‹ – einem von Künstlichen Intelligenzen erfundenen System von Abkürzungen durch das Raum-Zeit-Kontinuum, das zerstört werden muss, bevor weiteres Unheil geschieht. „Dan Simmons? Nee, nie gehört“, meint Claudio und schmeißt noch im Gespräch den Computer an. „Wow. Die Cover sehen ja wild aus!“ Er lacht eruptiv. „Ich glaube, das muss ich antesten. Klick, schon bestellt!“

Fakt ist, es gibt wenig Neues unter der Sci-Fi-Sonne. Dass Coheed and Cambria sich 2010 allmählich von den außer Rand und Band geratenen Schöpfern und Schöpfungen verabschieden und lieber die großen Fragen aufs Zwischenmenschliche herunterbrechen, wirkt da nur konsequent.

Aber bevor wir den Sack nun zubinden und mit Schrödingers Katze ins All schicken: Erwartet uns vielleicht nicht doch ein Pre-Prequel oder ein YEAR OF THE BLACK RAINBOW Teil 27b? Bei Claudio & Co. weiß man nie.
„Nein, nein!“ beteuert er. „Das war’s, wirklich, Ehrenwort. Zumindest, was diese Geschichte an-geht. Und für die Zukunft,“ kichert er. „fällt mir schon was ein. Ist ja immer so!“

Melanie Aschenbrenner

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