Süße kleine 16: Chucks famoses zweites LP-Werk für Chess.
Stolze 87 Jahre alt geworden ist Chuck Berry im Herbst 2013. Genauer gesagt am 18. Oktober – ein denkwürdiges Geburtsdatum, dass der Rock’n’Roll-Pionier mit der ebenfalls 1926 geborenen und stets auf Krawall getrimmten deutschen Schauspiellegende Klaus Kinski teilt. Beide Charaktere lassen sich unzweifelhaft als Visionäre ihres Fachs, aber auch als wüste Skandalnudeln identifizieren. Doch wen interessieren im Medienzeitalter mit praktisch sekündlichem Tabubruch noch die Schandtaten von Vorvorgestern? Als relevant erweist sich allein das künstlerische Erbe. Davon findet sich reichlich auf dem ursprünglich 1958 für die Marke Chess erschienenen Album ONE DOZEN BERRYS, produziert von den Labeleignern Leonard und Phil Chess. Es ist das zweite LP-Werk des Sängers, Gitarristen, Komponisten und Texters mit Blick für das Wesentliche. Nicht nur Keith Richards kennt das u.a. mit Willie Dixon (Bass), Hubert Sumlin (Gitarre), Fred Below (Schlagzeug) sowie Johnny Johnson und Lafayette Leake (beide Piano) eingespielte Dutzend wie seine eigene Westentasche: Genial simple Riffs, Licks, Harmonien und Takte, die Chuck Berry da aus dem Ärmel schüttelt. Deriviert aus Gehörtem, Erlebtem und Gesehenem der Lehr- und Wanderjahre: zum Teil recht harte Zeiten, die Mr. Berry als „Juvenile Delinquent“ da hinter sich bringen musste. Eingeflossen in Klassiker wie ›Sweet Little Sixteen‹, ›Reelin’ And Rockin’‹ und ›Rock And Roll Music‹, die der DNA des Rock Stil, Schmiss und Schliff verliehen. Dreist erlaubt es sich Berry nicht nur, den ollen Ludwig van Beethoven zu überrollen, sondern auch ein ›Rockin’ At The Philharmonic‹ zu wagen. Man stelle sich die Empörung des konservativen Establishments der späten 50er Jahre vor! Chuck Berry stimmt den ›Guitar Boogie‹ an, lobhudelt genüsslich ›How You’ve Changed‹, betütelt eindeutig in ›Oh Baby Doll‹ seine blutjunge Gespielin und behauptet gar rotzfrech ›It Don’t Take But A Few Minutes‹. Frühe Rock-Experimente im Studio wagt der gute Chuck auch: Teilen sich doch ›Blue Feeling‹ und ›Low Feeling‹ das gleiche Playback, nur bei letzterer Aufnahme wesentlich langsamer gespielt.