Band Of Horses: Songs aus dem Scherbenhaufen

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Band Of Horses: Songs aus dem Scherbenhaufen

Berühmt wurden Band Of Horses einst, weil sie es wie kaum sonst jemand verstanden, die Sorgen der Millennials in wunderbar rauen Indierock-Hymnen greifbar zu machen. 15 Jahre später sieht sich das in South Carolina beheimatete Quintett mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Auf THINGS ARE GREAT, dem ironisch betitelten sechsten Album seiner Band, kehrt Mastermind Ben Bridwell den Scherbenhaufen seines eigenen Lebens zusammen.

Der Band-Of-Horses-Frontmann sieht ganz schön zerzaust aus, als wir ihn zum mittäglichen Videochat treffen. Freimütig gibt er zu, erst seit zehn Minuten auf den Beinen zu sein, und geduscht ist er auch noch nicht. Die Erklärung dafür lässt allerdings nicht lange auf sich warten. „Ich bin diese Woche geschieden worden“, sagt er entschuldigend. Das Scheitern seiner 2009 geschlossenen Ehe, aus der vier Töchter hervorgegangen sind, bleibt für den Rest des Gesprächs ein wiederkehrendes Thema, nicht zuletzt, weil viele Songs der neuen Platte um
Beziehungen kreisen, ohne dass es Bridwell darum ging, schmutzige Wäsche zu waschen. Vielmehr nutzt er die neuen Lieder, um seinen Blick als unermüdlicher Beobachter zu schärfen. „Ich wollte vermeiden, allzu viele Metaphern zu verwenden, die meine Schilderung vernebeln, und ich hoffe, das hat funktioniert. Es war gar nicht so leicht, all das offen auszusprechen, aber es war mir wichtig, nicht nur meine Sicht der Dinge zu erzählen, sondern meine, ihre und die Wahrheit. Ich wollte fair bleiben.“ Klingt ganz schön erwachsen, allerdings hat das die Trennung für ihn nicht leichter gemacht.

„Nicht zuletzt wegen meiner vier Kinder war das Ganze unglaublich schmerzhaft“, sagt er zerknirscht. „Selbst abgehärtet durch 43 Jahre Lebenserfahrung bin ich zart wie Pudding. Ich würde sogar sagen, ich bin heute mitfühlender denn je und näher am Wasser gebaut.“ Die Ehe mit seiner Frau ist nicht die einzige gescheiterte Beziehung, mit der sich Bridwell auf THINGS ARE GREAT auseinandersetzt. Auch das Verhältnis zu seinen langjährigen Mitstreitern Tyler Ramsey und Bill Reynolds, das schon bei der Arbeit am letzten Album WHY ARE YOU OK zu bröckeln begonnen hatte, war nicht mehr zu kitten. Inzwischen sorgen zwei neue Leute für frischen Wind. „Neues Blut ist immer gut, und das findet auf dieser Platte seinen Widerhall“, sinniert Bridwell und muss lachen. „Wenn THINGS ARE GREAT gut läuft, haben wir alles richtig gemacht, wenn nicht, dann muss ich mit den neuen Jungs wohl mal ein Wörtchen reden!“ Allen persönlichen Turbulenzen zum Trotz klingt THINGS ARE GREAT musikalisch wie eine Rückbesinnung auf alte Tugenden, eine Rückkehr zu den unbeschwerten frühen Tagen, als die
Band mit EVERYTHING ALL THE TIME und CEASE TO BEGIN den Grundstein für ihre beeindruckende Erfolgskarriere legte.

Mehr noch: Die neue LP ist so gitarrenlastig und wuchtig, dass man sie musikalisch fast für ein „lost album“ aus den frühen Sub-Pop- Jahren der Band halten könnte. Der Grund dafür ist denkbar einfach. Standen Bridwell in der Vergangenheit Könner wie Glyn Johns, Phil Ek oder Grandaddys Jason Lytle als Produzenten zur Seite, nahm er dieses Mal die Zügel selbst in die Hand. „Ich wollte davon wegkommen, dass mir jemand diktiert, wie die Songs zu sein haben, und das nicht nur klanglich. Ich wollte für diese Platte so schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist – Scheiß-Schimpfwörter inklusive“, erklärt er triumphierend grinsend. „Ich suchte nach einem Gefühl von Unabhängigkeit!“

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