Robbie Robertson, Jackson Browne, John Fogerty – wenn die Heroen des amerikanischen Musikgeschäfts eine begnadete Begleitband suchen, dann ist das Indie-Folk-Quartett Dawes erste Wahl. Dass sie mehr sind, beweisen die Kalifornier nun mit ihrem dritten Album, STORIES DON’T END. Dabei hatte die Bandgründung vor vier Jahren so gar nichts Heroisches.
„Dawes zu starten geschah aus reiner Verzweiflung“, gesteht Frontmann Taylor Goldsmith im CLASSIC-ROCK-Interview. „Ich hatte keine andere Wahl, denn ich kann nichts anderes. Ich bin damit aufgewachsen, zu singen und Instrumente zu erlernen.“ Mit seinem Faible für die klassischen Werte des Laurel-Canyon-Singer/Songwritertums weckte er schnell das Interesse von Produzent Jonathan Wilson, der Dawes früh unter seine Fittiche nahm und die Band zu informellen Jam-Sessions mit Größen wie Conor Oberst, Chris Robinson und Benmont Tench einlud. „Wir wussten von Anfang an, dass wir nicht als Fans rüberkommen durften“, erinnert sich Goldsmith. „Wir mussten uns als echte Profis präsentieren, wenn wir auch in Zukunft zusammen mit Leuten spielen wollten, die wir respektieren.“ Auch den Könnern, denen sie seitdem zur Seite standen, näherte sich die Band stets auf Augenhöhe. „Wenn wir zu Robbie Robertson, Jackson Browne oder John Fogerty gegangen wären und gleich gesagt hätten: ‚Oh, es gibt da einen Song von dir, den finde ich sooo toll!‘, hätte das nicht funktioniert“, ist sich der Dawes-Vordenker sicher. „Zunächst war es wichtig, dass sie sich mit uns wohlfühlen und uns vertrauen konnten.“
Nicht zuletzt, weil die ersten beiden Dawes-Alben unter fast identischen Vorzeichen entstanden, könnte man NORTH HILLS und NOTHING IS WRONG rückblickend als Eckpunkte der Entwicklungsjahre der Band bezeichnen. „Das kann man tatsächlich so sagen, da sie sich gewissermaßen gegenseitig bedingen“, stimmt Goldsmith zu. „Die erste Platte romantisiert den Wunsch, auf Tour zu gehen und die Welt zu entdecken. Die zweite handelt eher davon, was passiert, nachdem das Ersehnte eingetreten ist und du praktisch auf der Straße zu Hause bist.“
Bei STORIES DON’T END gab es nun gleich eine ganze Reihe Veränderungen. Die wichtigste: Die Band arbeitete mit Neu-Produzent Jacquire King (Kings Of Leon, Tom Waits) erstmals nicht daheim in L.A., sondern in der Abgeschiedenheit North Carolinas und komprimierte so das bisherige Schaffen. „An einem Ort aufzunehmen, an dem du niemanden kennst, bedeutet, morgens aufzustehen und sofort fokussiert an nichts anderes als Musik zu denken“, sagt Goldsmith über das gelungene Experiment. In den detailverliebten, literarisch angehauchten Texten der neuen Platte beschreibt er Situationen, „die andere Menschen auch durchleben, aber danach nicht in Worte fassen würden“, wie er selbst sagt. Gleichzeitig gelang es der Band, ihrem ehrlich-handgemachten, vom 70s-Westcoast-Folk-Rock geprägten Sound einen moderneren Anstrich zu verpassen. Zuvor hatten Fans und Kritiker gerne das Schlagwort „vintage“ benutzt. „Dass die Leute unseren Sound als altmodisch und traditionell bezeichnet haben, das war nicht deren, sondern unser Problem“, glaubt der Bandkopf. „Schließlich war es unsere Musik, die diese Assoziation ausgelöst hat, also mussten wir etwas dagegen unternehmen.“ Dennoch ging es der Band bei der neuen Platte nicht unbedingt darum, zeitgeistiger zu klingen. „Wir wollten schon noch wie wir klingen. Es ging darum, uns eine eigene Identität zu erschaffen“, sagt Goldsmith bestimmt. „Die Leute sollen über die neue Platte nicht sagen: ‚Dawes klingen jetzt wie eine neue Band.‘ Sie sollen sagen: ‚Dawes klingen wie Dawes.‘“
Carsten Wohlfeld