Bis heute bekommen Steven Tyler und Joe Perry das meiste Rampenlicht bei Aerosmith ab. Den anhaltenden Erfolg verdanken die beiden Paradiesvögel aber nicht zuletzt dem Rückgrat der Band.
Ohne Joey Kramer am Schlagzeug, Tom Hamilton am Bass und Brad Whitford an der Rhythmusgitarre gäbe es Shows und Songs von Aerosmith nicht bzw. nicht mehr. CLASSIC ROCK traf „die drei stillen Partner“ 2017 vor dem ausverkauften Konzert in München im noblen Mandarin Oriental Hotel. Das Trio gab sich dabei mal mehr und mal weniger still. Im Gegensatz zum lauten und spektakulären Auftritt am nächsten Tag.
Werdet ihr noch oft mit dem „Wayne‘s World“-Spruch „Wir sind unwürdig“ begrüßt?
Tom Hamilton: Das kommt vor. War ja auch ein Teil unserer Karriere. Und auf einmal hatten wir einen Sketch in „Saturday Night Live“ und eine eigene Achterbahn.
Ihr habt eine Achterbahn?
Joey Kramer: Ja, „Rock‘n‘Roller Coaster starring Aerosmith“ in Disneyland in Florida.
TH: Außen ist eine gigantische Gitarre, und wenn du reingehst, meinst du, du kommst in den Eingangsbereich unserer Plattenfirma. Die Fahrt geht am Kontrollraum eines Aufnahmestudios vorbei, das genau so aufgebaut ist wie früher bei uns.
JK: Es ist alles indoor und unsere Songs laufen.
Wie kam es zum Titel der laufenden Tournee?
TH: Als wir noch dachten, dass es wirklich die letzte Tour sein könnte.
JK: Irgendwann begannen wir uns zu fragen, warum wir das nicht für immer machen. Wir tun das, was wir lieben, und haben Fans, die uns unterstützen. „Aero-Vederci“ bedeutet jetzt soviel wie „wir sehen uns später“.
Es gibt also keinen Vertrag, der euch untersagt, in Zukunft gemeinsam aufzutreten, wie bei Mötley Crüe?
Brad Whitford: Ganz schlechte Business-Entscheidung! (lacht)
Wie geht es weiter?
JK: Nach Europa nehmen wir eine Auszeit und dann geht es zurück nach Südamerika. Und dann – darf ich das überhaupt schon sagen?
BW: Sicher.
JK: Wir denken an eine Tournee zum 50. Jubiläum. 50 gemeinsame Jahre der fünf originalen Holzköpfe!
Wird es ein neues Album geben?
BW: Wir reden noch darüber.
JK: Bei dieser Band weißt du nie, was passiert, das liebe ich so an ihr.
Ihr werdet oft als die drei stillen Partner bezeichnet.
JK: Für mich ist eine Band ein Team. Ich vergleiche das gerne mit einem Blaubeerkuchen. Du hast fünf Stücke und kannst eins nicht einfach durch Apfelkuchen ersetzen. Oder mit einer Uhr: Die Zeiger geben die Zeit an, aber im Hintergrund läuft das Uhrwerk. Ich habe mir meinen Job ausgesucht und niemand musste mir die Arme verdrehen, damit ich Drummer werde. Ich tue das, weil ich es liebe und es ist mir egal, ob ich dafür genug Anerkennung bekomme.
Also ist die Chemie innerhalb der Band gut?
JK: Sie ist großartig!
TH: Jeder trägt einen Teil bei. Es gab aber eine Zeit, wo es mich sehr geärgert hat, wenn jemand uns als ersetzbar bezeichnet hat.
Kiss denken über eine Fortsetzung ohne Originalmitglieder nach. Könnt ihr euch das bei Aerosmith auch vorstellen?
BW: Nicht wirklich. Das ist das Schöne an Kiss mit den unterschiedlichen Charakteren. Ich glaube nicht, dass sie von Anfang an daran gedacht haben. Und wie groß und lange sie dabei sein würden.
JK: Das ist das Gleiche mit Foreigner. Ich hab sie mal in Texas spielen sehen und sie waren extrem gut. Obwohl nur noch ein Original in der Band ist. Es dreht sich alles um die Songs. Bei Aerosmith – auch wenn du uns die stillen Drei nennst – gibt es fünf Gesichter mit hohem Wiedererkennungswert.
Habt ihr auch schon mal wie Kiss über ein Musical nachgedacht?
BW: Da diskutieren tatsächlich einige Leute drüber. Ich kann das nicht ausschließen. (lacht) Für mich passt es noch nicht. Aber wer hätte je gedacht, dass Green Day mit AMERICAN IDIOT als Broadway-Stück so einen Erfolg haben würden?
Reist ihr gemeinsam?
JK: Ja, im selben Flugzeug.
BW: Wir haben mal das Tourmotto auf ein Flugzeug geschrieben. War aber nur ein Witz und ich wünschte, uns würde der Jet gehören.
Nennt ihr eure Fans immer noch “Blue Army”?
TH: Wir haben sie in den 70ern so genannt. Wenn wir damals zu den Venues kamen, waren Schlangen von Typen ausschließlich in Jeans da. Keiner konnte sich damals Leder leisten.
Seid ihr überrascht, dass ihr so große Massen anzieht?
BW: Wir nehmen das nicht als selbstverständlich hin und es macht uns demütig und dankbar. Wir sind seit über 40 Jahren dabei und immer noch ein Teil des Geschäfts.
Spielt ihr noch Clubshows?
TH: Ich hoffe, wir kriegen das mal wieder hin. Das erste Mal war damals in Los Angeles im Starwood, kurz bevor wir richtig groß wurden. Wir hatten es niemandem im Vorfeld erzählt, aber es wurde dann riesig. Mit Nachrichtenhubschraubern über der Location und so.
JK: Wir würden lieber in einem Club spielen, aber müssen uns ums Geschäft kümmern. Auch um die Sicherheitsproblematik nach der Manchester-Tragödie.
Habt ihr daran gedacht, Konzerte abzusagen?
JK: Nein, dann würden wir aufgeben. Wir sind Rock‘n‘Roll Freedom Fighters! Das liebe ich aber auch so an der Band, dass sie nie aufgibt. Ich kann einen schrecklichen Krach mit Tom oder Brad haben, aber wenn wir auf die Bühne gehen, lassen wir das unten zurück und dann geht es nur noch um die Musik.
War es schwer, die aktuelle Setlist zusammenzustellen?
JK: Absolut. Wir präsentieren Material, das wir lange nicht mehr gespielt haben. Es gibt zwei Perspektiven für eine Setlist. Auf der einen Seite gibt es Songs, die du spielen musst. Aber dann ist da ja noch der Grund, warum wir mit der Musik angefangen haben. Du veränderst die Soli und bringst dich anders ein.
Keine Songs vom letzten Album?
TH: Nein, obwohl wir uns da echt die Eier abgearbeitet haben. Das ist wie bei den Rolling Stones. Ich liebe sie, aber würde mir nicht sofort das neue Album holen. Wir hatten viele gute Ideen für MUSIC FROM ANOTHER DIMENSION, aber vielleicht haben wir zu viele Songs draufgepackt. Die Ideen haben wir umgesetzt, als sie jeder drauf hatte und ohne sie abzufucken, aber mehr Zeit hätte nicht geschadet.
Finden die Proben in alten Theatern statt wie früher?
TH: Wir üben in einem Studio in Boston. Aber nicht etwa wir fünf in einer Villa, sondern Schlagzeug und Tonnen von Monitorequipment in einem Raum.
Und während der Tour im Hotel?
BW: Das machen wir immer noch.
JK: Ich sehe meine Drums erst beim Konzert. Nach den ersten zwei Songs bin ich aufgewärmt und dann geht es richtig ab.