Kurz vor dem Ende von Twisted Sister lässt Dee Snider keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass er von der Rockerrente noch Dekaden entfernt ist. CLASSIC ROCK sprach mit dem blonden Weltbürger über seine musikalische Neuorientierung mit WE ARE THE ONES, das Geheimnis seiner Fitness und die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016.
Dee, WE ARE THE ONES erscheint fast zeitgleich mit der unweigerlich letzten Twisted-Sister-Show der „Forty And Fuck It“ Tour und ist dein stilistisch bis dato breitgefächertstes Werk. Viele deiner Fans dürfte der bunte Genremix durchaus überraschen.
Ich persönlich sehe WE ARE THE ONES als mein erstes richtiges Soloalbum an. Klar gab es schon zwei Vorgänger aber das waren keine Scheiben, die tatsächlich neue Musik enthielten, sondern eben nur aus Coverversionen bestanden. Es war mir dieses Mal echt wichtig, ein Statement zu setzen und ein Stück Musik zu kreieren, dass im Jahr 2016 seine Daseinsberechtigung hat und nicht auf Nostalgiezirkus baut. Es gibt auch bewusst keinen einzigen Metal-Song auf WE ARE THE ONES, denn ich möchte bewusst neue Hörer ansprechen. Mein Produzent Damon Ranger inspirierte mich zu diesem Schritt, denn er meinte: „Dee, du als Person bist der Öffentlichkeit um Welten bekannter als deine Musik. Bisher erreichtest du nur ein kleinen Teil deines potenziellen Publikums. Mit den richtigen Songs kannst du eine viel größere Zielgruppe ansprechen!“.
Dabei seid ihr jedoch mit viel Feingefühl zur Sache gegangen. Man vernimmt hier und da Elemente aus deiner Zeit mit Twisted Sister oder Widowmaker.
Absolut! Ich stand kurz davor, meiner Musikkarriere gleichzeitig mit dem Ende von Twisted Sister auf Wiedersehen zu sagen. Dann traf ich Damon und er forderte mich quasi heraus, indem er sagte: „Du bist ein zeitloser Künstler, deine Stimme ist ein Synonym der Rebellion und ich bin davon überzeugt, dass du spielend die Herzen der Contemporary-Rock/Pop-Fans erreichen kannst! Du hast die Gabe, den Leuten eine Message mitzugeben und ich und mein Team können dir dabei helfen!“ Ganz nebenbei war die komplette Entstehung von WE ARE THE ONES für mich eine extrem interessante Sache, denn ich konnte mit all diesen hochbegabten Hitsongwritern arbeiten.
Trotz der massiven Aufbruchstimmung ist eine Akustikversion von ›We Are Not Gonna Take It‹ auf der Scheibe gelandet.
›We Are Not Gonna Take It‹ zählte damals zu den extrem gefährlichen, rebellischen Songs und landete deswegen auf der Liste der „Filthy Fifteen“ des PMRC (Parents Music Resource Center; Anm. d. A.). Später wandelte er sich zu einer Hymne bei Sportevents und zum Partykracher, um ein paar kühle Blonde zu zischen. Wenn man ihn heutzutage betrachtet, ist seine Aussage aktueller denn je. Das „We“ in ›We Are Not Gonna Take It‹ ist dasselbe „We“ wie in ›We Are The Ones‹. Es geht darum, dass die Mehrheit von einer Minderheit kontrolliert wird und wir uns das auf keinen Fall gefallen lassen dürfen. Die Welt ist im Moment sowieso ein komischer Ort, deswegen empfand ich es als gute Idee, dass meine Lyrics dieses Klassikers im Fokus der Neuaufnahme stehen und klar zu verstehen sind. Nach einem ersten Testlauf sagte mir jemand: „Das ist, als ob mir deine Worte einen Faustschlag an den Kopf verpassen – großartig!“ Genau das war meine Intention!