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Queensryche – Aus eins mach zwei

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Queensryche – Aus eins mach zwei

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Geoff Tates Queensryche

Queensryche 2013a

Die Ur-Kapelle von Queensryche ohne Geoff Tate

 

Der Streit um das Recht am Namen Queensrÿche gewährt einen Einblick in das Innenleben einer Rockband, deren Mitglieder sich nach 32 gemeinsamen Jahren völlig auseinander gelebt haben.

Der 18. November 2013 ist das Datum, dem Queensrÿche-Fans entgegenfiebern. An diesem Tag will ein Gericht in Seattle entscheiden, welche der beiden Bands, die momentan als Queensrÿche firmieren, das Recht auf den Namen hat. Sänger Geoff Tate und seine Frau Susan (ehemalige Managern der Original-Queensrÿche) strengten den Prozess im Juni 2012 an, nachdem die Gründungsmitglieder Scott Rockenfield (Schlagzeug), Michael Wilton (Gitarre) und Eddie Jackson (Bass) Sänger Tate gefeuert hatten. Das Ehepaar Tate bestrei- tet die Rechtmäßigkeit der Kündigung und fordert, dass der Bandname nach der Trennung Geoff Tate allein gehören solle. Daraufhin klagten Rockenfield, Wilton & Jackson zurück, sie beschuldigten das Paar der kreativen Obstruktion, fragwürdiger Geschäftspraktiken und werfen dem Vokalisten auch noch gewalttätiges Verhalten vor.

Inzwischen sind zwei Alben der verschiedenen Kapellen gleichen Namens erschienen. Rockenf ield, Wilton & Jackson, verstärkt um Gitarrist Parker Lundgren und den neuen Sänger Todd La Torre (früher Crimson Glory) brachten ein Opus heraus, das sie siegesgewiss QUEENSRŸCHE nannten. Tate indes sammelte eine All Star Band um sich aus Bassist Rudy Sarzo (Whitesnake), dessen Bruder Robert an der Gitarre, Randy Gane an den Keyboards, sei- nem langjährigen Kreativpartner Kelly Gray (Gitarre) sowie Trommler Simon Wright (AC/ DC). Sie präsentierte FREQUENCY UN- KNOWN. Das Cover der Scheibe zeigt eine Faust mit Schlagring, der die Form der Initialen F U hat. Daraus hat so mancher ein „Fuck You“ gelesen, was Tate am Telefon aus Singapur jedoch weit von sich weist. „Damit hat das nichts zu tun. FREQUENCY UNKNOWN ist ein kleiner running gag, den wir im Studio hat- ten. Er dreht sich um diese mysteriöse Frequenz der Hitformel. Keiner weiß, wo diese Frequenz liegt, aber alle suchen sie.“ Hat Tate das andere Album der ehemaligen Kollegen gehört? „Nein, das interessiert mich nicht.“

Sein früherer Partner Scott Rockenfield gibt ein Interview in den Räumen seiner neuen deutschen Plattenfirma in Dortmund. Auf die gleiche Frage, ob er das Album von Tate gehört habe, antwortet der Trommler: „Ich habe einige kleine Dinge gehört, aber ich kenne nicht genug. Es kümmert mich auch nicht! Unserer Meinung nach sind wir Queensrÿche. Ich kann nicht absolut nachvollziehen, wie sich ein einzelner Typ Queensrÿche nennen kann.“

Wie man sieht, steht die Rockgruppe, die vor 32 Jahren gegründet wurde, vor einem Scherbenhaufen. Am Ende gleicht die Beziehung der Mitglieder einer Ehe vor der Scheidung: Beide Seiten haben sich voneinander entfernt, Misstrauen hat sich eingeschlichen, die Partner haben sich verletzt bis hin zu Handgreiflichkeiten. Es geht um künstlerische Differenzen und natürlich geht es um Geld. Was die unterschiedlichen musikalischen Auffassungen
betrifft, liefern die beiden aktuellen Scheiben klare Hinweise. QUEENSRŸCHE marschiert in Richtung Progressive Rock. Jedes Mitglied beweist, dass es sein Instrument beherrscht, der neue Vokalist Todd La Torre zeigt sich als stimmgewaltiger Herrscher des Mikrophons. Allerdings mangelt es dem Songmaterial an Eingängigkeit, es fehlen memorable Melodien und eingängige Refrains. In dieser Disziplin fährt FREQUENCY UNKNOWN besser, etliche Songs besitzen einen einprägsamen Hook, sind aber dafür nicht besonders hart.

Rockenfield, Wilton & Jackson hatten sich seit der Zeit von PROMISED LAND (1994) daran gestoßen, dass Tate „keinen Metal/Hard Rock“ mehr singen wollte. In einem ausführlichen Schreiben, das Michael Wilton für das Gericht in Seattle verfasste, berichtet der Gitarrist, wie sich Mitte der 90er erste Risse in der Band zeigten. „Er (Tate) ließ uns wissen, es sei das letzte Album und er würde die Band verlassen“, notiert Wilton. „Während der Tour für PRO- MISED LAND hatte Geoff Tate begonnen, sich von uns zu distanzieren. Er wollte mehr theatralische Elemente in die Show einbringen und fühlte den Drang, mehr auf der Bühne zu tun als nur in ein Mikrophon zu singen.“

Hinzu kam die Entfremdung von Chris DeGarmo. Der charismatische Gitarrist und begabte Komponist hatte wesentlichen Anteil am großen Erfolg von OPERATION MINDCRIME (1988) und dem Nachfolger EMPIRE (1990). Letzteres enthielt die Erfolgssingle ›Silent Lucidity‹, eine sanfte Ballade, die komplett aus der Feder von Chris DeGarmo stammt. Es war der größte Hit, den Queensrÿche je hatten. 1998 verließ DeGarmo die Band, kehrte für das Album TRIBE (2003) jedoch noch einmal kurz zurück. Daraufhin wechselte er die Branche, wurde Pilot und ist heute Miteigentümer einer Flugzeugfirma. Beide Q-Combos sagen, sie seien bis heute mit DeGarmo befreundet. Tate gibt an, er habe vor einem Monat noch zu Chris Kontakt gehabt. Rockenfield bemerkt, „Chris ist immer noch eng mit Michael Wilton befreundet. Wir konnten ihn nicht ersetzen, Chris ist ein besonderer Typ.“

Für die Originalband hatte DeGarmos Abgang bittere Konsequenzen, die renommierte Managementfirma Q Prime (u.a. Metallica, Red Hot Chili Peppers) trennte sich aus diesem Grund von Queensrÿche. Tate setzte durch, dass sein Kumpel Kelly Gray den vakanten Platz an der zweiten Gitarre einnahm, neuer Manager wurde Ray Danniels von Rush. „Wir arbeiteten alle sehr hart an dem Album Q2K (von 1999). Durch smartes Management und ausgiebiges Touren erreichten die Verkäufe über 150.000 Einheiten, ein guter Start ohne den Schlüssel-Songwriter“, schreibt Wilton in seinem Bericht für das Gericht von Seattle. In der Zwischenzeit hatten sich sämtliche Mitglieder mit Ausnahme von Chris DeGarmo infolge der exzessiven Erfolgsjahre im Anschluss an OPERATION MINDCRIME und EMPIRE von ihren Ehefrauen getrennt. Geoff Tates neue Gattin wurden Susan, die seit 1997 für den Queensrÿche-Fanclub gearbeitet hatte. Beide drängten darauf, Danniels zu feuern, so wurde Susan Tate 2001 erst Co-Managerin, zwischen 2005 und 2001 dann alleinige Bandmanagerin. „Es war eine Entscheidung, der alle Mitglieder zustimmten“, betont Geoff Tate. „Du willst einen Manager haben, dem du vertrauen kannst, der in deinem besten Interesse arbeitet. Es gibt seit langem viele Beispiele von Familienmitgliedern als Manager. Ich bereue die Entscheidung keineswegs! Sie ist eine fantastische Managerin, sorgte dafür, dass jeder Geld verdiente und führte die Band durch raue Zeiten.“ Wilton sieht den Managerwechsel total anders: „Geoff sagte uns, wenn wir Susan nicht einstellten, würde er nicht länger mit uns arbeiten.“ Das Unbehagen in der Band wuchs. Von Susan Tate stammte die Idee zu OPERATION MINDCRIME II (2006), der die übrigen Bandmitglieder kritisch gegenüber standen, weil sie den guten Namen des ersten Albums nicht gefährden wollten. (Bis heute spielen beide Seiten Songs dieses Klassikers live, Tate tourt momentan aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums mit eben diesem Material.) Beim zweiten Aufguss des bewährten MINDCRIME-Konzepts vertiefte sich der Bruch. Rockenfield, Wilton & Jackson fühlten, dass
ihre kreativen Vorschläge nicht mehr erwünscht waren. Dagegen beklagt Tate, von den anderen seien keine brauchbaren Beiträge gekommen. „Während der Kompositionsphase lieferte ich meine Ideen, nur um heraus zu finden, dass der Produzent, der neue Gitarrist (Mike Stone) und Geoff Tate die ganze Nacht auf gewesen waren und die Songs ohne mich geschrieben hatten“, so Wilton. Tate sieht die Sache völlig entgegengesetzt: „Viele Mitglieder waren abwesend. Es wurde eine Solo-Scheibe von mir, aber das war nicht meine Absicht. Wer nicht kommt, kann nicht mitmachen. Zum Glück hatten wir Mike Stone, der die meisten Gitarren auf MINDCRIME II spielte.
Warum die anderen nicht erschienen sind, weiß ich nicht. Du hast einen Plattenvertrag, ein Abgabedatum, eine Verpflichtung und dann tauchst du nicht auf? Das kann ich nicht nachvollziehen! Ich habe sie immer eingeladen, teilzuhaben.“

Den letzten Punkt sehen die anderen Drei wieder unterschiedlich. „Ich habe alle Songs der Platte gespielt, aber meine Parts wurden hinterher verändert“, protestiert Rockenfield energisch. „Geoffs Motto wurde immer öfter: My way or the highway, entweder machen wir es wie ich will oder ich gehe.“ Das ist ein Muster, dass sich bei den folgenden Produktionen wiederholen sollte. Das Bizarre daran ist freilich, alle Mitglieder unterschrieben, dass sie an den Alben künstlerisch partizipiert hatten, obwohl das die Unwahrheit war. „Uns wurde gesagt, wir hätten zu unter- schreiben, sonst würde die Band den Vorschuss der Plattenfirma nicht bekommen“, rechtferden. Wir mussten unterschreiben und dem Album zustimmen, im anderen Fall hätten wir nicht nur das Geld verloren, das wir brauchten, um unsere Familien zu ernähren, sondern auch das Geld von unseren Freunden/Bandmitgliedern, die es ebenfalls brauchten.“ Auch Scott Rockenfield unterschrieb diese Papiere. „Du hoffst, dass die Dinge besser werden“, meint er heute lakonisch dazu.

Am Ende ging die Rechnung nicht auf. Beispielsweise verkaufte OPERATION MINDCRIME II, laut Wilton, innerhalb von sechs Jahren lediglich 150.000 Einheiten, die Original-Vorlage hatte innerhalb eines Jahres bereits 500.000 Stück verkauft. Das gleiche Schema wiederholte sich bei den folgenden Werken, mit dem Ergebnis, dass die Musik immer schlechter wurde und die Verkäufe immer weiter zurück gingen. Es folgten weitere zweifelhafte Entscheidungen. Tate hatte etwa die Idee zu der „Cabaret“-Tour. Anknüpfend an das Cabaret-Theater der 30er Jahre präsentierte er eine ziemlich peinliche Revue, in der er mit Schmerbauch und String-Tanga auf die Bühne stolzierte, dazu tanzten Ehefrau Susan und seine Stieftochter Miranda in knappen Bikinis. Was die Fans darüber in den Internetforen schreiben, kann man am besten mit dem Wort „Fremdschämen“ beschreiben. Queensrÿche spielten 24 „Cabaret“-Shows in Casinos und kleinen Venues. „Du kannst vor deiner Vergangenheit nicht davon laufen“, zuckt Rockenfield mit den Schultern, „das war keine gute Sache! Es war Teil eines andauernden Kampfes, schlechter Entscheidungen und Management-Fehlleistungen.“ Wilton schreibt, er habe gegen dieses dubiose Konzept gestimmt. „Ich wusste, es würde die Marke Queensrÿche weiter beeinträchtigen. Meiner Meinung nach waren wir ein Klasse-Act, der nie so tief hätte sinken dürfen, erniedrigende Situationen mit Frauen auf der Bühne zu zeigen, besonders wenn es sich um Ehefrauen und Töchter der Band handelt.“

Die Kluft wurde größer. Zudem stellte die Band fest, dass angesichts der sinkenden Einnahmen ihre Kosten zu groß wurden. Neben unglücklichen künstlerischen Direktiven von Geoff Tate als „musikalischem Leiter“, gab es Probleme
mit dem kostspieligen Fanclub, einer wenig erfolgreichen Merchandise-Firma und steigendem Kostendruck. Geoff Tate tourte mit seiner Solo-Band, die übrigen Mitglieder forderten Änderungen, doch beide Seiten sprachen kaum
noch miteinander. Am Ende beschlossen Rockenfield, Wilton & Jackson, Susan Tate als Managerin zu feuern, weil sie nicht in ihrem Interesse arbeitete. Es kam zum Showdown in Brasilien am 14. April 2012. Geoff Tate hatte ein Bandmeeting gefordert, in dem er eine Begründung für die Entlassung seiner Frau hören wollte. Das Meeting dauerte nur kurz und verlief nicht nach Tates Geschmack, die anderen blieben bei ihrem Entschluss. Vor der anschließenden Show stieß Tate Rockenfields Schlagzeug um, spuckten Michael Wilton an, schlug den Gitarristen und den herbei geeilten Rockenfield mit Fäusten. Während des Gigs bespuckte Tate den Schlagzeuger weiter, was man in aller Deutlichkeit im Internet betrachten kann.

„Ich war sehr böse, weil sie unsere Managerin und damit im Grunde auch mich gefeuert hatten“, gibt Tate im Interview zu. „Wenn du über Jahre mit einem Haufen von Typen zusammen bist, kann es schon mal zu solchen Situationen kommen. Du begleichst deine Rechnungen auf wenig höfliche Art, wie es The Who zum Beispiel zu tun pflegten.“ Scott Rockenfield ein durchtrainierter, muskulöser Mann, der fast sein ganzes Leben Schlagzeug spielt fühlte sich von Tates Ausfällen bedroht. „Er hat alle angegriffen und lief Amok. Kurz vor dem Auftritt zerstörte er unsere Anlage, er hat einige von uns geschlagen, darunter mich. Er brauchte dreißig Minuten, um sich wieder zu beruhigen. Inzwischen war die Security eingeschritten. Unser Ziel war, die Show durchzuziehen und unsere Karriere fortzusetzen“, sagt Scott. „Er bespuckte mich während der ganzen Show, jeder kann es sehen.“ Nach zwei weiteren, ähnlich turbulenten Auftritten trennte sich das Trio von dem Sänger. Umso erstaunlicher ist es, Geoff Tate folgendes sagen zu hören: „Der Bruch der Band kam für mich völlig unerwartet. Es gab nie Probleme“, behauptet er. „Ich wünschte, wir könnten reden, aber sie wollen nicht.“ Für ihn ist sein Rausschmiss ein abgekartetes Spiel. „Es geht nur um Geld. Es ist eine Übernahme unserer Firma. Sie wollen mich rauskicken, um mehr Geld zu verdienen.“

Eine interessante Frage bei derartigen Trennungen ist diese: Mit wem hält es die langjährige Crew der Band? Darauf Rockenfield: „Alle sieben Crewmitglieder, die seit Jahren dabei waren, sind mit uns gekommen.“ Selbst Tate muss das einräumen, auch wenn er die Zahl der Bandmitarbeiter nur mit drei beziffert. Der Sänger ist während des Gesprächs erstaunlich gefasst: „Jetzt haben die Anwälte das Wort“, stellt er nüchtern fest. „Es mag kompliziert klingen, aber die Trennung erfolgt nach den Regeln eines Streits in einer Firma. Am Ende geht es nur noch um die Frage: Wer zahlt wen aus?“ Er werde in den nächsten Monaten mit seiner Queensrÿche-Band FREQUENCY UNKNOWN live vorstellen. Danach plane er, OPERATION MINDCRIME, das vor 25 Jahren erschien, in Gänze zu spielen. Scott Rockenfield zeigt sich hingegen optimistisch, dass seine Queensrÿche das bessere Ende für sich haben werden. Selbstbewusst nannten sie ihr Album nach der Originalkapelle. Zudem wird Scott nicht müde, die gute Stimmung in der Gruppe und den neuen Sänger Todd La Torre zu preisen. Erste Songs für ein weiteres neues Werk seien bereits geschrieben. Währenddes- sen blicken alle auf den 18. November, den Tag, an dem Richterin Carol A. Schapira die entscheidende Frage zu beurteilen hat: Wer sind die waren Queensryche?.

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