Aufrichtige, augenöffnende Memoiren des Rush-Frontmanns
Drogen, bandinterner Aufruhr, Beziehungsprobleme, Tod. Es sei euch verziehen, wenn ihr jetzt dachtet, hier liegt eine Beschreibung des zweiten Teils von Mötley Crües „The Dirt“ vor. Doch wenn man durch die Seiten von Geddy Lees Autobiografie blättert, fällt einem nicht nur einmal die Kinnlade runter – jede neue Seite ist überraschender als die davor. Lee traut sich, vom üblichen Pfad einer Rockstar-Biografie abzuweichen (typisch Rush eben), und widmet das zweite Kapitel dem Aufstieg des Faschismus und der Inhaftierung seiner beiden Eltern im Nazi-Konzentrationslager von Auschwitz. Ein mutiger und wichtiger Schritt, der die Richtung des Buchs mitbe- stimmt. Es geht um sein Leben, das von schwindelerregenden Höhen (Platin-Platten, ausverkaufte Stadionkonzerte) bis zu äußerst menschlichen Tiefpunkten reicht: Kokain, eine zerrüttete Ehe, die Entfremdung von Gitarrist Alex Lifeson bis zu dem Punkt, dass er fast aus der Band ausstieg, der Verlust von Rush-Drummer und Texter Neil Peart. Durch all diese Erlebnisse dringt Lees Stimme hindurch, sein Erzählstil ist scharf und akkurat. Es gibt unerwartete Zwischentöne (Gott sei Dank nichts im 13/8-Takt) und einen bemerkenswerten Einblick in das Denken dieses eigentlich doch sehr auf seine Privatsphäre bedachten Mannes. Das Buch endet auf einem überraschenden, vielversprechenden Höhepunkt, doch dieses Juwel sollt ihr lieber selbst entdecken.
9 von 10 Punkten
My Effin’ Life
VON GEDDY LEE
HARPERCOLLINS