Platz 20: ›Spread Your Wings‹
NEWS OF THE WORLD, 1977
Diese Single von 1978 aus der Feder von John Deacon war kein großer Hit (in Großbritannien erreichte sie gerade mal Platz 34), doch in den vier Jahrzehnten seither wurde sie zu einem Liebling der Fans. Sie erzählt die Geschichte eines Jugendlichen in Schwierigkeiten, der in einem miesen Job gefangen ist. Der junge Mann soll seine Flügel ausbreiten und fortfliegen, begleitet von klimperndem Klavier und akustischer Gitarre, bis der stampfende Refrain einsetzt. „Ich mochte viele von Johns Songs“, kommentierte der ehemalige Queen-Roadie Peter Hince. „Die großen sind natürlich ›Another One Bites The Dust‹ und ›I Want To Break Free‹. Doch letztendlich finde ich, dass ›Spread Your Wings‹ Johns beste Nummer ist. Die Powerballaden haben mich nie so berührt – die Stücke mit dieser gewaltigen Dynamik, die sich von einem Schlaflied zu diesen riesigen Crescendi aufschwingen. Doch ›Spread Your Wings‹ war anders. Es war wie eine Powerballade, aber da steckte mehr Gefühl drin.“
Platz 19: ›I Want It All‹
THE MIRACLE, 1989
Die erste Single von THE MIRACLE ließ Rockfans in aller Welt erleichtert aufatmen. Als harter Stampfer voller quietschender Soli und wuchtiger Riffs griff er den klassischen, rockzentrierten Sound der Band wieder auf. „In gewisser Weise etabliert ›I Want It All‹ wieder unser altes Image“, sagte Hauptautor May 1989. „Es ist schön, mit etwas so Starkem zurückzukommen. Etwas, das die Leute daran erinnert, dass wir eine Live-Band sind.“ Auf den ersten Blick geht es um eine Gruppe desillusionierter Jugendlicher, die sich nach einem besseren Leben sehnen, doch May gab zu, dass es tatsächlich um etwas wesentlich Persönlicheres ging: „Es war einfach dieses Riff, von dem ich seit Monaten besessen gewesen war. Der Titel war ein Lieblingssatz von Anita, die ein sehr ehrgeiziges Mädchen ist: ‚I want it all, and I want it now‘.“
Platz 18: ›The Prophet’s Song‹
A NIGHT AT THE OPERA, 1975
Mit diesem achtminütigen Epos von May kamen Queen dem Prog so nahe wie sonst nie. Ursprünglich war es in vier Teilen geplant, was seine wendungsreiche Natur erklären dürfte. Es beginnt mit akustischen Gitarrenakkorden und sanft gezupften Saiten, dann kommen harte Arpeggio-Rockriffs und aufgeschichtete Gesangsharmonien, gefolgt vom zweieinhalbminütigen A-cappella-Part bei 3:25, dann wieder eine Hardrock-Abfahrt voller Gitarrensoli, bevor noch mal für 30 Sekunden diese leise Akustische zu hören ist. Oh Mann! Es ist wie eine umfassende Zusammenfassung von allem, was Queen so gut beherrschen, voller typischer Souveränität und Ambition. Kein Wunder, dass Mike Portnoy es als einen seiner Lieblingssongs von Queen beezeichnet. „Ich hatte einen Traum darüber, der wie Rache an anderen Leuten wirkte“, erklärte May. „Ich konnte in diesem Traum aber nicht wirklich herausbekommen, was diese Leute überhaupt falsch gemacht hatten. Es war so etwas wie eine Flut. In dem Traum liefen Leute durch die Straßen und versuchten, sich an den Händen zu berühren, in dem verzweifelten Versuch, zu beweisen, dass sie sich um andere sorgten. Ich spürte, dass das Problem wohl war – und das ist ohnehin etwas, wovon ich besessen bin –, dass die Menschen nicht genug aufeinander zugehen.“
Platz 17: ›Hammer To Fall‹
THE WORKS, 1984
Von May als Antwort auf die kriegslüsternen, angriffsgeilen Staatsoberhäupter und die zermürbende Nutzlosigkeit gewaltsamer Konflikte geschrieben, ist die Voraussicht dieses Songs immer noch deprimierend. Dieser aufpeitschende Rocker war inspiriert von Samuel Becketts Stück „Warten auf Godot“ von 1953 und spielt im Text auf viele der Ängste an, die all jene empfanden, die im Schatten des Kalten Kriegs und der Bedrohung durch nukleare Angriffe der UdSSR lebten. Ist das der fallende Hammer? Man denke nur an Hammer und Sichel auf der sowjetischen Flagge und alles ergibt Sinn… Wie gemacht für die Bühne, ist es kein Wunder, dass dieser Song eines der Highlights beim überragenden Auftritt von Queen bei Live Aid 1985 war.
Platz 16: ›Another One Bites The Dust‹
THE GAME, 1980
›Another One Bites The Dust‹ stand in den USA an der Spitze der „Black Music“Charts und enthält angeblich die rückwärts gesprochene Botschaft „It’s fun to smoke marijuana“. Die schlichten und kompakten Vocals dieser dreckigen Interpretation von Disco-Funk laufen im Tandem mit Deacons Bass und Mays straffen, kantigen Riffs. Zusammen mit einem schlichten, treibenden Schlagzeug fast ohne Fills ist das purer Minimalismus in seiner effektivsten Form. Ob man es glaubt oder nicht, es war tatsächlich Deacon, der diesen Song schrieb und der Band so den Funk vorstellte. „Ich hatte in der Schule viel Soul gehört und mich schon immer für diese Art von Musik interessiert“, sagte er bei dessen Erscheinen. „Ich hatte schon eine Weile lang so einen Track machen wollen, doch zunächst hatte ich nur die Zeile und das Bassriff . Nach und nach füllte ich das dann auf und die anderen brachten noch weitere Ideen ein. Ich konnte zwar hören, dass das eine gute Nummer zum Tanzen sein könnte, aber ich hatte keine Ahnung, dass es so riesig werden würde.“
Platz 15: ›We Will Rock You‹
NEWS OF THE WORLD, 1977
Vielleicht war es ein unschuldiger Zufall, doch dass hier das Pronomen „we“ benutzt wurde, sagte viel darüber aus, wie die Band sich im Verhältnis zu ihren loyalen Fans sah – und über die vielen Spitzen und Angriffe, die sie für sie hatte einstecken müssen. In der Hoffnung, zu den Wurzeln zurückzukehren und die Schichten der Überproduktion runterzufahren, die ihnen auf ihren jüngeren Alben so viel Häme eingebracht hatten, sollte ›We Will Rock You‹ die „spontanere Seite“ der Band zeigen und ist ein echtes Statement, verpackt in zwei Minuten. Mit dem fesselnd-donnernden Rhythmus, den packenden Vocals und diesem wunderbar gelenkigen Gitarrensolo war es die erste echte Rockhymne seit der goldenen Ära des Classic Rock, die wirklich zündete. Eine, die alle einlud, mitzumachen, und genau deshalb so gut funktionierte. Ein Song zum Mitsingen, Mitklatschen, Mitstampfen. Übrigens gibt es hier tatsächlich gar kein Schlagzeug – der unvergessliche Beat besteht ausschließlich aus Handklatschen und Fußstampfen, das im Studio aufgenommen wurden. Die schnelle Version ist ebenfalls wert, gehört zu werden.
Platz 14: ›Fat Bottomed Girls‹
JAZZ, 1978
Bis dato hatten Queen mit Sex in ihrer Musik bestenfalls geflirtet – obwohl Brian May sagte: „Bei uns ist Sex entweder implizit oder wird halb im Scherz erwähnt, aber er ist immer da“ –, doch auf dieser ersten Single von JAZZ ließen sie gewissermaßen die Hüllen fallen. Mays Riff ist kein bisschen weniger verführerisch und beeindruckend als das anzügliche Thema des Songs. Das bluesige Riff in diesem Schlachtruf für die Wertschätzung fülligerer Frauen in aller Welt erinnert an ›Honky Tonk Women‹ der Rolling Stones vor einem klirrenden Südstaaten-Soundtrack. „Ich schrieb das mit Fred im Kopf“, sagte May 2008. „Wie man das eben tut, vor allem, wenn man einen Sänger hat, der auf fettärschige Mädchen steht…oder Jungs.“
Platz 13: ›The March Of The Black Queen‹
QUEEN II, 1974
Noch eines von Mercurys proggigeren Stücken. Mit mehr als sechs Minuten ließ er seiner Vorliebe für Bombast freien Lauf und drehte in seiner Erzählung einer Feenexpedition so richtig auf – ein sich wiederholendes Thema auf seiner Seite von QUEEN II. Dass dies einer von nur zwei Queen-Songs ist, die im Polyrhythmus/Polymeter geschrieben wurden, hat viele Fans dazu veranlasst, ihn als Vorläufer des anderen Beispiels zu betrachten: ›Bohemian Rhapsody‹ – nicht zuletzt dank des verdammt ähnlichen Outros bei 5:40. Dieser Fanliebling ist wie mehrere Stücke auf QUEEN II so unfassbar komplex, dass er nie live dargeboten wurde. Er war auch ein Paradebeispiel für die mangelnde Mäßigung der Band in Sachen Überproduktion in jenen Anfangstagen. „Das war die Zeit der 16-Spur-Studios“, sagte Mercury 1977. „Davor, als wir auf 16 Spuren so viele Overdubs machten, packten wir einfach immer mehr drauf. Das Tonband wurde durchsichtig, weil es nichts mehr aufnehmen konnte. An zwei Stellen riss es sogar.“
Platz 12: ›We Are The Champions‹
NEWS OF THE WORLD, 1977
Einen besseren Song über das Überwinden scheinbar unüberwindbarer Hindernisse als diesen gibt es einfach nicht. Dies ist Mercurys Nationalhymne für alle Underdogs, die es doch noch geschafft haben. Auch hier war das „we“ als kollektiver „Ihr und wir“-Salut an die Fans zu verstehen – ein „Wir sitzen im selben Boot“- Schlachtruf, aber mit subtileren, nachdenklicheren Absichten. Mit den Passagen darüber, seine Abbitte geleistet und seine Strafe abgesessen zu haben, ohne ein Verbrechen begangen zu haben, lud er uns in seine einsame Blase ein, sprach aber gleichzeitig für uns in seiner trotzigen Erklärung, dass „wir“ die Champions seien, „meine Freunde“. Mit pochendem Herzen, hochgerissenen Armen, mit zurückgeworfenem Kopf am Klavier sitzend wie Judy Garland, war Freddie sowohl ein Märtyrer für die Sache als auch unser wahrer Freund. „Ich kann verstehen, dass einige Leute ›We Are The Champions‹ als bombastisch bezeichnen“, gestand May Jahre später. „Aber die Aussage war nicht, dass Queen die Champions sind, sondern wir alle. Das machte die Konzerte zu Fußballspielen, nur dass alle für dieselbe Seite sind.“ Oder wie es Freddie lachend in einem Zeitungsinterview nach dem gigantischen Erfolg des Songs formulierte: „Für einige Leute bin ich immer noch eine Bitch. Ich bin gerne eine Bitch. Ich umgebe mich gerne mit Bitches. Auf jeden Fall suche ich ganz bestimmt nicht nach perfekten Menschen. Das würde mich langweilen. Ich bin einfach wie ein verrückter Straßenköter. Ich habe gerne Spaß.“
Platz 11: ›Radio Ga Ga‹
THE WORKS, 1984
Von Roger Taylor geschrieben, nachdem er seinen dreijährigen Sohn „Radio poopoo“ sagen gehört hatte, schaffte es diese ultrarhythmische Hymne in 19 Ländern auf Platz 1 der Charts. Und man kann sagen, dass eine der größten wohltätigen Leistungen, die Bob Geldof mit Live Aid vollbrachte, jene war, Queen vom Rand des Abgrunds zurückzuholen und ihnen als kreativer Kraft neuen Antrieb zu geben. „Live Aid war für uns ein wunderbarer Energieschub“, sagte Taylor sechs Monate später in einem Interview mit der „Sun“. „Jetzt können wir es gar nicht erwarten, wieder auf die Bühne zu gehen.“ Der Grund für diese Wirkung auf die Band war einleuchtend: All ihrer üblichen Live-Ausrüstung beraubt und nur auf die vier Mitglieder reduziert, lag das Wembley-Stadion Mercury dennoch zu Füßen, und zwar von dem Moment an, als er auf die Bretter stieg. Ihr Set war wie eine Greatest-Hits-Revue und der Anblick von 72.000 Menschen, die zu ›Radio Ga Ga‹ die Hände in die Luft recken, ist bis heute das denkwürdigste Bild jenes Tages überhaupt.