Während sich bei anderen Musikern häufig mit fortschreitendem Alter eine gewisse Milde einstellt, dreht Suzi Quatro noch mal richtig auf und liefert das zumindest stellenweise härteste Album ihrer bisherigen Karriere ab. Wer sich bei NO CONTROL von 2019 schon dachte, diese Frau wäre nicht aufzuhalten, dem haut die 70-Jährige mit THE DEVIL IN ME jetzt ein Werk um die Ohren, das vor Energie nur so übersprudelt. Warum sich die selbstbewusste Künstlerin nach wie vor so dynamisch fühlt, wieso das Songwriting mit ihrem Sohn so ausgezeichnet funktioniert und wie sehr das musikalische Erbe ihrer Heimat Detroit auch heute noch durch ihre Adern pumpt, erzählt Suzi Q im Interview mit CLASSIC ROCK.
Hey, Suzi! Bist du gerade in Deutschland oder in England?
Ich bin in UK, nur mein Mann lebt in Deutschland. Wir haben uns seit Monaten nicht mehr gesehen, aber mein ganzes Leben spielt sich nun mal hier ab, seines in Hamburg. Ein Umzug würde für keinen von uns beiden infrage kommen.
Trotzdem sprechen wir heute über eine schöne Sache, über THE DEVIL IN ME. Können wir dessen Entstehung komplett auf den Lockdown schieben?
Ich bin ein sehr kreativer Mensch, ich arbeite ständig, schreibe und denke. Gerade habe ich zwei Bücher in der Pipeline. Im Dezember 2019 hakte die Plattenfirma mal wegen eines neuen Albums nach, da war mein Sohn jedoch gerade mit seiner Band unterwegs und ich hatte 95 Shows geplant. Keine Zeit also! Dann kam der Lockdown um die Ecke und wir hatten die Möglichkeit, uns ohne Ablenkungen auf die neuen Songs zu konzentrieren. Meiner Meinung nach haben wir so mein bisher bestes Album erschaffen.
Ich dachte schon bei NO CONTROL, dass es ziemlich kraftvoll war, aber THE DEVIL IN ME legt noch mal eine Schippe drauf …
(lacht) Es ist lustig, dass du das sagst, denn fast jeder meint zu mir: „Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass du dich noch mal steigern würdest. Aber genau das hast du getan.“ (lacht) Keine Ahnung, wie wir das gemacht haben. Vielleicht liegt es daran, dass wir für dieses Projekt eine ganz klare Vision hatten, einfach mehr Plan, weil mein Sohn und ich ja nun schon zum zweiten Mal miteinander arbeiteten.
Ihr seid jetzt also das neue Traumpaar des Songwritings?
Es klappt echt wunderbar zwischen uns. Ich wusste früher gar nicht, dass er das in sich trägt, weil er mir nie irgendwas von sich gezeigt hat. Der Erfolg des letzten Albums steigerte sein Selbstbewusstsein enorm. Bei THE DEVIL IN ME ist er förmlich explodiert vor Tatendrang.
Seid ihr zwei sehr harmonisch beim Arbeiten?
Wir verstehen uns richtig gut und ich vertraue ihm zu 100 Prozent. Wann immer er eine Idee hat, verlasse ich mich auf ihn, weil ich weiß, dass er das nur für mich tut. Er flog los und ich flog mit ihm. Das hat sich zu einer tollen Partnerschaft entwickelt. Uns fällt echt gutes Zeug ein.
Du meintest, dass du für THE DEVIL IN ME an deine allererste Platte von 1973 zurückgedacht hast. Warum?
Na ja, das war ein bahnbrechendes Album. Niemand hatte so etwas vorher getan. Es gab damals keine Bassistin, die eine Band anführte und Rock’n’Roll spielte. Wir wollten, dass dieses Werk genauso wegweisend sein würde. Wir mussten NO CONTROL überbieten. Dann gingen wir noch einen Schritt weiter und überboten SUZI QUATRO.
Aber nicht, weil du einen Kreis schließen und danach aufhören willst?
Nein. Ich finde es irgendwie urkomisch, dass ich 70 Jahre alt bin. Nicht, dass mir diese Zahl
etwas bedeuten würde. Ich fühle mich so wohl wie nie zuvor und bin stolz darauf, so alt zu
sein und immer noch mein Ding durchzuziehen.
Alice Coopers neues Album DETROIT STORIES dreht sich um deine Heimatstadt. Auf der zugehörigen THE BREADCRUMBS EP von 2019 hat er deinen Song ›Your Mamma Won’t Like Me‹ gecovert …
Ich hätte da sogar mitmachen sollen. Es war geplant, dass ich Bass spiele und singe. Natürlich wollte ich nach dem Mix noch mal alles hören und meinen Segen geben. Doch Bob Ezrin meinte, dass das nicht ginge, und redete ein bisschen um den heißen Brei herum. Am Ende hätten sie vielleicht nur eine Zeile von mir genommen und da setze ich natürlich nicht meinen Namen drunter. Ich habe mit Alice gesprochen, wir sind alle cool miteinander, aber das war nichts für mich.
Pulsiert Detroit auch heute noch durch deine Adern?
Absolut, Detroit gab mir meine Kante, mein Selbstbewusstsein. Alice und ich sprechen oft darüber und sind zu dem Schluss gekommen: Wenn Detroit einmal in deiner DNS ist, bleibt es dort. Das hört man auch in Songs wie ›Motor City Riders‹. Mit diesem Text habe ich mir viel Mühe gegeben, weil er genau wiedergeben sollte, wie es war, in Detroit aufzuwachsen. Es sollte eine Hymne für meine Heimat werden.
Detroit spiegelt sich auch in den teilweise echt dreckigen und harten Riffs wider …
Auf jeden Fall! Auch der Motown-Aspekt ist an manchen Stellen herauszuhören. In der Platte ist echt viel Detroit, obwohl das gar nicht meine Absicht war.
Wobei du auch deine sanfte Seite zeigst.
Ja, auf ›My Heart And Soul‹ zum Beispiel. Ich arbeitete im Garten, mein Sohn im Studio. Ich hörte die Melodie, sprang sofort auf und sang die ersten Zeilen ein. Der Song hat unmittelbar mein Herz berührt und ich wollte dieses erste Gefühl nicht kaputt denken, sondern einfach ungefiltert rauslassen. Bei den eigentlichen Aufnahmen bekam ich es nicht mehr so hin, bis ich das Demo nochmal gehört habe und wieder in diese Emotion eintauchen konnte. Die Wege der Kreativität sind manchmal unergründlich.
In ›The Devil In Me‹ singst du von Fehlern, die du gemacht hast …
Meine größten Fehler sind nur passiert, weil ich nicht auf meinen Instinkt gehört habe. Ich habe eine sehr gute Menschenkenntnis, ich kann Leute lesen wie Bücher. Inzwischen habe ich gelernt, mich darauf zu verlassen. Und mein Mann auch. (lacht)
Suzi, wie war das eigentlich so mit den männlichen Groupies?
Die gab es natürlich. Aber ich sage mal so: Man braucht schon ordentlich Eier, um sich an Suzi Quatro heranzutrauen. (lacht)