Subtil ist absolut nichts am „Motor City Madman“, der seine Musik in den 70ern perfekt zusammenfasste: „Ist sie zu laut, bist du zu alt!“
Kaum eine Figur im Rock‘n‘Roll – falls überhaupt eine – teilt die Meinungen so sehr wie Ted Nugent: lauter, stolzer, durch und durch amerikanischer Rockstar und Gitarrenheld, Jäger und Sprecher der Waffenlobby, Fluch aller Liberalen und Feministen, politisch rechts gerichteter Patriot und Unterstützer von Sarah Palin.
Man kann davon halten, was man will, aber er ist egoistisch, starrsinnig, konfrontativ, kontrovers und völlig frei von jeglichen Selbstzweifeln. Und es ist diese Persönlichkeit – „larger than life“, eine Naturgewalt –, die seine beste Musik formt. „Ich wurde dazu erzogen, maximal Arsch zu treten“, sagt er.
Er wurde am 13. Dezember 1948 in Redford, Michigan, einem Vorort von Detroit, unter dem Namen Theodore Anthony Nugent geboren und machte sich in den späten 60ern einen Namen als Gitarrist und Sänger der Amboy Dukes. Als deren 1974er Album TOOTH, FANG & CLAW aber als „Ted Nugent‘s Amboy Dukes“ veröffentlicht wurde, war klar, dass er über sie hinaus gewachsen war.
1975 unterschrieb er mit 26 bei Epic Records als Solokünstler. Sein schlicht TED NUGENT betiteltes Debüt war ein großer Hit in den USA, verkaufte sich zwei Millionen mal und etablierte den sogenannten „Motor City Madman“ sowohl als echten Star als auch als einen der größten Gitarristen seiner Generation.
Es folgte eine Reihe von testosteronschwangeren Hardrock-Klassikern, inklusive CAT SCRATCH FEVER und das legendäre DOUBLE LIVE GONZO!, doch in den 80ern verlor er mit einigen schwachbrüstigen Pop-Metal-Werken den Faden sowie seine Eier. Am Ende dieses Jahrzehnts hatte er aber als Mitglied der Supergroup Damn Yankees wieder riesigen Erfolg. Seitdem ist er wieder zu dem raueren Rock‘n‘Roll-Stil zurückgekehrt, der seinen Ruf begründete.
Heute, mit 64, ist „Uncle Ted“ für seinen Lebenswandel und seine politischen Ansichten ebenso berühmt – oder berüchtigt – wie für seine Musik. Sein Talent als Jäger von Format bewies er schon 1974, als er einen landesweiten Wettbewerb im Eichhörnchenschießen per Pfeil und Bogen gewann. Er sagte mal, dass das Töten wilder Tiere ihm eine „totale, spirituelle Raubtier-Erektion“ gebe. Und als Mitglied der National Rifle Association, dem einflussreichen Verband der Waffennarren, hat er den zweiten Zusatzartikel der amerikanische Verfassung – das Recht, eine Waffe zu besitzen und zu tragen – selbst nach mehreren Amokläufen in letzter Zeit verteidigt.
Ob man ihn liebt oder hasst, Ted Nugent ist die lebende Personifizierung des alten amerikanischen Pioniergeistes. Und was er in den 70ern über seine Musik sagte, ist immer noch wahr: „Ist sie zu laut, bist du zu alt!“
Text: Paul Elliott
Unverzichtbar:
TED NUGENT
EPIC, 1975
Über die gesamten 70er wurde der US-Hardrock von einigen selbstbetitelten und epochalen Debütalben definiert, und dies war eines davon. Inspiriert von Chuck Berry und James Brown, erschuf Nugent hier einen Sound, der gleichermaßen funky wie heavy war. Mit seiner typischen Gibson Byrdland spielte er hart, schnell und aus dem Bauch. Und er hatte eine umwerfende Backing-Band mit Bassist Rob Grange, Schlagzeuger Cliff Davies und Gitarrist/Sänger Derek St. Holmes. Auf diesem Alltime-Klassiker des Hardrock finden sich gleich fünf der besten Stücke Nugents gesamter Karriere: ›Stormtroopin‘‹, ›Just What The Doctor Ordered‹, ›Hey Baby‹, ›Motor City Madhouse‹ und das grandiose ›Stranglehold‹.
DOUBLE
LIVE GONZO!
EPIC, 1978
Das mit Abstand beste der vielen Live-Alben des Meisters. Es entstand 1976 und 1977, als er zu Amerikas größten Live-Acts zählte. Sein Keine-Gefangenen-Ethos brachte er in einer einfachen Ansage auf den Punkt: „Wer einen Gang runterschalten will…nun, der soll sich fucking verpissen!“ Neben frischgebackenen Hymen wie ›Cat Scratch Fever‹ fanden sich auch klassische Amboy-Dukes-Nummern wie ›Hibernation‹, gestreckt auf 16 unfassbare Minuten. In einem Jahr vieler großartiger Live-Werke – von AC/DC, Thin Lizzy, den Scorpions und anderen – lieferte Nugent ein echtes Meisterwerk ab.
Wunderbar:
CAT SCRATCH FEVER
EPIC, 1977
In Nugents berühmtesten Lied, dem Titelstück seines dritten Soloalbums, geht es um das, was er als „die Krankheit der Jungs, Mächen zu wollen“ nennt. Angetrieben von einem passend dreckig pumpenden Riff, wurde es zu seiner einzigen US-Top-30-Single. Der laszive Ton zeichnet auch den zweitbeliebtesten Song darauf aus: ›Wang Dang Sweet Poontang‹. Doch es fand sich auch subtileres Material, vor allem ›Home Bound‹, ein lieblich melodisches Instrumental im Stil von ›Hibernation‹, das 1992 von den Beastie Boys auf ›The Biz Vs. The Nuge‹ gesamplet wurde.
FREE-FOR-ALL
EPIC, 1976
Nach dem Erfolg des Debüts waren die Erwartungen an den Nachfolger hoch. Der Druck erhöhte sich, als Derek St. Holmes sich mit dem Boss zerstritt und nach der Hälfte der Aufnahmen ausstieg. Nugent verfiel nicht in Panik, sondern spielte Stücke mit einem unbekannten Sänger ein, der bald selbst ein Superstar werden sollte: Meat Loaf. Er sang kraftvoll auf ›Street Rats‹, während Nugent beim funkigen Titel-stück selbst ans Mikro trat. St. Holmes wiederum klang auf ›Dog Eat Dog‹ so cool, dass er bald wieder ins Boot geholt wurde. FREE-FOR-ALL hätte ein Desaster werden können, doch stattdessen wurde es ein großartiges Album.
WEEKEND WARRIORS
EPIC, 1978
Als ob es nicht schwer genug gewesen wäre, DOUBLE LIVE GONZO! zu toppen, wurde es noch diffiziler, als Derek St. Holmes erneut das Weite suchte und Bassist Rob Grange es ihm gleichtat. Nugent war Mann genug, sich dieser Herausforde-rung zu stellen. Wie das Cover von WEEKEND WARRIORS zeigt, feuerte er aus allen Rohren. Mit dem Detroit-Rock-Veteran Charlie Huhn an Rhythmusgitarre und Lead-Vocals sowie zwei anderen Bassisten lieferte Nugent ungehobelte Hardrockstücke wie ›Smokescreen‹, ›Need You Bad‹ und die Säuferhymne ›Good Friends And A Bottle Of Wine‹ ab.
SCREAM DREAM
EPIC, 1980
Nach der Enttäuschung von STATE OF SCHOCK (1979), auf dem sich mit ›Paralyzed‹ nur ein Killertrack befand, startete Nugent im Angriffsmodus ins neue Jahrzehnt. Das frenetische ›Wango Tango‹ ist vielleicht das verrückteste Stück, das er je aufnahm, das Titellied ist ähnlich manisch. Zwei Überraschungen finden sich ebenfalls: ›Flesh & Blood‹ mit den stark verzerrten Vocals, die zum Markenzeichen des Industrial Metal werden sollten, und ›Terminus Eldorado‹ mit der funky Tex-Mex-Seltsamkeit von ZZ Top. Doch dieses Album sollte das Ende seiner genialen Phase markieren.
Anhörbar:
Ted Nugent’s Amboy Dukes
TOOTH FANG & CLAW
DISCREET 1974
Die Amboy Dukes, im Grunde eine bluesbasierte Heavy-Rock-Band, hatten 1968 mit dem psychedelischen ›Journey To The Center Of The Mind‹ einen kleineren Hit. Der verdrogte Text fiel Nugent offenbar nicht auf, denn er war und ist bis heute streng gegen Drogen. Fünf Alben später war nur noch er vom 1968er Line-up übrig und hatte bei TOOTH FANG & CLAW das alleinige Kommando. Zwei Songs stechen heraus: ›Great White Buffalo‹, ein wütendes Umweltkrieger-Protestlied, und ›Hibernation‹, ein langer, brillanter Instrumental-Jam. Beide waren jahrelang Teil seines Live-Sets.
Damn Yankees
DAMN YANKEES
WARNER BROS., 1990
Auf den ersten Blick schien es nicht zu passen: der Motor City Madman in einer Supergroup mit zwei relativen Leichtgewichten, dem Schönling Tommy Shaw von Styx und Night-Ranger-Bassist/Sänger Jack Blades. Doch überraschenderweise funktionerte er gut als Team Player, und nach einem Jahrzehnt in kommerziellem Sinkflug hatte er endlich wieder einen Hit, als dieses Album zwei Millionen Käufer fand. Die Damn Yankees ritten mit gelungenem Arena-Rock wie ›Coming Of Age‹ und der Powerballade ›High Enough‹ auf der letzten Welle der Hair-Metal-Jahre. Eine Reunion hat Nugent nicht ausgeschlossen.
SPIRIT OF THE WILD
ATLANTIC, 1995
Zwei Jahre nach dem Ende der Damn Yankees kehrte Nugent zu seinen Wurzeln zurück. Er tat sich wieder mit St. Holmes zusammen, mit dem er zuletzt 1982 gearbeitet hatte, und machte ein Album im Stil seiner klassischen 70s-Werke. Er wählte einen symbolischen Titel, der CALL OF THE WILD von den Amboy Dukes aufgriff und benannte sogar einen Song ›Tooth Fang & Claw‹. ›Thighra-ceous‹ hat ein Zeppelin-inspi-riertes Riff, ›Fred Bear‹ ist eine emotionale Hommage an den legendären Bogenjäger, und mit ›Kiss My Ass‹ bewies Nugent, dass er auch im Alter nicht mild geworden war.
Sonderbar:
LITTLE MISS DANGEROUS
ATLANTIC, 1986
Diverse Rockstars der 70er hatten sich in den 80ern erfolgreich neu erfunden: Aerosmith, Heart, David Coverdale. Ted Nugent gehörte nicht dazu. 1986, als Bon Jovi, Poison und Cinderella groß wurden, versuchte er mit LITTLE MISS DANGEROUS, auf den Hair-Metal-Zug aufzuspringen. In dem verzweifelten Versuch, den Trend mitzumachen, wurde der Wilde zur Pussy. Das Album klingt entsetzlich und die Songs sind beschämend schlecht. Das Titelstück ist ein schwacher Billy-Idol-Verschnitt, ›Savage Dancer‹ könnte von jeder zweitklassigen Sunset-Strip-Glam-Band jener Zeit sein. Zweifellos der Tiefpunkt von The Nuge.
Traumsampler:
›Great White Buffalo‹
TOOTH FANG & CLAW
›Stranglehold‹
TED NUGENT
›Just What The Doctor Ordered‹
TED NUGENT
›Stormtroopin’‹
TED NUGENT
›Hey Baby‹
TED NUGENT
›Free-For-All‹
FREE-FOR-ALL
›Dog Eat Dog‹
FREE-FOR-ALL
›Cat Scratch Fever‹
CAT SCRATCH FEVER
›Wang Dang Sweet Poontang‹
CAT SCRATCH FEVER
›Hibernation‹
DOUBLE LIVE GONZO!
›Motor City Madhouse‹
DOUBLE LIVE GONZO!
›Good Friends And A Bottle Of Wine‹
WEEKEND WARRIORS
›Paralyzed‹
STATE OF SHOCK
›Wango Tango‹
SCREAM DREAM
›Terminus Eldorado‹
SCREAM DREAM