Und Van Halen ist Kunst?
Für mich auf jeden Fall. Es ist eine Form des individuellen Ausdrucks, in die ich viel Energie und Zeit investiere – heute noch mehr als je zuvor.
Laut deiner Biografie „Crazy From The Heat“ konntest du Live-Auftritte nie wirklich genießen – wegen starker Rückenschmerzen. Ist das noch der Stand der Dinge? Tut es immer noch weh?
Nur, wenn ich wach bin! (lacht) Ich meine, es gab keinen Moment, in dem es nicht wehgetan hätte. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie ich vor 20 Jahren einen meiner Kung Fu-Lehrer gefragt habe, ob es je aufhören würde zu schmerzen. Und er meinte: „Nein!“ Wobei es andererseits aber auch so ist: Wenn es nicht schmerzt, musst du nicht ganz so hart kämpfen. Bruce Lee hatte zum Beispiel fürchterliche Rückenprobleme in „Enter The Dragon“. Sie müssen so heftig gewesen sein, dass er den Film kaum beenden konnte. Und auch John F. Kennedy hatte während seiner gesamten Präsidentschaft mit üblen Schmerzen zu kämpfen. Das ist etwas, das sich durch die gesamte Geschichte zieht. Aber wer weiß: Vielleicht zwingt es einen auch dazu, noch fokussierter zu sein. Und ich bin gerade sehr fokussiert. (lacht) Das ist meine medizinische Antwort.
Was bedeutet das konkret – kriegst du den berühmten Spagat-Sprung noch hin oder verzichtest du inzwischen darauf?
Das gehört zu diesem halbwüchsigen Blödsinn, an dem sich viele Rockbands festzuklammern scheinen. Und was etwas Lustiges, aber auch Trauriges hat – wie Witze, die vor 20 Jahren mal ganz lustig waren, aber es heute nicht mehr sind. Genauso wenig wie bestimmte Tanzbewegungen, die heute allenfalls als lächerlich durchgehen. Oder auch Frisuren, bei denen du heute denkst: „Was zum Teufel habe ich mir da nur gedacht?“ All diese Sachen sind für jemanden, der aktuell und zeitgemäß sein will – wie wir – absolut gefährlich. Denn sie stehen für die Vergangenheit, für Nostalgie, und es ist wichtig, sich von diesen Vorstellungen zu lösen. Insofern brauchen sie ein Update.
Wie sieht das aus?
Ganz einfach: Ich werde mich so verhalten, wie das für mein Alter angemessen ist. Also damit ich mich nicht lächerlich mache. Was nicht heißt, dass ich keine Energie mehr habe oder nur noch steif vor dem Mikro stehe – so weit wird es nicht kommen. Ich halte es eher mit der Mohammed Ali-Methode: Ich bin ständig in Bewegung, ich tanze meinen Gegner aus – und dann schlage ich zu.
Wobei ihr in den USA mit Kool & The Gang tourt. Ist das nicht eine eher ungewöhnliche Konstellation?
Schon, aber es ist eine bewusste Entscheidung. Einfach, weil Van Halen so ein breites Publikum aus allen erdenklichen Lagern anspricht. Heavy Metal ist nur eines davon. Und Kool & The Gang stellen für uns in etwa das dar, was Clarence Clemons für die E-Street Band war – sie bringen uns Zuschauer, die sich ansonsten nie in ein Konzert wagen würden. Ganz abgesehen davon, dass Kool & The Gang seit Jahrzehnten so etwas wie den ultimativen amerikanischen Party-Soundtrack liefern: Es gibt keinen Springbreak, keine Ferien, keine Beerdigung, keine Hochzeit ohne ihre Musik.
Und bei uns ist es mittlerweile auch so, dass wir Sitzplätze bei unseren Konzerten haben – weil die Hälfte des Publikums weiblich ist. Von daher können wir nicht einfach nur Stehplätze anbieten. Auch wenn garantiert keine der Damen sitzen wird. Denn wenn wir auf der Bühne loslegen, ist jeder in Bewegung. Ausruhen können sie sich später zu Hause.
Da wir gerade vom anderen Geschlecht reden: Als du in den 80ern gefragt wurdest, wie deine Traumfrau aussieht, hast du geantwortet: „Die perfekte Frau hat einen IQ von 150, will bis vier Uhr morgens Liebe machen und verwandelt sich dann in eine Pizza.“ Haben sich deine Ansprüche inzwischen geändert?
Das ist definitiv aus den 80ern! Und für alles, was ich damals von mir gegeben habe, gilt: Ich war ein Kind und ich habe auch wie ein solches gedacht! Heute würde ich sagen, ihr IQ müsste bei mindestens 162 liegen. Und statt Pizza würde ich Thai Food bevorzugen. (lacht) Aber Sex kann ich immer noch die ganze Nacht haben – daran ist nichts falsch. Ich bin nur ein bisschen anspruchsvoller geworden.
Also ist das – bei aller Reife und allem Anspruch, den du hier unterstreichst – immer noch ein Thema, bei dem du Spaß hast?
Aber klar doch! Ich denke, du machst dir immer Gedanken darüber, wer deine Musik hört, für wen du deine Texte schreibst und wer dir bei deinen Konzerten zu-sieht. Wobei die meisten Heavy Metal-Künstler an ein Publikum denken, das zum Großteil aus Kerlen besteht. Ich meine, jedes Mal wenn irgendwo eine Faust hochgerissen wird, ist das für die Jungs – und für keinen anderen. Aber was Van Halen betrifft: Glaubt ihr etwa, wenn ich etwas Quietschgelbes trage, würde ich das für die Typen im Publikum tun? (lacht) Und für wen könnten wohl diese ganzen akrobatischen Einlagen und Tanzschritte gedacht sein? Etwa für die Brüder vom Harley Club? Nein! Wenn es nicht gerade darum geht, irgendeine hochphilosophische Botschaft ins Publikum zu brüllen, ist das alles nur für die Ladies gedacht.
Und genau das gilt auch für meine Texte. Wo-bei das nichts ist, was sich groß erklären lässt, und es ist auch keine Masche, sondern es passiert einfach. Während Stücke wie ›Winged Assassins‹ für die Jungs sind, richten sich Sachen wie ›I Can’t Wait To Feel Your Love Tonight‹ ganz klar ans andere Geschlecht – und das Video dazu dreht sich quasi von selbst.
Darf man fragen, wie viele Damen du in deiner Karriere gebettet und beglückt hast?
(lacht) Ich weiß nicht, ob ich alle, die ich gebettet habe, auch wirklich beglückt habe. Aber: Ich hoffe es zumindest. Also, dass ich da zumindest eine passable Trefferquote hatte. Nur: Ich weiß nicht, wie viele es wirklich waren, und ich habe sie auch nie gezählt. Einfach, weil das nichts ist, womit ich prahle. Ich bin ein Gentleman, ich genieße und schweige. Und so halte ich es bis heute – auch, wenn ich, was das betrifft, zwangsläufig deutlich ruhiger geworden bin. Ich bin schließlich 56!