Die Sheepdogs sind coole Hunde. Diese Vorannahme über die gut gelaunten und höchst sympathischen Kanadier bestätigt sich einmal mehr, als man mit Bassist Ryan (R) und Frontmann Ewan (E) strumpfsockig während der UK-Tour in deren Nightliner in Birmingham abhängt, um über das starke neue Album OUTTA SIGHT im Speziellen und den Rock’n’Roll im Allgemeinen zu philosophieren.
OUTTA SIGHT ist euer dritter Release während der Pandemie. Worin liegt für euch der größte Unterschied, mit oder ohne Pandemie zu arbeiten?
R: Im Touren. Das hier sind unsere ersten Livedates außerhalb Kanadas seit 2019. Das ist ehrlich seltsam für eine Band, die viel reist und deren Liveperformances ein integraler Bestandteil des Marketings sind. Deshalb hatten wir uns einfach auf das Songwriting und Aufnehmen konzentriert.
Für CHANGING COLOURS habt ihr euch enorm viel Zeit gelassen, wie seid ihr bei OUTTA SIGHT vorgegangen?
E: Eigentlich genau gegenteilig. Wir wussten nicht mal, dass wir eine Platte machen würden. Wir trafen uns ab und zu im Studio, das lief gut, also blieben wir dran und bevor wir es uns versahen, hatten wir zwölf Lieder beisammen. Wir saßen im Proberaum, spielten alles im Kreis – ein bisschen wie in der Beatles-Doku – und
arbeiteten ein Lied nach dem anderen aus.
Ihr verfolgt ja eine sehr sorglose Herangehensweise an den Rock’n’Roll. Fühlt sich diese Luftigkeit immer gut an?
E: Ja, denn für mich ist der Rock’n’Roll ein Raum für Eskapismus. Wir versuchen, unsere Werke nicht an eine gewisse Zeit zu knüpfen. Auch der Ukraine-Krieg kann nicht ewig gehen. Ich möchte, dass meine Musik universal ist.
R: Ich denke, manche Teile von OUTTA SIGHT sind bestimmt unterbewusst von der Pandemie beeinflusst. Doch in der Sekunde, in der das Ganze vorüber ist, möchte doch niemand mehr daran erinnert werden. Also war es uns wichtiger, Musik zu schaffen, die zu einem „Danach“ statt zu einem „Mittendrin“ passt.
Welche Bands machen euch gute Laune?
E: Vier Jahre in Folge war J. J. Cale in meiner Spotify-Wrapped-Liste ganz oben. Was ich an ihm mag: Er ist luftig, aber nicht fröhlich. Egal was ich tue, J. J. Cale passt dazu. Wahrscheinlich, weil ich so viel in meinem Garten abhänge.
R: Ich habe während der Pandemie viel Exotica gehört, wahrscheinlich, weil wir so wenig unterwegs waren. Ich habe gemerkt, dass diese Musik meine Stimmungen gut aufgenommen hat, das hat mich echt aufgemuntert.
Wenn ihr Songs schreibt, schottet ihr euch von äußeren Einflüssen ab?
E: Nein, denn Songwriting passiert ständig in meinem Kopf. Mir fliegen immer mal wieder Ideen zu, wenn ich dabei gerade in einer Bar stehe, singe ich schnell in mein Handy. Wir sind von einigen Künstlern beeinflusst, aber der Trick dabei ist eben, dass es viele sind und nicht nur eine Band.
R: Bei unserer letzten Single merkt man das besonders. Zehn verschiedene Leute gaben zehn verschiedene Referenzen an, woran sie sie erinnerte.
E: Für manche ist ›Find The Truth‹ mit dem Twin-Guitars-Part eher ein Thin-Lizzy-Ding, für andere doch eher Steely Dan. Die Grooves sind aber anders, außerdem klingt meine Stimme nicht nach Phil Lynott.
R: Leider! (lacht)
Niemand ist so cool wie Phil Lynott!
E: (lacht) Das stimmt. Du versuchst eben, deine Helden nachzuahmen, und landest irgendwo anders. Das bist dann du. Mit diesem Fakt muss man sich anfreunden, das war ein wichtiger Teil unseres Reifeprozesses.
Was ist denn der Kern des Rock’n’Roll für euch?
R: Wir singen extra sehr vage darüber, damit wir diese Frage nicht beantworten müssen. (lacht)
E: Das ist ja die tiefgreifendste aller Fragen. Wahrscheinlich ist es am Ende nicht mehr als ein Gefühl. Es ist eine sehr befreiende Angelegenheit, Rock’n’Roll zu hören, man kann seine Sorgen vergessen. Er tut niemandem weh, es geht um Leidenschaft und Liebe, null Kalorien. Serotonin ist im Spiel, eine expressive Angelegenheit. Und dann ist der Rock’n’Roll natürlich ein verbindendes Element. Wenn wir unsere Musik live spielen, treffen wir Menschen, die so sind wie wir – langhaarige Typen, Mädels in Schlaghosen. Wenn man an so einem normalen Nachmittag durch die Straßen läuft, sieht man nicht viele Leute, die aussehen wie Ryan.
Was macht grandioses Rock’n’Roll-Songwriting aus?
E: Ich denke, die besten Rock’n’Roll-Songs wirken auf den ersten Blick simpel. Wenn man an einen Song wie ›Louie Louie‹ denkt, ist der fast schon idiotisch einfach und trotzdem grandios. Das beste Lied über Rock’n’Roll ist ›It’s A Long Way To The Top‹ von AC/DC. Drei Akkorde, der Text ist easy und in der Line „it’s harder than it looks“ steckt so viel Wahrheit. Dabei ist es trotzdem unglaublich schwer, so dermaßen hart zu grooven. Für mich sind die besten Rocksongs badass, aber simpel. Du musst nicht auf der Musikschule gewesen sein, um
so etwas zu erschaffen.
R: Ich stimme Ewan zu, wobei es schwierig ist, das herunterzubrechen. Ich denke nicht, dass ein Algorithmus guten Rock’n’Roll produzieren könnte.
Es gibt Algorithmus-Metallica-Songs …
E: Manche der jüngeren Metallica-Alben klingen auch so, als wären sie von einem Algorithmus fabriziert worden. (lacht)
R: Ich meinte ja einen guten Song! Klar kann man Musik als reine Aneinanderreihung von Noten und Rhythmen betrachten. Um aber nochmal auf Thin Lizzy zurückzukommen: Niemand auf Erden kann das Zeug von Phil Lynott singen und dabei auch nur annähernd so cool klingen. Das kann nicht reproduziert werden.
Dazu gehört eine Haltung, eine Attitüde.
Welcher eurer Songs entspricht dem am meisten?
E: Vom neuen Album würde ich ›Find The Truth‹ anführen. Aus unserem ganzen Katalog würde ich mich für ›I Don’t Know‹ entscheiden.
R: Als wir den zum ersten Mal spielten, waren wir in einer Bar in Kanada. Das Publikum reagierte sofort total krass darauf, sodass wir ihn am Schluss nochmal zum Besten geben mussten.
Kann der Rock’n’Roll-Traum mit eurem wirklichen Rock’n’Roll-Leben mithalten?
E: Ich würde sagen, wir sind jetzt eine Mittelklasseband. Als ich ein Teenager war, las ich „Hammer Of The Gods“ über Led Zeppelin. Die machten damals mit einer Show mehr Geld als wir mit einer ganzen Tour. Aber deshalb haben wir ja nicht damit angefangen, sondern weil wir die Musik lieben. Wir arbeiten uns langsam hoch.
R: Klar idealisierst du anfangs dieses Bild, wie es sein muss, in einer Rockband zu sein. Unser Ziel war es immer, das hauptberuflich zu machen. Inzwischen geht das und wir sehen immer noch Wachstum, das ist also mehr, als wir uns erträumt hatten. Wir würden uns nie verstellen, um mehr Erfolg zu haben.