„Es gibt die Sonne, den Mond, die Sterne und die Rolling Stones“ …
Derart ergriffen sinnierte Keith Richards über seine Rhythm’n’Blues-Combo, nachdem diese am 25. März 2016 endlich, zum ersten Mal in ihrer über 50-jährigen Geschichte, auf Kuba auftreten konnte. Nun durften also auch die Stones – nur wenige Tage nach ihrem „Support-Act“ US-Präsident Obama – ebenfalls den „Eisernen Vorhang“ zur anti-imperialistisch wehrhaften Karibikinseln durchschreiten. Ein dermaßen polit- und pop-historisches Ereignis kann man schon einmal feiern, dachten sich sicherlich der geschäftstüchtige Mick und seine rüstigen Herren und so kann die damals nicht vor Ort gewesene „westliche Welt“ an jenem Freitagabend in Form einer einmaligen Aufführung in zahlreichen, über den Globus verteilten Kinos beiwohnen.
Es ist schon eine seltene, festliche und auch etwas merkwürdige Stimmung, irgendwo zwischen Film-Premiere und Rock-Show, als die in Stones-Shirts und Lederjacken ausgehfein gemachten, zum Teil vom eigenen Nachwuchs begleiteten Münchner Herr- und Damenschaften in den roten Polsterstühlen des Saals Platz nehmen, um ein komfortables und wahrlich brillantes Konzerterlebnis zu genießen.
Zunächst wollen uns Mick, Keith, Ronnie und Charlie in einem kurzen Grußwort willkommen heißen. Sind diese vier alten Jungs albern und sympathisch! Besonders Charlie Watts’ sagenumwobener trockener Humor wurde von ihm wohl nie zuvor öffentlich so wortreich, fast schon vorlaut, unter Beweis gestellt. Dann beginnt die ursprünglich aus 18 Songs bestehende, auf kinotaugliche 13 Lieder eingekürzte Show. Etwas – nicht unbedingt ungewohnt – holprig, dafür dermaßen außergewöhnlich vor Spielfreude und auch vor Liebe füreinander strahlend, starten die Stones in ›Jumpin’ Jack Flash‹ und ›It’s Only Rock’n’Roll (But I Like It)‹. Ab ›Out Of Control‹ grooven sie sich dann endlich zusammen und erreichen einen Sound und eine Form, in denen man die Stones nicht immer erleben durfte.
Ähnlich Scorseses 2008er Film „Shine A Light“ fühlt man sich den Musikern unglaublich nahe, auch durch einen bereits damals angewandten Ton-Trick: Das Instrument des Musikers, der gerade in Nahaufnahme gezeigt wird, wird lauter – als würde man mit den Ohren voran lauschend über die Bühne rennen. Die große Errungenschaft: Hier steht nicht, wie bei dem Theater-Gig vor acht Jahren, eine perfekt durchgetaktete Show und ein auf Hollywood-Ästhetik getrimmtes Plastik-„Party“-Publikum im Vordergrund. Hier geht es um die wahren Menschen – auf und vor der Bühne. Eine geschätzte Legion von Kamera-Männern muss es gebraucht haben, um all diese Momente einzufangen: Natürlich gibt es die Stones in bekannter Aktion, aber auch intim bei ihren kurzen Verschnaufspäuschen hinter Charlies Drum-Podest zu sehen. Außerdem schaffen es die Kameras, die besondere emotionale Atmosphäre durch die vielen Gesichter der insgesamt 450.000 anwesenden, teils ergriffen Gott dankenden, teils leichtherzig Salsa tanzenden Bewohner Havannas einzufangen.
Auf diese Weise umgesetzt, kann ein Kinobesuch tatsächlich auch mal eine wertvolle Alternative zum Live-Besuch sein!