Mit ihrem neuen Album ELYSIUM bedienen STRATOVARIUS perfekt die Melodic Metal-Zielgruppe. Dennoch drücken die finnische Band zurzeit allerlei Sorgen.
Dies sind nicht eben die einfachsten Monate im Leben von Stratovarius-Sänger Timo Kotipelto: Die Aufnahmen des am 14.1. veröffentlichten Albums ELYSIUM nahmen mehr Zeit als geplant in Anspruch, so dass die Tour-Vorbereitungen darunter litten. Außerdem meldete sich zum Tour-Start auch noch Drummer Jörg Michael krank. Doch der Reihe nach:
Seit dem Ausstieg ihres langjährigen Chefs, Gitarrist Timo Tolkki, vor drei Jahren haben Stratovarius mit Matias Kupiainen einen neuen Saiten-Experten an Bord. Während sich Kupiainen auf seinem Stratovarius-Einstand POLARIS (2009) noch spürbar zurückhielt, hat er mittlerweile das Zepter übernommen: Der vielseitige Musiker schrieb nicht nur mehr als die Hälfte der neuen Songs, er fungierte auf ELYSIUM auch als Toningenieur und Produzent. „Für mich als Sänger ist es natürlich besonders wichtig, dass unsere Kompositionen immer die Bandbreite meiner Stimme berücksichtigen, da-mit die Stücke auch wirklich strahlen“, erläutert Kotipelto. „Matias und ich mussten uns erst aneinander gewöhnen. Insofern war ELYSIUM eine schwierige Geburt. Ich verbrachte vier Wochen lang jeden Tag im Studio, damit wir auf den gleichen Nenner kommen. Das kostete Zeit und Kraft.“
Nur mit Ach und Krach wurde die aktuelle Scheibe, an der Kupiainen vier Monate lang ununterbrochen werkelte, rechtzeitig zur Tournee mit den Power Metal-Kollegen Helloween fertig. „Wir sind ja keine Band, bei der alle im gleichen Ort wohnen und sich locker im Proberaum treffen können. Jens (Johansson, Keyboarder der Band, Anm.d.A.) lebt in Schweden, Jörg Michael in Dortmund, der Rest in Finnland. Es muss also immer alles frühzeitig organisiert werden.“
In diesem speziellen Fall machte die Hiobsbotschaft schlechthin das Chaos perfekt: Bei Drummer Jörg Michael wurde ein Krebsleiden diagnostiziert. Im vergangenen Herbst mussten bei ihm eine Geschwulst entfernt und eine Strahlenbehandlung durchgeführt werden. „Zum Glück scheint der Krebs noch nicht gestreut zu haben, sodass sich Jörg bereits wieder auf dem Weg der Besserung befindet. Aber natürlich fiel er für den ersten Teil der Tournee aus“, bedauert Kotipelto. Als Ersatzmann wurde Alexander Landenburg (Mekong Delta, Annihilator) verpflichtet, doch ab Mitte Januar soll Michael wieder an Bord sein. „Er ist schon im Proberaum und trainiert für die Tournee“, freut sich der Stratovarius-Frontmann für seinen Bandkollegen.
Zum Glück kann man der neuen Scheibe ELYSIUM diese schwierige Entstehungsgeschichte nicht anmerken. Stratovarius klingen auf ihrem 14. Studioalbum unbeschwert wie ehedem und glänzen mit hymnenartigen Gesangsmelodien und opulenten Arrangements. „Bei so vielen Vorgängerscheiben ist es natürlich schwierig, wirklich signifikante Änderungen auszumachen“, weiß Kotipelto nur allzu gut, „zumal wir den etwas progressiveren Ansatz, den Mattias in die Band bringt, natürlich sehr begrüßen, andererseits Stratovarius aber nicht grundlegend verändern wollen. Es war schon so mühsam genug, Matias Wunsch entsprechend die Gesänge etwas tiefer als gewohnt anzulegen. Anfangs machte ich mir Sorgen, dass wir zu viele Veränderungen auf einmal vornehmen. Aber jetzt bin ich sehr zufrieden und auch stolz darauf, dass wir diesen Spagat geschafft haben.“
In diesen Wochen entscheidet also zunächst das Publikum von Helloween darüber, ob ELYSIUM auch auf der Bühne sein hohes Potenzial bestätigen kann. Doch für den Frontmann ist dies kein Problem: „Die Zuschauer von Helloween und Stratovarius sind sowieso fast identisch: Beide Bands machen einen melodischen Power Metal, insofern interessiert mich die Reaktion der Helloween-Fans ebenso wie die unserer eigenen Anhänger.“
Matthias Mineur