Wer schon eine beinahe 50-jährige Karriere, etwa 118 Millionen verkaufte Tonträger und diverse Platinalben zustande gebracht hat, könnte sich eigentlich entspannt zurücklehnen. Doch Status Quo denken nicht einmal daran, kürzer zu treten. Ende Mai ist QUID PRO QUO erschienen, das 29. Studioalbum der britischen Rocker. Und die Band fühlt sich so frisch wie seit Jahren nicht mehr.
Francis Rossi, Bandchef von Status Quo, ist sichtlich gut drauf. Das verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht wird von Minute zu Minute breiter, und seine Augen blinzeln schelmisch. „Mir geht es wirklich gut“, betont der Musiker, der seit vergangenem Jahr den Adelstitel „Officer Of The British Empire“ tragen darf. „Die Sonne scheint, die Blumen blühen, da kann man sich doch nur des Lebens freuen. Der Frühsommer ist für mich immer die schönste und inspirierendste Zeit des Jahres.“ Wenn man Herrn Rossi betrachtet, glaubt man kaum, dass man einem Mann gegenüber sitzt, der die 60 bereits hinter sich gelassen hat und schon beinahe 50 Jahre im Musikbusiness aktiv ist. Er wirkt vergnügt und locker, hat immer einen Scherz parat. Auch bei der Frage nach seinem Erfolgsrezept muss er schmunzeln. „Wir haben einfach nie aufgehört. Trotz der vielen Höhen und Tiefen im Verlauf unserer Karriere hatten wir immer einen eisernen Willen. Aufgeben kam für uns nie in Frage.“
Dabei war die Band während der vergangenen Jahrzehnte vielen Veränderungen ausgeliefert. Trends kamen und gingen, und auch die geschäftliche Seite des Musikerdaseins hat sich radikal verändert. „In den Fünfzigern lief alles noch auf einem ziemlich naiven Niveau ab. Das merkt man schon allein an den Texten“, blickt Francis zurück und fängt dann plötzlich an zu singen: „The sun is out, the sky is blue, there are no clouds – so ging das damals. So einen Mist kannst du heute nicht mehr singen. Die Musik ist deutlich anspruchsvoller geworden.“ Auch Erfolg wird seiner Meinung nach heute anders definiert als früher. „Nur wer entsprechend viele Alben absetzt, ist ein Top-Act – so sehen das die meisten Leute. Außerdem zählt in erster Linie der schnelle Erfolg. Doch die wahre Herausforderung besteht nicht darin, erfolgreich zu werden, sondern erfolgreich zu bleiben. Wie viel Disziplin und harte Arbeit dahintersteckt, bemerkt aber kaum jemand.“
Disziplin und Professionalität zählen für den Musiker zu den wichtigsten Eigenschaften und Stärken eines Künstlers. „Das mussten wir auch erst lernen. Als wir noch sehr jung waren, traten wir bei der britischen TV-Sendung ‚Top Of The Pops‘ auf. Einer der Produzenten hat uns dabei dermaßen mies behandelt, dass wir danach nie wieder hin wollten. Das war kindisch. Man muss so professionell sein, solche Dinge ignorieren. Das kann ich jedem Nachwuchsmusiker nur raten.“
Man sollte auch nicht so viel darauf geben, was andere von einem denken – und auch nicht alles so ernst nehmen. „Ich habe 1977 einmal ein Interview in Deutschland gegeben. Nach einer Weile kam dann die Frage, welche Musik ich persönlich mag. Neben einigen anderen Künstlern er-wähnte ich damals auch ABBA“, erinnert er sich. „Der Interviewer war ganz verdutzt und fragte mich, ob ich gerade wirklich ABBA gesagt hätte. Und ich antwortete: ‚Ja, die schwedische Popband!‘ Nach dem Interview nahm mich ein Mitarbeiter unserer Plattenfirma beiseite und sagte: ‚Entschuldige, Francis, aber es ist nicht gut, wenn du zugibst, ABBA zu mögen. Das passt nicht zu deinem Image!‘ Ich erwiderte nur: ‚Scheiß auf mein Ima-ge!‘ Man sollte sich nie dafür schämen, was man mag und wer man ist.“
Und Francis Rossi ist vor allem eines: ein Vollblutmusiker. Vergangenen Mai veröffentlichte er sein zweites Soloalbum ONE STEP AT A TIME, und nun, ein knappes Jahr später, steht Status Quos QUID PRO QUO in den Läden. Man fragt sich wirklich, woher all diese Kreativität stammt. „Dass beide Alben so schnell hintereinander erschienen sind, hat vor allem mit Glück zu tun“, berichtet er lachend. „Ich musste mich bei meinem Soloalbum nicht lange mit dem Komponieren aufhalten, da abgesehen von einem Song alle Tracks schon seit Jahren existierten. Ich habe sie damals aufgenommen, weil ich umgezogen bin und mich an das Studio in meinem neuen Haus gewöhnen wollte. Meinem Manager und mir gefielen sie dann so gut, dass wir sie veröffentlichen wollten. Anders wäre es nicht möglich gewesen, beide Projekte in so kurzer Zeit an den Start zu bekommen.“
Durch diesen glücklichen Zufall fiel es ihm auch leichter, sich auf QUID PRO QUO zu konzentrieren. „Die erste Hälfte der Songs haben wir vor Weihnachten und die zweite Hälfte danach eingespielt“, erklärt Rossi. „Da wir schon seit Jahrzehnten Alben aufnehmen, wissen wir, wie der Hase läuft. Wir haben gelernt, dass es am besten ist, alles recht schnell über die Bühne zu bringen“, fasst er den Aufnahmeprozess zusammen und fügt verschmitzt hinzu: „Das ist ja schließlich unser Job.“ Doch auch alte Hunde können noch neue Tricks lernen. Die Verbissenheit, mit der Status Quo früher an die Songwriting-Arbeit herangegangen sind, gehört inzwischen der Vergangenheit an – es hat sich stattdessen eine gewisse Lockerheit breit gemacht. „Früher habe ich ein Album vor dem Mastering immer überall hin mitgenommen, es mir wieder und wieder angehört und analysiert“, erzählt er. „Doch dieses Mal wollte ich das nicht. Wir haben uns entschlossen, einfach im Studio Musik zu machen und es dann gut sein zu lassen. Dadurch strahlen die Lieder eine unverfälschte Energie aus – das gab es bei uns schon lange nicht mehr in dieser Form.“
Für Francis Rossi gehört QUID PRO QUO daher auch zu den abwechslungsreichsten Werken der Band-Karriere. „Es ist das erste Album, bei dem man die Tracks voneinander unterscheiden kann und nicht denkt, dass man einen einzigen, überlangen Song hört“, presst er unter lautem Lachen hervor. „Die Platte klingt frisch und dynamisch. Uns gefällt sie, und wir hoffen, dass die Leute sie auch mögen.“ Dann breitet sich ein weiteres schelmisches Grinsen über sein Gesicht aus, als er ergänzt: „Und wenn wir Glück haben, verdienen wir damit auch ein bisschen Geld.“
Womit wir auch schon beim Titel des neuen Albums wären – denn „Quid Pro Quo“ bedeutet, dass jemand eine Gegenleistung für seinen eigenen Einsatz bekommt. „In unserem Fall bedeutet das also so viel wie: Wir geben euch Musik – und ihr bezahlt uns dafür“, scherzt Rossi, setzt aber durchaus ernsthaft hinterher: „Das kann man ruhig aussprechen. Wenn wir ein Album veröffentlichen, hoffen wir natürlich auch, dass wir damit etwas verdienen.“ Das geht heutzutage allerdings nicht mehr ohne entsprechende Marketing-Strategie – was sich auch bis ins Quo-Lager herumgesprochen hat. „Das ist schon so, seit die Spice Girls ihre ersten Erfolge feierten“, sinniert Francis. „Viele Leute dachten damals, die Ladys wären die beste Pop-Band der Welt. Dabei waren sie eher mittelmäßig – im Gegensatz zu ihren erstklassigen PR-Kampagnen. So ist das auch bei Madonna. Ständig redet jeder darüber, wie toll es doch ist, dass sie sich immer wieder neu erfinden kann. Dabei färbt sie sich oft nur die Haare. Alles eine Frage der Promotion. Doch selbst wir müssen an solche Dinge denken, wenn wir ein neues Album veröffentlichen. Nun, vielleicht nicht gerade an unsere Haarfarbe, aber eben an viele andere Sachen…“
Nur über eines wollen sie nicht nachsinnen: die Rock-Rente. Die „alten Säcke“, wie Francis die Band lachend beschreibt, haben nämlich keine Lust auf Ruhestand. „Solange wir Spaß an der Musik haben und sie zumindest ein paar Leuten gefällt, werden wir weitermachen“, sagt er. „Wir sind stur. Ich möchte einfach nicht kürzer treten. Ab einem gewissen Alter muss man zwar mehr auf sich achten und sich fit halten. Aber im Grunde ist jeder doch nur so alt, wie er sich auch selbst macht.“
Simone Bösch