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Schweden Report

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Schweden Report

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The Horsehead Union2 (by THHU-inc.)EINE REISE DURCH DIE SCHWEDISCHE ROCKSZENE

WHERE THE ACTION IS!

In den 80ern waren es die Nomads oder Union Carbide Production, die die Augen und Ohren vieler Rockfans gen Norden stehen ließ. Mitte der 90er explodierte die Szene mit Bands wie den Hellacopters, Soundtrack Of Our Lives oder The Hives und eine schwedische Herkunft wurde zum Qualitätssiegel für gute Rockmusik. Auch heute, 20 Jahre später, ist das Mekka der europäischen Rockmusik fernab der Ideenlosigkeit und zeigt mit Graveyard, Imperial State Electric, Witchcraft und vielen anderen tollen Bands sein lebhaftes Gesicht. Die „vielen anderen Bands“ haben uns sehr neugierig gemacht und uns zu einer kleinen Reise in den Norden bewegt.

Text: Ben Klein

Tag 1 – Göteborg

Im Vorfeld erklärte sich Jonas Mattsson, Gitarrist der Horsehead Union, bereit, uns am prächtigen Göteborger Bahnhof abzuholen und zum Konzert von Märvel und den Deadheads zu begleiten. Die Überraschung ist groß, als uns letztendlich die gesamte Band in Empfang nimmt. Das Jönköpinger Rock‘n‘Roll-Quintett lässt es sich nicht nehmen, bei der Show dabei zu sein und unterbricht die Aufnahmen für ihr neues Album. Dieses wird IN CONTROL heißen und im Frühjahr 2014 veröffentlicht. Sichtlich euphorisch berichten die Musiker über den aktuellen Stand der Aufnahmen und machen kein Geheimnis aus der Begeisterung für ihren neuen Sänger Erik Linder. „Erik ist eine unheimliche Bereicherung für die Band. Er weiß einfach, wie Rockmusik zu klingen hat“, schwärmt Bassist Kristian Rigo über den Schallplattenverkäufer und Krautrock-Fan. Jonas ergänzt: „Das neue Album wird viel fokussierter als das erste klingen. Purer Rock!“ Und tatsächlich bringt ›Gotta Choke‹, der erste veröffentlichte Song mit dem neuen Sänger, eine überzeugende Mischung aus den frühen Sewergrooves, kombiniert mit der Durchschlagskraft von Gluecife. Der Weg führt durch das abendliche Göteborg in einen Teil der Stadt, den die Band als gefährlichen Rotlichtbezirk beschreibt. Kuriositäten jeglicher Art bleiben uns allerdings verborgen.

Quartetts liegen deutlich im engen Dunstkreis der Hellacopters, doch gelingt es ihnen, entgegen vieler anderer Nachahmer, sich hier hauptsächlich von der immensen Energie der namhaften Schweden inspirieren und somit die Musik als höchst eigenständig wirken zu lassen. Das bleibt auch beim Publikum nicht unbemerkt und wird durch ausgelassenes Tanzen honoriert. Nach einigen Singles haben die Deadheads ihr erstes Album unter Dach und Fach gebracht und suchen nun nach einem geeigneten Label. Lange kann diese Suche nicht dauern.

Auch Märvel ziehen die versammelte Meute schnell in ihren Bann. Das High-Energy-Rock‘n‘Roll-Trio aus Linköping ist mit seinen elf Jahren Bandhistorie fast schon eine alte Dame in der Szene und hat einen Fanklub, der sich über den gesamten Erdball verteilt – die Märvel Army. Ähnlich wie bei den Deadheads gibt es auch hier gewisse Ähnlichkeiten zu den Hellacopters, jedoch steht bei den Maskierten mehr das filigrane Handwerk im Vordergrund und nicht das raue Tempo. Ihre Musik klingt nach einer schweißtreibenden Orgie zwischen den Hellacopters, Turbonegro und Electric Six — das alles unter einem großen Kiss-Banner. Auf der Bühne wirken die Herren losgelöst und genießen es, neben Hits wie ›I Wanna Know You‹ auch einige Songs des kommenden Albums darzubieten. Der WARHAWKS-OF-WAR-Nachfolger ist bereits in der Mache und soll durch eine Pledge-Kampagne verwirklicht werden. Auf die Unterstützer warten tolle Überraschungen.

Nach der Show geht es für alle an die Bar und es ergeben sich viele interessante Gespräche. ,,Nie war die Schwedische Rockszene stärker als heute. An allen Ecken schießen junge, talentierte Bands aus dem Erdboden. Das bringt natürlich auch Probleme mit sich, denn es sind einfach zu viele. Für meine eigenen Kombos muss ich sehr hart kämpfen, aber die anderen behandle ich trotzdem mit großem Respekt. Das ist die Art von Killer Cobra“, berichtet Björn „Papa Bear“ Rallare, Manager von Märvel und Inhaber von Killer Cobra Records. Bis in die frühen Morgenstunden wird geplaudert.

Tag 2 – Göteborg

Sind die Strapazen der vorangegangenen Nacht erst verdaut, geht es zu einer kleinen Wanderung durch Göteborgs Altstadt, den Hafen, vorbei an einigen Plattenläden und dem von Graveyard besungenen Stadtteil Hisingen. Ziel des Ausflugs ist das Lokal Pustervik im Herzen von Schwedens zweitgrößter Stadt.
Dort angekommen, werden wir sehr herzlich vom ehemaligen Doits Sänger/Gitarristen Altay Sagesen begrüßt und zu einer gemütlichen Sitzecke in der zweiten Etage führt. Altay hat vor einiger Zeit Stockholm verlassen und lebt nun in Göteborg. Mit seiner neuen Powerpop-Band The Last Tendrills hat er im vergangenen Jahr die erste Single ›Someone To Talk To‹ veröffentlicht. Leider ist er an diesem Abend sehr damit beschäftigt, dem Treiben im Laden nachzukommen und muss wieder zügig seiner Arbeit nachgehen.

Thomas Jäger und Esben Willems sind die ersten, die sich an unseren Tisch gesellen. Einen Namen in der Szene machten sich die beiden durch ihre 2007 gegründet Boogie-Rock‘n‘Roll-Band Marulk (schwedisches Wort für Seeteufel). Dieser Seeteufel ist allerdings vorerst auf Eis gelegt. Mit funkelnden Augen berichten die beiden über ihr neues Projekt namens Monolord und lassen prompt einige Hörproben aus dem Mobiltelefon erklingen. Schwere Kost. Der Boogie ist dem Doom gewichen. Die bereits fertigen Songs haben jeweils eine Spielzeit von mindestens acht Minuten und bringen den Handy-Lautsprecher schnell an seine Grenzen. Die sehr dichten Songstrukturen bleiben allerdings nicht verborgen und gehen direkt ins Ohr.

Dann wird die Runde von David Henriksson und Thomas Windholm von The Movements ergänzt. Die Göteborger sind seit über zehn Jahren im Geschäft und ein fester Eckpfeiler der europäischen Garagen-Rock- Szene. Gerade eben erschien ihr Album LIKE ELEPHANTS I, auf dem sie sich eindringlich mit der psychedelischen Farbenpracht der 60er Jahre befassen. Getränke werden gereicht, der Gesprächsstart fällt nicht schwer und schnell tauscht man sich über die neuen vielversprechenden Bands aus. Esben Willems erwähnt die ebenso aus Göteborg kommenden Senkrechtstarter von Bombus und erntet damit Zustimmung aller bisher versammelten Musiker. „Die könnten das nächste große Ding werden. Im Moment ist es Graveyard, aber danach wird wieder etwas Neues kommen. Da es sehr wahrscheinlich nichts wirklich Neues sein wird, kann ich mir gut vorstellen, dass irgendein Crossover den nächsten Trend bilden wird. Und da sind Bombus schon auf dem richtigen Weg“, ergänzt der Movements-Sänger. Auch Oskar Öberg von Molior Superum hat sich mittlerweile zu uns gesetzt und weist darauf hin, dass man Horisont nicht vergessen darf. Seine eigene Band ist noch recht frisch im Geschäft und spielt schweren bluesgetränkten 70er-Rock. Molior Superum sind mit ihrem Sound nicht alleine auf dem Markt, dennoch wird jegliche Art des Wettbewerbs verneint. „Es wird immer schwerer, an gescheite Auftritte zu kommen. Deshalb unterstützt man sich untereinander so gut es geht.“ David ergänzt: „Ich denke, generell ist dieses Wettbewerbsdenken in der schwedischen Mentalität nicht sehr stark.“

Neue Getränke werden gereicht und Kalle Lilja von Långfinger schnappt sich den letzten freien Stuhl. Der Gitarrist der energiegeladenen 70er- Rock-Band brauch nicht lange, um ins Gespräch zu finden: „In Schweden leben nicht sonderlich viele Menschen und die Städte sind sehr klein. Wahrscheinlich lernt man sich deshalb untereinander einfacher kennen und hilft sich so gut es geht.“ Auch der Staat und die Kommunen bieten finanzielle Unterstützung. Bands können Gelder beantragen, um ihren Proberaum zu finanzieren. Musiker, die bereits eine einschlägige Karriere vorweisen können, haben die Chance auf eine deutlich gehaltvollere Finanzspritze. Dazu muss laut Thomas Windholm „ein langer Papierkrieg bestritten werden und selbst dann sind es nur sehr wenige, die davon letztendlich profitieren. Auf dem Papier liest es sich eindeutig besser, als es in Wahrheit ist.“ Der schwedischen Rockszene geht es nicht schlecht, aber auch lange nicht so gut, wie es häufig von außen wahrgenommen wird.

Tag 3 – Stockholm

Begleitet von Jermey Irons & The Ratgang Malibus (JIRM) Gitarrist Micke Pettersson erreichen wir Nostalgiplatset, den beeindruckendsten Plattenladen der Hauptstadt. Hier gibt es neben Bergen von Tonträgern aus den letzten 60 Jahren, alte Poster, Magazine und jede Menge Schätze, die das Sammlerherz höher schlagen lassen. Micke witzelt: „In einigen Jahren werden hier auch unsere Platten als Raritäten angeboten.“ Seine Band kann man grob dem Retro-Rock zuordnen, doch spielen sich JIRM mit ihrer fesselnden Mixtur aus klassischem Rock und psychedelischen Elementen deutlich aus der großen Masse hervor. Es ist die Intensität ihrer Songs, die den Unter- schied zu vielen anderen Gruppen bildet. Das Quartett beweist eine Menge Feingefühl, wenn es darum geht, fesselnde Atmosphären zu erschaffen und diese letztendlich in atemberaubenden Melodien explodieren zu lassen. Beide Hände tief in einer Plattenkiste versenkt, merkt Micke an, dass JIRM im April 2014 ihr drittes Album veröffentlichen und wieder auf Tour gehen werden. Deutschland steht auch auf dem Plan. Eine gute Stunde später und etliche Kronen leichter verlassen wir das Plattenparadies und finden nur wenige Schritte die Straße hinauf King Carlos Tattoo. Hier treffen wir auf Maria Eriksson von Beast. Maria ist nicht zufällig hier. Die Sängerin der Hardrock-Band ist Tätowiererin und der sehr gemütlich dekorierte Laden ihr Arbeitsplatz. Mit ihrer Band hat sie gerade eben das Debüt DEAD OR ALIVE veröffentlicht und von vielen Seiten Beifall eingeheimst. Ehrlich bedauernd berichtet sie uns, dass vor gar nicht langer Zeit das „Debaser Slussen“ geschlossen wurde. Dieser traditionelle Live-Klub war für sie und viele andere Stockholmer Musiker einer der wichtigsten Orte, um Konzerte zu geben oder andere Bands zu sehen. Viel Zeit, diesen Plausch auszudehnen bleibt leider nicht, da sich bereits ein Kunde auf der Liege befindet und Maria etwas ängstlich seinen Arm entgegenstreckt.
Weiter geht es nach Södermalm. Der Stadtteil mit den vielen Bars und Klubs ist der angesagteste in Stockholm. Ein wenig abseits der Menschenmassen, in einer kleinen Seitenstraße, betreten wir einen weiteren Tattoo- Shop. Auch hier lassen wir die Nadel nicht unter unsere Haut, sondern besuchen den ehemaligen Hellacopters-Bassisten Kenny Håkansson. Der sympathische Mann besitzt einen Buchladen im Inneren des Tattoo- Shops. Den kleinsten Buch- laden der Welt, wie er grinsend betont. Hier verkauft er Bücher über Alchemie, Kräuterkunde, Dämonologie, Hexenkunst, Psychedelik und allerhand interessante Kuriositäten. „Ich spiele wieder in einer Band“, berichtet Kenny und präsentiert uns dabei ein breites Grinsen. „Mary‘s Kids haben vor wenigen Wochen bei mir angerufen und drei Tage später saß ich bereits mit ihnen zusammen im Tonstudio und habe die ersten Songs aufgenommen. Es geht alles ziemlich schnell, aber das gefällt mir.“ Der 41-Jährige strahlt eine enorme Herzlichkeit aus, die dem kurzen Besuch einen besonderen Nachdruck verleiht.

Solna ist der letzte Halt unserer Reise. In einer ehemaligen Schule auf einem kleinen Hügel inmitten des sehr sportbegeisterten Stadtteils begegnen wir Martin Taranger, dem Gründer und Leiter des „Black Sheep“. Als der ehemalige Koch von den Plänen zum Abriss der Schule erfuhr, nahm er Kontakt zu den lokalen Politikern auf und unterbreitete ihnen seine Idee einer Art Jugendzentrum mit dem Schwerpunkt Rockmusik. „Es war ein langer und harter Kampf. Jeder hier interessiert sich für Sport und dann kommt auf einmal ein junger Typ wie ich und will aus dem Gebäude einen Ort machen, an dem sich Jugendliche treffen und mit ihren Bands proben können.“ Sein hartnäckiges Bombardieren mit Emails zeigte Wirkung und die lokalen Politiker gaben ihm einen Raum des Gebäudes. „Wir überlegten uns, wie wir auf uns Aufmerksamkeit machen könnten und bewarben das ‚Black Sheep‘ zunächst als Jugendzentrum, in dem niemand willkommen ist.“ Dieser Slogan sprach sich schnell herum und zur Eröffnung 2006 kamen etliche Kids aus ganz Stockholm. Heute füllt das „Black Sheep“ die gesamte Schule und bietet Proberäume für 40 Bands. Das bedeutet über 200 musizierende junge Stockholmerinnen und Stockholmer. Spielekonsolen oder große Fernseher sucht man hier vergebens. Stattdessen stehen auf den Fluren viele unterschiedliche Gitarren, Bässe und weitere Musikinstrumente bereit, an denen sich die jungen Musiker bedienen können. Schlagzeuge und Verstärker befinden sich in den Proberäumen.

„Die Kids zahlen minimale Mieten, die wiederum komplett zurück in die Jugendarbeit fließen“, erklärt uns der heute 33-jährige passionierte Hellacopters-Fan. „Mittlerweile haben wir auch einen Teil, in dem die Erwachsenen proben. Die zahlen natürlich mehr für ihre Räume. Entombed üben hier und das Gutterview Studio von Nicke Andersson, Fred Estby und Dolf de Borst findest du im zweiten Stock. Der Schwerpunkt liegt aber weiterhin auf den Jugendlichen. Wir geben den Kids die Möglichkeit, Musik zu entdecken, zu proben und sich weiterzuentwickeln.“ Unterstützung bekommen die Jugendlichen unter anderem vom ehemaligen Hellacopters-Schlagzeuger Robert Eriksson und Robert Pehrsson (Humbucker, Death Breath u.v.m.), die jeweils 20 Stunden in der Woche vor Ort sind, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Frage, warum es in Schweden so viele gute Rockbands gibt, konnten wir in den vergangenen Tagen nicht klären. Wo allerdings der Nachschub für die Zukunft heranwächst, liegt nun auf der Hand.

Begleitet von Erinnerungen an spannende Gespräche, vielen neuen Bands und Martin Tarangers inspirierender Arbeit mit seinem „Black Sheep“, begeben wir uns auf den Heimweg. Die Reise endet hier, aber es wird gewiss nicht die letzte gewesen sein.

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