Der Gitarrist der Rolling Stones bringt sein achtes Soloalbum auf den Markt. Und es ist ein Werk mit klarem Durchblick.
Vor wenigen Monaten noch stand Ron Wood vor den Scherben seines Lebens: Seine Ehe mit dem ehemaligen Model Jo Howard, aus der drei Kinder hervorgegangen sind? Aus und vorbei. Die Liaison mit der 42 Jahre jüngeren Bardame Ekaterina Ivanova, für die er seine Ehefrau verlassen hatte? Ebenfalls zu Ende. Seine Alkoholsucht? Außer Kontrolle. Und seine Rolle bei den Rolling Stones? Mick Jagger stellte ihm ein Ultimatum: sofortige Entziehungskur oder fristlose Kündigung. Wood, dem nachgesagt wird, jahrelang an einem normalen Tag bis zu vier Liter Guinness, dazu ein bis zwei Flaschen Wodka und eine Flasche Sambuca konsumiert zu haben, entschied sich zu einer radikalen Abkehr von Suff und Sucht. Jetzt ist er nach eigenem Bekunden seit acht Monaten trocken, hat die seit langem angekündigte Wiederbelebung der britischen Kultband The Faces realisiert und auch das seit 2001 brachliegende Projekt „achtes Soloalbum“ umgesetzt. Seit Ende September steht I FEEL LIKE PLAYING in den Geschäften – ein Album, auf dem unter anderem Slash, ZZ Top-Gitarrist Billy Gibbons, Flea (Bassist der Red Hot Chili Peppers), Bobby Womack, Jim Keltner, Ian McLagan und Kris Kristofferson zu hören sind. Wood ist sichtlich erleichtert, allerdings in nüchternem Zustand nicht mehr ganz so redselig wie zu Zeiten, als er permanent unter Strom stand.
Ronnie, wie geht es dir gesundheitlich?
Danke, es geht mir sehr gut. Man könnte fast sagen: so gut wie nie zuvor in meinem Leben. Ich bin voller Tatendrang und weiß gar nicht, wo ich zuerst anfangen soll.
Kannst du diese neue Vitalität auf I FEEL LIKE PLAYING selbst hören?
Ja, natürlich. Es herrscht eine neue Klarheit in dem, was ich mache. Und genau das werde ich auch dann umsetzen, wenn ich das nächste Mal mit den Stones arbeite. Ein Soloalbum ist eine gute Gelegenheit, die Sache wieder in den Griff zu bekommen und sich wieder genauer um die Arrangements von Stücken zu kümmern. Alles klingt wieder schärfer, strukturierter und damit auch besser.
Was genau hat deine letzte Entziehungskur bewirkt?
Seitdem ich mein Leben geändert habe, sehe ich eine Menge Dinge klarer. Ich konzentriere mich auf meine Projekte, genieße das Leben, das Gitarrespielen, die Kreativität. Es läuft zurzeit gut, denn ich habe die Kontrolle über mich und meine Musik zurückgewonnen.
Bernard Fowler, der Produzent des Albums, bezeichnet I FEEL LIKE PLAYING als schwierigste Platte deines Lebens.
Das stimmt, aber gleichzeitig hat die Musik für mich auch eine heilende Wirkung, das Ganze ist geradezu spirituell.
Hast du die Songs konkret für die Soloscheibe komponiert, oder waren sie für die Faces-Reunion gedacht?
Nein, es sind alles Songs, die ich für mein eigenes Album verwenden wollte. Manchmal entstanden die Stücke nachmittags in einem Hotelzimmer und wurden dann direkt abends im Studio umgesetzt. Kris Kristofferson kam hinzu und fragte, ob er mir beim Text zu ›Why Do You Wanna Go And Do A Thing Like That For‹ helfen könne. Ich sagte: „Ja klar, gerne sogar“, und so fügte er ein paar wunderbare Sachen hinzu.
Und Slash und Billy Gibbons sind auch zu hören…
Ja! Slash sagte zu mir: „Ronnie, wenn du auf meinem Album spielst, revanchiere ich mich auf deiner Scheibe.“ Damit war die Sache klar. Und Billy Gibbons war in der Stadt und schaute im Studio vorbei. Bevor ich es merkte, herrschte ein munteres Treiben im Studio, denn es tummelten sich dort etliche Musiker, die alle auf meinem Album spielen wollten. Es war wirklich eine außerordentlich produktive Zeit.
Was haben Jagger und Richards zu deinem neuen Album gesagt? Einiges darauf hätte immerhin auch einer kommenden Stones-Scheibe gut zu Gesicht gestanden…
Mick hat einige der Songs in einem frühen Stadium gehört und mich ermutigt. Er sagte, dass sie wirklich sehr gut klängen. Zu Keith Richards habe ich zurzeit keinen Kontakt, da er zuletzt viel mit „Fluch der Karibik“ zu tun hat und die restliche Zeit mit seiner Familie verbringt. Ich habe ihn zuletzt im vergangenen Jahr gesehen, als er nach London kam. Das war kurz nachdem ich von zu Hause ausgezogen bin.
Auf dem Cover deines Soloalbum ist ein Gemälde von dir abgebildet: Was bedeutet die Malerei für dich?
Für mich ist es in der momentanen Lage natürlich von Vorteil, immer beschäftigt zu sein. Deswegen kümmere ich mich um meine Kunstausstellungen, habe in Ohio ein Museum eröffnet und bin nach wie vor sehr kreativ.
Die Faces-Reunion schlägt zurzeit hohe Wellen, auch wenn Rod Stewart nicht mitzieht. Mit Mick Hucknall von Simply Red gibt es allerdings einen hochkarätigen Ersatz.
Mick ist ein toller Typ. Übrigens auch unser Bassist Glen Matlock, der früher bei den Sex Pistols war. Die Faces sind eine tolle Mischung unterschiedlicher Musiker, mit denen ich mir prima die Zeit vertreiben kann, bevor die Stones wieder auf Tournee gehen.
Warum ist Rod Stewart entgegen seiner Ankündigung bei der Reunion nicht dabei?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau. Der Kontakt ist seit einigen Monaten komplett abgebrochen. Wir warteten lange Zeit vergeblich auf seine Zusage und entschieden schließlich, die Reunion nicht davon abhängig zu machen. Da Mick Hucknall so singen kann wie Rod in den Siebzigern, also all die hohen Töne hinkriegt, ist er der richtige Mann für uns. Aber die Einladung an Rod steht natürlich immer noch: Wann immer er zu uns stoßen will, ist er herzlich willkommen.
Und was machen die Stones? Man munkelt von einer Abschieds-Tournee ab Frühjahr 2011…
In den nächsten Monaten werden wir ein paar Dinge angehen. Noch vor Weihnachten wird es ein Treffen geben, bei dem wir entscheiden, was wir machen wollen und was nicht. Ich glaube, dass die Stimmung generell sehr positiv ist und wir im kommenden Jahr einige tolle Sachen an den Start bringen werden.